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Natur: Die Rote Liste wird voller, das Wasser leerer

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Die Rote Liste wird voller, das Wasser leerer

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    Früher gab es sie in Massen als Steckerlfisch auf dem Münchner Oktoberfest, angeliefert aus Iller, Lech und Wertach. Heute muss man lange suchen, bis man in unserer Region „Nasen“ (benannt nach der Gesichtsform) findet. Im Schwäbischen Fischereihof in Salgen will man den Tieren wieder „auf die Flossen helfen“.
    Früher gab es sie in Massen als Steckerlfisch auf dem Münchner Oktoberfest, angeliefert aus Iller, Lech und Wertach. Heute muss man lange suchen, bis man in unserer Region „Nasen“ (benannt nach der Gesichtsform) findet. Im Schwäbischen Fischereihof in Salgen will man den Tieren wieder „auf die Flossen helfen“.

    Salgen Wer im Supermarkt die Gefriertruhen betrachtet, sieht nicht, dass die Fische immer weniger werden. Anders ist es beim Blick in heimische Gewässer. Dort hat sich die Zahl der Tiere reduziert: „Von 70Fischarten in Bayern sind noch 64 geblieben“, sagt Dr. Oliver Born, Fachberater für das

    1. Problem: Wehre und Kraftwerke

    Einst sind die Nasen von der Donau über die Iller bis nach Kempten gewandert, um dort zu Zehntausenden zu laichen. So mancher Müller wurde nachts vom Lärm der Fischschwärme wach. Heute blockieren viele Wehranlagen und Wasserkraftwerke die Wanderung der Tiere. „Über 80 Prozent der Fließgewässer haben ein Defizit an Wanderfischen wie Nase, Barbe, Rutte oder Huche“, sagt Born.

    Lösung: Ungenutzte, steile Wehre, zum Beispiel an der Mindel, werden zu Rampen umgebaut, sodass Fische herauf- und herunterwandern können. Große Erfolge habe man mit Fischtreppen an Wasserkraftwerken – zum Beispiel an der Wertach – erzielt, so Born.

    2. Problem: Fehlender Kies

    Viele Fischarten brauchen Kies, um dort ihre Eier abzulegen. Staustufen wie an der Wertach bei Türkheim verhindern aber, dass Kies aus dem Alpengebiet nach unten transportiert wird. Die abdichtenden Schichten im Fluss, Flints genannt, werden immer stärker freigelegt: Sie sind nicht nur anfällig für Erosion, sondern für die Fischeier wie eine betonierte Wand. „Eine ökologische Katastrophe für den Fluss“, sagt Born. In Bayern ist nur noch in der Hälfte der Gewässerstrecken eine einwandfreie Fortpflanzung möglich, erklärt der Fischexperte.

    Lösung: Man sei bemüht, Seitengrundstücke zu kaufen, damit sich der Fluss Kies von der Seite holen kann, erklärt Born. Wenn alle Stricke reißen, könne man auch punktuell Kies mit dem Lastwagen anliefern, um ein Laichgebiet zu schaffen. Dies sei aber nur eine „Notmaßnahme“, da die Anlieferung von Zehntausenden Kubikmetern Kies nicht ökologisch sei.

    3. Problem: Sand im Flussbett

    Auch im Mindeltal gelangen immer mehr Feinsedimente und Sand in den Fluss, erklärt Fischexperte Oliver Born. Häufig stammten sie aus erosionsanfälligen Maisäckern, die einst – stabilere – Wiesen waren. Häufig wird das Wasser von versiegelten Flächen in Bäche eingeleitet – auch so kommen feine Sedimente ins Gewässer. Laut Born gibt es „massivste Probleme“, wenn sich Schlamm und Sand statt Kies im Flussbett befinden.

    Lösung: „Bayern sollte sich endlich dazu durchringen, Uferrandstreifen von fünf bis zehn Metern zu machen“, sagt Born. In Gebieten mit Hanglage und Überschwemmungsgefahr sollte es keinen Wiesenumbruch geben. In Schwaben laufen gerade Pläne für Modellprojekte, so Born. Sie sollen Klarheit bringen, wie zum Beispiel Sedimentfänger aussehen müssen, welche Auswirkungen die Eingriffe haben und wie man auch die Landwirte mit ins Boot nimmt. „Ausbaggern ist keine Maßnahme“, sagt Born. „Das sieht nach einem Jahr wieder so aus.“ Stattdessen könnten alternative Methoden wie die pfluglose Bodenbewirtschaftung Erosion verhindern.

    4. Problem: Die Struktur der Gewässer

    In Bayern und Schwaben habe man einst die Gewässer „sehr, sehr ordentlich korrigiert“, sagt Born. Der Mindel beispielsweise seien zwei Drittel ihrer Lauflänge genommen worden. So gingen wesentliche Elemente verloren, die für viele Fischarten wichtig sind – wie der Hochwassereinstand. Heißt: Fische brauchen bei

    Lösung: „Nötig wären Aufweitungen, um dem Fluss Raum zu geben“, sagt Born. Solche Renaturierungen würden auch dem Hochwasserschutz dienen. Dirlewang führt Born als gutes Beispiel an. Neben dem

    5. Problem: Vögel als Fressfeinde

    Fast schon wie ein gedeckter Tisch ist für Kormorane und Gänsesäger ein Fluss im Winter: Fische wie die Äsche verstecken sich im Winter nicht, unter den Vögeln herrscht Fraßdruck – und schon verringert sich die Fischpopulation.

    Lösung: Über sogenannte Allgemeinverfügungen habe man Regeln gefunden, wie Kormorane von Gewässern vergrault werden können, ohne andere Vogelarten zu vergrämen, schildert Born. Besonders der Kormoranbeauftragte, der derzeit die Mindel und die Schmutter betreue, sei ein Erfolgsmodell, findet Born. Der Fraßdruck habe sich deutlich reduziert.

    Fazit:

    „Noch zu wenig“ wird in den Augen von Experte Oliver Born für die Fische getan. Der Fachberater für das Fischereiwesen hofft beispielsweise auch auf Managementpläne, die Maßnahmen enthalten, um bestimmten Fischarten „wieder auf die Flossen zu helfen“. Derweil sei es die Aufgabe des Schwäbischen Fischereihofs, gefährdete Arten weiter auf- und nachzuzüchten, um den Bestand zu erhalten. „Das ist nicht lukrativ, aber so können wir die Fische über die Zeit retten, bis wir stabile Bestände haben.“

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