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Schule: Sprache bewusst wahrnehmen

Schule

Sprache bewusst wahrnehmen

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    Von wegen Gedichte seien nicht modern: Die Nutzer des „Lyrikomat“ müssen Gedichte nicht einmal mehr selber lesen, sondern bekommen sie nach Einwurf von 50 Cent professionell vorgetragen.
    Von wegen Gedichte seien nicht modern: Die Nutzer des „Lyrikomat“ müssen Gedichte nicht einmal mehr selber lesen, sondern bekommen sie nach Einwurf von 50 Cent professionell vorgetragen. Foto: Foto: Friso Gentsch/dpa

    Mindelheim Kennen Sie ein Gedicht des aktuellen Literaturnobelpreisträgers Tomas Tranströmer? Wenn nicht, dann vielleicht bald ihre Kinder. Denn an den hiesigen Schulen sind – wie eine kleine Umfrage quer durch die Schularten ergeben hat – Gedichte auch außerhalb der derzeitigen Frankfurter Buchmesse nach wie vor ein Thema.

    Laut Rudolf Ruf, Rektor der Grundschule Mindelheim, müssen sich die Kinder heute nicht mehr jedes Gedicht mühevoll eintrichtern. Stattdessen gehe es darum, Lesevergnügen zu bereiten, Sprache bewusst wahrzunehmen und zur literarischen Grundbildung beizutragen. Klassiker wie „Knecht Ruprecht“ von Theodor Storm stehen deshalb ebenso auf dem Lehrplan wie modernere Werke.

    Lehrer haben viel Freiheit bei der Auswahl der Gedichte

    Was die Lehrer auswählen, bleibt ihnen überlassen. Einzige Bedingung: Die Gedichte müssen kindgerecht sein. Manche werden sogar fächerübergreifend behandelt: So haben die Schüler zum Beispiel „Das Wasser“ von James Krüss vertont und im Musikunterricht mit Instrumenten begleitet.

    Auch an der Mittelschule Kirchheim steht das Auswendiglernen nicht mehr an erster Stelle. Gerade bei längeren Gedichten geben sich die Lehrer oft mit ausgewählten Strophen zufrieden. Um den Vortrag vor der Klasse kommen die Schüler aber meist nicht herum. Rektor Anton Sonntag will den Schülern damit zu sicherem Auftreten verhelfen. Das könnten sie im Berufsleben gut gebrauchen.

    Er hat die Erfahrung gemacht, dass besonders Mundartgedichte sehr gut bei den Schülern ankommen. „Am besten kommt der Lehrer auch noch aus der Region und kennt die Mundart. Wenn er oder sie das Gedicht dann der Klasse vorträgt, finden das die Schüler toll“, sagt Sonntag. Wie sein Kollege Ruf will auch er die Schüler zum Lesen verführen und sie durch das Vortragen von Gedichten zu selbstbewussten Persönlichkeiten formen.

    Die Schülerinnen der Maria-Ward-Realschule Mindelheim haben dazu rund dreimal pro Schuljahr Gelegenheit: So oft setzen sie sich im Unterricht von Franz Sonnberger, Leiter des Fachbereichs Deutsch, mit den Versen bekannter Dichter auseinander. Während in der fünften und sechsten Klasse der Fokus auf Naturgedichten liegt, die je nach Jahreszeit variieren und die es zu beschreiben gilt, behandeln die Schüler in der siebten und achten Klasse Balladen, sogenannte Erzählgedichte. In der neunten und zehnten Klasse werden dann sozial- und gesellschaftskritische Gedichte besprochen, die die Zeitumstände der behandelten Epoche ansprechen.

    Auch hier, so Sonnberger, stöhnen die Schülerinnen beim Auftrag „auswendig lernen“ erst einmal auf. Wenn es jedoch darum gehe, das Gedicht zu interpretieren und die Gedanken des Dichters nachzuvollziehen, zeigten sie großes Interesse.

    Den Gedichtekanon früherer Tage gibt es nicht mehr

    Nicht viel anders sieht es am Gymnasium des Maristenkollegs Mindelheim aus. Dort gab es früher einen Gedichte-Kanon, eine Sammlung von Gedichten also, die jeder Schüler im Laufe seiner Schullaufbahn gelernt haben musste. Heute versucht Friedbert Bauer, Betreuer des Fachbereichs Deutsch, die Schüler mit Gedichten passend zur Jahreszeit für die Lyrik zu begeistern. „Momentan wird am Maristenkolleg außerdem darüber diskutiert, wieder einen kleinen Balladen-Kanon für die Mittelstufe einzuführen, um so das Interesse für Gedichte wieder zu steigern“, so der Deutschlehrer. Vielleicht steht darin dann auch der Name Tomas Tranströmer. (elbu, mz)

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