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Obergünzburg: Wie ein Unterallgäuer die Corona-Pandemie auf einem Kreuzfahrtschiff erlebte

Obergünzburg

Wie ein Unterallgäuer die Corona-Pandemie auf einem Kreuzfahrtschiff erlebte

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    Die Küchen-Crew um Chefkoch Christian Armster (vorne rechts) auf dem Kreuzfahrtschiff „Silver Explorer“. Da trug die Mannschaft schon Masken, aber die Welt war für die Seefahrer noch in Ordnung.
    Die Küchen-Crew um Chefkoch Christian Armster (vorne rechts) auf dem Kreuzfahrtschiff „Silver Explorer“. Da trug die Mannschaft schon Masken, aber die Welt war für die Seefahrer noch in Ordnung. Foto: Armster

    Christian Armster ist eigentlich ein abenteuerlustiger Mann. Jahrelang fuhr er als Koch auf Kreuzfahrtschiffen über die Weltmeere, bevor er in Obergünzburg den Gasthof Zum Lamm übernahm. Dann packte ihn wieder das Fernweh und er heuerte erneut auf einem Schiff an. Die letzte Fahrt hatte er sich allerdings ganz anders vorgestellt. Eine Expeditionskreuzfahrt sollte es werden: Am 4. März ging er im argentinischen Ushuaia an Bord der Silver Explorer. Geplant war eine Tour über Chile, die Osterinseln, Pitcairn, Tahiti und Papua-Neuguinea bis nach Japan. Auf einem kleinen

    Losgegangen sei es sehr entspannt, erzählt der Chefkoch: „Auf dem Weg nach Chile war es wunderschön. Es war lange hell, wir haben Pinguine gesehen und Seelöwenbabys.“ Fernsehen gab es an Bord aber auch, und aus Deutschland und der Welt wurde immer mehr über Corona berichtet. „Da haben wir uns natürlich schon Gedanken gemacht“, sagt er.

    Die Passagiere wurden nach vier Tagen von Bord geholt

    So richtig erschrocken war er aber noch nicht, als es am 12. März hieß, dass ein Gast Covid-19-Symptome hatte und in ein Krankenhaus gebracht wurde. Die Crew putzte und desinfizierte alles und setzte Masken auf. Die Gäste mussten in ihren Kabinen bleiben und bekamen das Essen gebracht. Vier Tage lang. Dann holte eine Fähre die Passagiere ab, die an Land sofort in Busse gesetzt, zum Flughafen gebracht und ausgeflogen wurden. Die Crew aber musste bleiben. Es sollten 77 lange Tage werden.

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    „Die Chilenen haben Panik gekriegt“, sagt Armster. „Die wollten nicht, dass irgendjemand von uns an Land ging. Dabei war ich ständig mit dem Auswärtigen Amt in Kontakt, die haben mir immer wieder Flüge genannt, auf denen ich einen Platz bekommen hätte.“ Das Schiff fuhr zunächst nach Peru, dann nach Panama. Auch dort ging erst mal nichts, trotz aller diplomatischen Bemühungen. „Am Ende hatte ich vier verschiedene Passagierscheine von diversen Ministerien aus

    Der Chefkoch muss wie seine Kollegen an Bord bleiben

    An Land durfte er trotzdem nicht. So blieb er mit etwa 100 Kollegen aus 24 Nationen auf dem Schiff. Er kochte mit seinem Team für die Crew, Vorräte gab es ja genug. Er mistete das Büro aus, kümmerte sich um kleinere Reparaturen, machte Freiluftsport an Deck und verfolgte die Nachrichten im Internet. Er hospitierte beim Bäcker und organisierte Fortbildungskurse für die Hilfsköche. Er spielte Domino und Schach mit anderen Crewmitgliedern, sie sangen und musizierten.

    So verging Tag um Tag, Woche für Woche. Corona-Symptome entwickelte niemand. Lagerkoller auch nicht. „Das war ein großer Zusammenhalt, ein schönes Miteinander. Wir saßen buchstäblich alle in einem Boot.“ Über eine WhatsApp-Gruppe von corona-bedingt Gestrandeten konnte schließlich ein Flugzeug für 220 Personen gechartert werden. Es sollte nach Frankfurt fliegen.

    Die deutsche Botschaft erklärte sich einverstanden, und dann ging alles ganz schnell: Am 25. Mai kam die Nachricht, dass er am nächsten Morgen mit vier anderen Crewmitgliedern von Bord könne.

    Nun will Armster seinen Gasthof in Obergünzburg wieder eröffnen

    Eine kurze medizinische Untersuchung, dann ging es zum Flughafen. „Niemand wollte irgendeinen Schein sehen“, wundert sich Armster. Bei seiner Ankunft in Frankfurt übrigens auch nicht. Armster hat nun endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Ob er nochmals auf ein Schiff möchte? „Momentan kriegst du mich nicht einmal auf ein Ruderboot auf dem Forggensee“, wehrt er lachend ab. Im August möchte er seinen Gasthof in Obergünzburg wieder eröffnen, zusammen mit seinem Sohn und mit vielen neuen Ideen. Zeit genug, um sich etwas einfallen zu lassen, hatte er ja.

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