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Memmingen: Totschlag-Prozess: Auf einmal stach die Frau mit einem Messer zu

Memmingen

Totschlag-Prozess: Auf einmal stach die Frau mit einem Messer zu

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    Eine 27-Jährige steht wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Memmingen.
    Eine 27-Jährige steht wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Memmingen. Foto: Ralf Lienert (Symbolfoto)

    „Ich hab’ nicht damit gerechnet, dass sie den Mumm hat“, sagt das Opfer im Prozess gegen eine 27-Jährige aus, die sich vor dem Landgericht Memmingen wegen versuchten Totschlags verantworten muss. Im April des vergangenen Jahres soll die Frau in der Memminger Obdachlosenunterkunft versucht haben, den 31-Jährigen mit einem Küchenmesser zu erstechen. Die Klärung des Falls gestaltet sich wegen der vielen Erinnerungslücken der Zeugen dabei als schwierig.

    Der erste Verhandlungstag ist, gleich nachdem Staatsanwältin Patricia Fink die Anklageschrift verlesen hatte, unterbrochen worden. Fortgesetzt wird der Prozess, für den mehrere Verhandlungstage anberaumt sind, mit der Vernehmung der Angeklagten. Verteidigerin Anja Mack erklärt, dass sich ihre Mandantin zu ihrer Person äußern werde, zum Sachverhalt selbst aber vorerst nicht.

    Aussage der Angeklagten: Von klein auf psychische Probleme

    Also befragt das Gericht die 27-Jährige rund eine Stunde lang zu ihrem Lebenslauf. Ruhig, konzentriert und mit fester Stimme erzählt sie von ihren Schwierigkeiten in der Familie, der Schule und bei verschiedenen Arbeitsstellen. Von klein auf habe sie psychische Probleme gehabt. Sie habe davon aber lange nichts wissen wollen. Sie sei von ihrem „Erzeuger“ sexuell missbraucht worden, will dazu aber keine näheren Angaben machen. Schon im Kindesalter habe sie zu rauchen begonnen, mit 13 oder 14 ihren ersten Alkoholrausch gehabt. Sie habe fast alle gängigen Drogen konsumiert, auch Heroin. Vor zwei Jahren sei zu ihren sonstigen körperlichen Beschwerden, darunter Asthma und Allergien, auch noch eine Krebserkrankung diagnostiziert worden. Unterstützung von Vater, Stiefvater, Mutter oder Halbgeschwistern erhalte sie keine.

    Danach wird der Geschädigte als Zeuge gehört. Er bemüht sich scheinbar um die Wahrheit, hat aber erhebliche Probleme, das Geschehen in jener Nacht in seiner zeitlichen Abfolge exakt wiederzugeben. Vielleicht ist auch seine Aussage, dass er der Angeklagten „nichts Böses“ wolle und ihr verziehen habe, ein Grund für Richter Liebhart, ihn entsprechend in die Mangel zu nehmen. Wie begann der Streit? Warum mischte sich die Angeklagte ein? Wie kam sie an die Bratpfanne, mit der zuerst zugeschlagen wurde? Wie hielt sie das Messer, mit dem später zugestochen wurde?

    Erinnerungslücken beim Geschädigten: Er sei erheblich betrunken gewesen

    Mit einer ganzen Reihe weiterer Fragen löchert der Vorsitzende den Zeugen. Immer wieder sagt der 31-Jährige, dass er sich nicht genau erinnern könne. Er sei erheblich betrunken gewesen. Von deutlich mehr als zwei Promille ist die Rede. Erinnern könne er sich aber, dass ihm die Angeklagte damit gedroht habe, ihn „abzustechen“. Zur Bekräftigung seiner Aussage trommelt er sich selbst wie ein Gorilla mit den Fäusten auf die Brust. „Mach doch, mach doch!“, habe er mehrfach zu ihr gesagt. Und dann habe sie zu seiner Überraschung tatsächlich ein paar Mal auf ihn eingestochen. Er habe aber nur sehr oberflächliche Brustverletzungen erlitten, kaum der Rede wert, bevor dann die Klinge des Messers verbogen gewesen sei.

    Auch die damalige Freundin des Geschädigten, vor deren Zimmertür sich das Geschehen abgespielt hat, kann nicht wirklich erläutern, was passiert ist. Erst als ihr Auszüge aus ihrer polizeilichen Vernehmung vorgehalten werden, erinnert sie sich wieder an das eine oder andere Detail. Sie habe der Angreiferin zuerst die Pfanne abgenommen, glaubt sie, und später das verbogene Messer unter das Bett gekickt.

    Lebensgefährte der Angeklagten kann wenig zur Aufklärung beitragen

    Am Allerwenigsten zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen kann oder will der Lebensgefährte der Angeklagten. Warum er überhaupt an der Tür der Nachbarwohnung geklopft habe? Der Zeuge zuckt mit den Schultern. Wahrscheinlich habe er weitertrinken wollen. Man sei ja den ganzen Abend zuvor zusammen gesessen und habe gemeinsam Wodka getrunken.

    „Ich hab’ ein paar Fäuste abbekommen“, das sei zunächst alles gewesen. Er habe sich nicht gewehrt. Vielmehr habe er sich demonstrativ auf den Boden gesetzt.

    Seine Freundin habe nur schlichten wollen. Das sei ihr zunächst auch gelungen. Dann aber habe der 31-Jährige der Angeklagten einen Kopfstoß verpasst. Das weitere Geschehen habe er nicht richtig mitbekommen, weil er seine Brille verloren habe und ohne sie kaum etwas habe sehen können, so der Zeuge.

    Der Prozess soll Ende Februar am Memminger Landgericht fortgesetzt werden.

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