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Rammingen: Enkel soll Oma geschlagen haben. Sie sagt: „Er kann so nett sein“

Rammingen

Enkel soll Oma geschlagen haben. Sie sagt: „Er kann so nett sein“

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    Im April vergangenen Jahres hatte sich eine 80-Jahre alte Frau zum wiederholten Male an die Nachbarn gewandt und sie um Hilfe gebeten. Sie sei von ihrem Enkel geschubst und getreten worden. Beamte der Polizeiinspektion Bad Wörishofen nahmen den deutlich betrunkenen 31-Jährigen in Gewahrsam und zeigten ihn an.

    Der wegen Körperverletzung angeklagte Ramminger behauptet, dass seine Oma ausgerutscht sei

    „Enkel schlägt Oma“, so lautete die Einsatzmeldung der Polizei. Im Prozess vor dem Amtsgericht Memmingen stellt sich der Sachverhalt als nicht ganz so eindeutig heraus. Der 31-Jährige, der wegen Körperverletzung angeklagt ist, wird am Ende von Richterin Kathrin Krempl nach dem ungeschriebenen, aber schon seit Jahrhunderten geltenden Rechtsgrundsatz „in dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten – freigesprochen.

    Vor Gericht zeigt sich der Angeklagte alles andere als erfreut. Er lümmelt sich scheinbar gelangweilt in sicherem Abstand von seinem Rechtsanwalt Thomas Braun hinter die Anklagebank und verfolgt den Prozess mehr liegend als sitzend. Immer wieder mal ruft er dazwischen oder schlägt genervt mit der rechten Hand auf den Tisch. „So ein Bullshit, echt“, sei die Anklage. Er habe die Oma nicht geschlagen. Vielmehr sei sie ausgerutscht und über ihre Schuhe gefallen. „Sie ist inkontinent und dement und sie lügt“, stänkert er. „Die gehört ins Altenheim, stattdessen muss ich immer noch mit der Alten unter einem Dach wohnen!“

    Die Befragung der Nachbarn erbringt keine weiterführenden Erkenntnisse. Die Oma hatte bei ihnen geklingelt und gesagt, dass sie Angst habe, weil ihr Enkel sie wieder mal geschlagen habe.

    Immer wenn ihr Enkel getrunken hat, dann erkennt ihn seine Ramminger Oma nicht wieder

    Gesehen hatten die Nachbarn nichts, an der Oma auch keine Verletzungen bemerkt. Ganz anders als ein paar Wochen zuvor, als der Nachbar mitbekommen hatte, wie der 31-Jährige auf seine Oma losging, dazwischen ging und Schlimmeres verhinderte. Doch dieser Fall war bereits in einem vorausgegangenen Verfahren verhandelt, der 31-Jährige zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

    Schließlich wird die 80-Jährige selbst in den Zeugenstand gerufen. Sie hat sichtlich Probleme, sich zeitlich zu orientieren. Staatsanwalt Bernhard Ging will wissen, was denn passiert sei. „Ja mei“, aggressiv sei er gewesen und stockbetrunken. „Er kann so nett sein“, betont die Frau immer wieder, aber wenn er getrunken habe, „dann kennt man ihn nimmer!“.

    An den Vorfall im April 2020 kann sie sich nicht wirklich erinnern. Stattdessen erzählt sie, dass man ihr das Haus und alle Möbel weggenommen habe. Ein paar Tage in der Woche dürfe sie in die Tagespflege nach Bad Wörishofen. Da sei es schön, daheim nicht mehr.

    Die Mutter des Angeklagten hat ihren Sohn nach Memmingen begleitet. Auch sie habe „die Faxen mit der Oma dicke“, sagt sie aus. Sie sei an besagtem Tag nicht zuhause gewesen. Als sie nach Hause kam, hatte die Polizei ihren Sohn schon weggebracht. Die Oma habe ihr dann erzählt, dass sie von ihrem Enkel mit dem Schuh in den Rücken getreten worden sei.

    Für Staatsanwalt Ging ist der Tatbestand damit bewiesen. Die Oma habe nicht gelogen. Dass sie gefallen sei, wertet er als Schutzbehauptung des Angeklagten und fordert, ihn als Wiederholungstäter wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung zu verurteilen.

    Richterin Kathrin Krempl aber folgt der Forderung von Rechtsanwalt Braun und spricht den Angeklagten frei.

    Sie müsse dem Staatsanwalt in vielen Punkten recht geben, begründet sie ihre Entscheidung, aber man wisse eben nicht, was an diesem 30. April vergangenen Jahres tatsächlich passiert sei.

    Und deshalb habe sie keine andere Wahl gehabt, als den Angeklagten freizusprechen.

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