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Foto: Sabine Schaa-Schilbach
Foto: Sabine Schaa-Schilbach

Die Referentinnen vom Sankt Elisabeth Hospizverein Memmingen-Unterallgäu (von links) Heike Holzer und Angelika Reimer erklärten Interessierten, wie Menschen am Lebensende umsorgt werden können.

Türkheim
01.11.2021

"Letzte Hilfe": Trauer ist nicht das Problem, sondern die Lösung

Von Sabine Schaa-Schilbach

Im Kurs „Letzte Hilfe“ an der Volkshochschule Türkheim wird der Mut gefördert, sich einem Menschen am Lebensende zuzuwenden.

Mit den Feiertagen Allerheiligen und Allerseelen ist der November ein Monat des Gedenkens an die Verstorbenen. Der Tod eines Menschen ist aber auch etwas Gegenwärtiges und ein Thema, das emotional anrührt. War in früheren Zeiten das Begleiten bis zum Lebensende in dörflichen Strukturen noch vorhanden, so ist das Wissen um das „Wie“ in unserer Zeit zum großen Teil verloren gegangen. Trotzdem besteht die Notwendigkeit unverändert fort, anderen im Sterben beizustehen.

Beim "Letzte Hilfe Kurs" der VHS Türkheim gibt es Infos zu Palliativ-Angeboten

Deshalb gab es den „Letzte Hilfe Kurs“ der VHS Türkheim zusammen mit dem Sankt-Elisabeth-Hospizvereins. Zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer informierten sich über Angebote zur Palliativ-Versorgung und darüber, wie sie sich selbst in einer solchen Situation einbringen können, als Angehörige, Freunde oder Nachbarn. Es gab viele Fragen im Kurs, die großenteils alle beantwortet werden konnten.

Die beiden Referentinnen konnten aus ihrer Praxis berichten und bei Unsicherheiten Klarheit schaffen und Ängste nehmen. Heike Holzer ist Sozialpädagogin und seit vielen Jahren hauptamtliche Koordinatorin beim Hospizverein. Sie übernahm den „theoretischen“ Teil der Fortbildung. Angelika Reimer ist Krankenschwester, seit fünf Jahren ehrenamtliche Hospiz-Begleiterin und berichtete aus ihrem Hospiz-Alltag. Der gemeinnützige Sankt Elisabeth Hospizverein Memmingen-Unterallgäu entstand 1995 und ist Mitglied im Caritasverband und beim Diakonischen Werk. Er hat derzeit um die 70 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die Motivation der Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer, sich mit dem Thema Sterben auseinanderzusetzen, war einerseits eigenes Erleben in der Vergangenheit. Oder sie sind jetzt direkt betroffen: wie kann man sich für die eigenen Eltern an deren Lebensende einbringen? Die in der Runde erzählten Situationen waren berührend.

Immer wieder kam eine empfundene Hilflosigkeit zur Sprache. Es sei schwer auszuhalten, dass er nichts wirklich tun könne, sagte ein Kursteilnehmer. Es zeigte sich, dass beide Seiten fachkundigen Beistand bräuchten: die Angehörigen genauso wie der betroffene Mensch am Lebensende.

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Für den, aber genauso für die Entlastung der Angehörigen, gibt es institutionelle Hilfen. „Palliativ“ ist für viele Menschen ein Schreckenswort im Sinne von: vorbei, Endstation. Doch Palliativ-Care ist mehr. Sie umsorgt den Menschen in seiner Gesamtheit. Sie unterstützt und entlastet bei Problemen wie Schmerztherapie und seelischer Verfassung. Ein Hospiz oder eine Palliativstation in einer Klinik verstehen sich als „Herberge für Menschen auf dem Weg“. Sie sprechen deshalb auch nicht von Patienten, sondern von Gästen.

Auch im Türkheimer Kreis-Seniorenheim St. Martin gibt es ein stationäres Hospiz-Zimmer

Ehrenamtliche Hospiz-BegleiterInnen werden in einem Vorbereitungskurs auf ihren Hospiz-Dienst vorbereitet. In Memmingen, Mindelheim und im Türkheimer Kreisseniorenheim St. Martin gibt es jeweils ein stationäres Hospiz-Zimmer für den Gast, wenn er seine letzte Lebensphase nicht mehr zuhause verbringen kann, aber heimatnah bleiben möchte.

Auch Angehörige können ihn begleiten. Die Betreuung erfolgt durch Palliative-Care-Fachkräfte des Hospizvereins. Aber auch für Menschen, die am Lebensende in häuslicher Umgebung bleiben wollen, gibt es die Möglichkeit der „Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV), auch „Pallium“ genannt. Das ist ein Team aus haupt- und ehrenamtlichen Kräften.

Nach Fragen zur Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung kamen auch schwierige Themen wie lebensverlängernde Maßnahmen oder Sterbehilfe zur Sprache. Beim praktischen Teil, nämlich was jede und jeder selbst tun kann, um einem Menschen das Lebensende so leicht wie möglich zu gestalten, gab es gute Ideen seitens der Zuhörerinnen und Zuhörer. „Eine Wohlfühlatmosphäre schaffen, das Krankenbett im Wohnzimmer aufstellen, Wärme, so kann man es schön machen. Jeden Tag ein Abendlied singen.“

Ein Teilnehmer, der seiner dementen Mutter Gedichte vorgelesen hatte, „wo sie doch nichts mehr verstand“, war durch die unerwartete, positive Reaktion der Mutter „zu Tränen gerührt“. Auch wenn es viele Probleme am Lebensende gäbe, wie Schmerzen, Atemnot, Angst, Unruhe und Übelkeit: es gäbe gute Hilfen in Form von Medikamenten. Vielen Wünschen könne man entgegenkommen, zum Beispiel wenn sich „ein Diabetiker ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte wünscht“.

Klar war aber auch, dass durch die Extremsituation der Pandemie die Isolation Sterbender verstärkt worden war. Klar ist auch, dass es für die Angehörigen „irgendwann mit dem Abschiednehmen losgeht,“ weiß Heike Holzer. Trauer sei wie eine große offene Wunde, denn niemals würde es wieder so sein wie zuvor. Damit zu leben lernen sei ein langer und sehr individueller Prozess. Trauer sei nicht das Problem, sondern die Lösung.

Zum Abschluss äußerten sich die Teilnehmer positiv. „Ich weiß jetzt, dass ich nicht immer aktiv sein muss“ oder „jetzt habe ich einen Blick von außen her bekommen, da fühle ich mich beruhigt.“

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