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Pforzen: Ein Schwein mit Zungenbrecher-Namen lebte nahe Schlingen

Pforzen

Ein Schwein mit Zungenbrecher-Namen lebte nahe Schlingen

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    Kleine Abkühlung: Weil ihnen Schweißdrüsen fehlen, suhlen sich Schweine im Schlamm.
    Kleine Abkühlung: Weil ihnen Schweißdrüsen fehlen, suhlen sich Schweine im Schlamm. Foto: stock.adobe.com

    Menschenaffe Udo ist sicherlich der bekannteste Fund aus der Hammerschmiede, einer Tongrube am Ortsrand von Pforzen, nahe bei Schlingen. Doch bei weitem nicht der Einzige – im Gegenteil. Über 15000 Fossilien wurden dort bereits geborgen, darunter allein Relikte von 134 verschiedenen Wirbeltierarten. Jeden Monat stellt die Paläontologin Madelaine Böhme, Udos Entdeckerin, in unserer Serie „Fossil des Monats“ einen der spannendsten Funde vor. Heute geht es um ein besonderes Schwein.

    „Wir hatten sicherlich viel ’Schwein gehabt’, als wir 2017 auf den perfekt erhaltenen Schädel samt Unterkiefer von Parachleuastochoerus steinheimensis stießen. Das Tier mit diesem Zungenbrecher-Namen ist ein Schwein und ein besonderes zudem. Es ist ein Vierhöckerzahn-Schwein, lateinisch ein Tetraconodontinae.

    Das besondere Merkmal dieser Schweine-Unterfamilie sind zwei vergrößerte Vorbackenzähne, die isoliert gefunden fast an Hyänen erinnern. Diese dienen zum Knacken fester Nahrung, allerdings nicht von Knochen wie bei Hyänen, sondern wohl eher von ausgegrabenen Knollen und Wurzeln.

    Allesfresser sind sie gewesen, die Vierhöckerzahn-Schweine, allerdings folgten sie dabei einer anderen Strategie als unsere Haus- und Wildschweine. Diese verlängern ihre fünf- bis sechshöckerigen Weisheitszähne, um Nahrung effektiver zu zermalmen. Unser Hammerschmiede-Schwein knackt erst seine Nahrung im mittleren Kieferbereich – zum Malmen reichen ihm dann vier Höcker auf den Weisheitszähnen.

    Der Schädel samt Unterkiefer des einst nahe Schlingen lebenden Parachleuastochoerus steinheimensis.
    Der Schädel samt Unterkiefer des einst nahe Schlingen lebenden Parachleuastochoerus steinheimensis. Foto: Agnes Fatz

    Der von uns gefundene Schädel ist der beste und kompletteste Nachweis dieser ehemals in ganz Europa verbreiteten Art. Die kleinen Eckzähne weisen das Tier als weiblich aus und die noch vorhandenen Milchzähne als Jungtier, sozusagen eine Überläuferbache in der Jägersprache.

    Mensch und Schwein haben in den vergangenen 12.000 Jahren, seitdem letztere erstmals in der frühen Jungsteinzeit im Zweistromland des Nahen Ostens domestiziert wurden, ein inniges Verhältnis entwickelt. ’Mein idealer Lebenszweck ist Borstenvieh und Schweinespeck’ erklingt es im ’Zigeunerbaron’, der beliebten Operette von Johann Strauss.

    Madelaine Böhme von der Universität Tübingen.
    Madelaine Böhme von der Universität Tübingen. Foto: Christoph Jäckle, Uni Tübingen

    Weil bei Schweinen Schweißdrüsen fehlen, benötigen diese viel Wasser, um bei Hitze ihre Körper zu kühlen – sie suhlen im Schlamm. Was an den Ufern der Hammerschmiede-Flüsse vor Jahrmillionen kein Problem darstellte, wurde zu einem bei den Hausschweinen im Nahen Osten.

    Die dort vor 2000 Jahren einsetzende Austrocknung des Klimas ließ Schweinehaltung in der Region nicht mehr zu und ein kulturelles Tabu wurde erschaffen.“

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