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Soziales: Wie ein Lied Mut machen kann

Soziales

Wie ein Lied Mut machen kann

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    Ron Traub will mit seinem Projekt „Lifenotes“ in Bad Wörishofen Menschen helfen, die von einer schweren Krankheit betroffen sind. 	 <b>Foto: Daniela Polzer</b>
    Ron Traub will mit seinem Projekt „Lifenotes“ in Bad Wörishofen Menschen helfen, die von einer schweren Krankheit betroffen sind. <b>Foto: Daniela Polzer</b> Foto: Daniela Polzer

    Bad Wörishofen „Manchmal muss man einfach einen Knopf in seinem Kopf drücken und nach vorne schauen“, sagt die 23-jährige Melanie Grundner aus Altötting. Als Jugendliche hat sie miterlebt, wie ihre kleine Schwester gegen Leukämie gekämpft hat. In dieser Zeit ist das Lied „Reset“, das englische Wort für Neustart, entstanden. Ein Song, in dem beide, gemeinsam mit anderen Betroffenen, ihre Gedanken und Gefühle verarbeitet haben.

    Im Text heißt es: „Ich drück’ reset in meinem Kopf, ich start das Leben neu, ich drück’ reset in meinem Kopf, und fühl mich frei dabei.“ Melanie erklärt: „Wir haben uns für das Thema Neustart entschieden, weil so eine Krankheit immer mit einer bedrückenden Zeit verbunden ist. Danach muss man sich auf das Neue konzentrieren.“

    Da auch einige kleinere Kinder an dem Projekt beteiligt waren, finden sich die Zeilen „Hakuna Matata, Liebe und Glück, Hakuna Matata, willkommen im Leben, willkommen zurück“ im Text. Den Spruch kenne man ja aus dem Disney-Film „Der König der Löwen“ und der stehe ja auch irgendwie für Freiheit, meint Melanie.

    „Reset“ habe die 23-Jährige in so manchen schwierigen Situationen aufgebaut: „Als wir den Song in der Gruppe geschrieben haben, ging es meiner Schwester schon wieder besser. Wenn ich das Lied höre, denke ich also an die Zeit, in der es schon wieder bergauf gegangen ist.“

    Entstanden ist der Song in dem Projekt „Lifenotes“, das Ron Traub und seine Frau Carry aus Bad Wörishofen ins Leben gerufen haben. Menschen, die mit einer schweren Krankheit kämpfen, haben hier die Möglichkeit, ihre Gedanken in einem eigenen Lied zu verarbeiten.

    Ron Traub ist mit seinem Team deutschlandweit unterwegs. Sie kommen mit Zubehör und Technik in die Kliniken und schreiben mit den teilweise noch sehr jungen Patienten einen Song. Wenn der Text fertig ist, singen die Teilnehmer und werden dabei aufgezeichnet. Am Ende erhält jeder eine CD mit dem gemeinsamen Lied. Das Besondere daran: Das alles passiert an nur einem einzigen Tag.

    Intissar El Fakiri aus Berkheim hat während eines Krankenhausaufenthalts an dem Projekt teilgenommen. Die 17-Jährige hatte einen Hirntumor und hört sich das Lied „Ich bin immer ich geblieben“, das sie damals zusammen mit anderen Patienten geschrieben hat, heute noch manchmal an. „Uns war es wichtig, anzusprechen, dass wir trotz unserer Krankheit immer noch die gleichen sind. Äußerlich verändert man sich zwar, aber innerlich bleibt man dieselbe“, sagt Intissar zum Thema des Liedes.

    Im Refrain des Songs heißt es: „Ich bin immer ich geblieben, lass mich niemals unterkriegen. Aber dazu brauchst du Mut. Dazu brauchst du Mut.“ Man brauche Mut, um zu sich selbst zu stehen, auch wenn man sich im Spiegel vielleicht nicht erkennt, erklärt Intissar. Manchmal komme einem schon dieser Gedanke „Warum hat es mich getroffen?“: „Das Lied mit Leuten zu gestalten, die das gleiche Schicksal hatten, das hat mir Kraft gegeben“, sagt die 17-Jährige.

    An dem Gruppenprojekt sind meistens bis zu 25 Leute beteiligt. „Viele wollen am Anfang nicht mitmachen und tauen erst langsam auf“, sagt Ron Traub. Besonders schwierig sei es für manche, alleine vor der Gruppe zu singen. Im Chor sei das wesentlich einfacher und einige Teilnehmer seien danach motivierter.

    „Es ist faszinierend, dass es uns bis jetzt fast immer gelungen ist, auch skeptische Teilnehmer zu begeistern“, erzählt der Musiker. Grundsätzlich laute das Motto aber: „Alles kann – nichts muss.“

    Am Anfang entscheiden sich die Teilnehmer gemeinsam für ein Thema. Eine Gruppe übernimmt dann die Ausarbeitung des Textes, die andere arbeitet mit einem von Traubs Teamkollegen an der Musik dazu. Danach wird beides zusammengebracht und aufgenommen.

    Die Umsetzung ist dabei laut Traub so individuell wie das Lied selbst: „Es ist ganz egal, ob Chorgesang, Rap, Solos oder ganz normales Sprechen des Textes – jedes Mal entsteht etwas völlig Neues.“ Auch dem Thema sind dabei keine Grenzen gesetzt. Bei der Gestaltung des Songs kann sich jeder nach eigenen Möglichkeiten einbringen. „Einmal hatten wir einen Jungen mit dabei, der nicht richtig sprechen konnte. Allerdings konnten wir einen seiner Laute aufnehmen und in einen Song mit einbauen. Darüber hat er sich unglaublich gefreut“, erzählt Traub.

    Die 17-jährige Intissar verbindet mit ihrem gemeinsamen Lied noch etwas anderes: „Das sind ja meine Freunde, mit denen ich den Song geschrieben habe. Zu manchen habe ich heute noch Kontakt.“

    Auch für Melanies kleine Schwester hat das Lied bis heute eine große Bedeutung: „Sie kann den Text noch in- und auswendig und ist auf den Song sehr stolz.“

    Workshop Ein „Tag der offenen Tür“ zum Thema „Therapeutisches Songwriting“ findet statt am Mittwoch, 26. September, von 10 bis 18 Uhr im Seminarstudio, Am Anger 1.

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