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Mindelheim: Pam Metzeler hat ihren Sohn durch Suizid verloren

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Pam Metzeler hat ihren Sohn durch Suizid verloren

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    Pam Metzelers Sohn hat sich das Leben genommen. Über diesen schweren Verlust hat die 40-Jährige jetzt ein Buch geschrieben.
    Pam Metzelers Sohn hat sich das Leben genommen. Über diesen schweren Verlust hat die 40-Jährige jetzt ein Buch geschrieben. Foto: Metzeler

    „Hoffentlich geht es dir da, wo du jetzt bist, besser“, schreibt Pam Metzeler in einem Brief an ihren toten Sohn Timo. Er war 17 Jahre alt, als er beschloss, seinem Leben ein Ende zu setzen. Zurück blieben seine Angehörigen, die trauern, verzweifeln, fragen: Warum?

    Pam Metzeler stellte sich diese Frage lange. Heute weiß sie: Ihr Sohn war depressiv. Und es gab Anzeichen – sie konnte sie nur nicht richtig deuten. Um anderen zu helfen, möchte sie nun aufklären: über psychische Krankheiten, Warnsignale und die richtige Hilfe.

    Wie sich eine Depression anfühlt, musste sie nach dem Tod ihres Sohnes am eigenen Leib erleben. Auch sie dachte an Suizid: „Ich hatte die Hand schon auf den Gleisen.“ Doch diese Phase sieht die 40-Jährige, die in Mindelheim ein Piercing- und Tattoostudio betreibt, heute als wichtig an: „So konnte ich verstehen, was in meinem Sohn eigentlich vorgegangen ist. Man verliert alles – Lebensfreude, die Lust am Leben. Es zermürbt einen.“

    Pam Metzeler ist nach dem Suizid ihres Sohnes in Therapie

    Heute, knapp zweieinhalb Jahre nach dem Tod ihres Sohnes, ist sie immer noch in Therapie. Doch die 40-Jährige hat sich ins Leben zurückgekämpft: „Man muss irgendwann aufstehen“, sagt sie. Geholfen hat ihr dabei das Schreiben ihres Buches „Dark Way“, in dem die Westerheimerin offen und schonungslos ehrlich über den Suizid ihres Sohnes spricht und das nun erschienen ist. Timo hatte manchmal Stimmungsschwankungen. Er schrieb ihr hin und wieder, er könne nicht schlafen, nicht essen. Doch an eine Depression hat Pam Metzeler niemals gedacht. Und mit Timo ging es eigentlich aufwärts, dachte sie – er freute sich darauf, auf die Fachoberschule zu gehen.

    Was sie nicht wusste: Timo hatte einen Suizidversuch hinter sich, war deshalb in Therapie. Doch aufgrund der Schweigepflicht durften die Ärzte der Mutter keine Auskunft darüber geben. Rückblickend, nachdem sie sich die Einsicht in Timos Akte mit einem Anwalt erkämpft hat, spricht Metzeler von Behandlungsfehlern: Timo hätte ihrer Meinung nach zwangseingewiesen werden müssen, es habe eindeutig Gefahr für sein Leben bestanden. Doch die Psychologin deutete die Lage anders.

    Vorwürfe macht Metzeler sich und anderen heute nicht mehr: „Verantwortlich ist nur dieser eine Mensch, der das tut.“ Sie hat gelernt, dass die Veranlagung zu einer psychischen Erkrankung vorhanden sein muss, damit ein Mensch keinen anderen Weg mehr sieht, als sein Leben zu beenden. „Jemand, der gesund ist, macht so etwas nicht.“

    Mindestens 23 Menschen nahmen sich 2017 in Memmingen und dem Unterallgäu das Leben

    Timo ist kein Einzelfall: Im Jahr 2017 gab es allein im Landkreis Unterallgäu und der Stadt Memmingen 23 Suizide, die Dunkelziffer ist möglicherweise höher. „Suizide werden oft vertuscht“, sagt Pam Metzeler. Denn die Hinterbliebenen werden häufig angeprangert und gemieden – das hat Metzeler selbst erlebt. Umso wichtiger ist es in ihren Augen, für das Thema zu sensibilisieren und über Gründe für psychische Erkrankungen zu sprechen. „Ich sehe einen großen Teil der Auslöser in der Gesellschaft“, sagt sie. Mobbing, Druck und Angriffe von anderen sieht sie als besonders problematisch an. „Egal was du tust, es ist immer falsch. Es ist brutal, was die Gesellschaft mit einem macht. Und wenn man schon zu Depressionen neigt, dann gibt einem Mobbing den Rest.“ Außerdem kämpft sie dafür, psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren. „Wir müssen mit offeneren Augen auf das Thema blicken“, sagt Metzeler.

    Stellen, an die sich gefährdete Personen wenden können, sind zahlreich vorhanden, etwa die Telefonseelsorge – doch aus Scham und Scheu wollen viele Betroffene diese Hilfsstellen nicht kontaktieren. Ein weiteres Problem ist der Mangel an Therapeuten. Metzeler bemängelt etwa, dass im Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) in Memmingen die Therapieplätze voll belegt seien. Betroffene Kinder und Jugendliche, die eigentlich sofort Hilfe bräuchten, bekommen laut Metzeler teils erst drei Monate später einen Platz - im Ernstfall möglicherweise viel zu spät. Deshalb sei es notwendig, regelrecht um seinen Platz zu kämpfen. Das heißt, Betroffene müssten immer und immer wieder dort anrufen und nachfragen. „Das schaffen Depressive nicht“, sagt Metzeler.

    Einen Therapieplatz für die Behandlung einer Depression zu bekommen, kann dauern

    Dr. Robert Meisen, Leiter des SPZ, bestätigt, dass Betroffene unter Umständen länger auf einen Therapieplatz warten müssen. „Die Situation in der Akutpsychiatrie ist immer schwierig. Denn akute Zwischenfälle treten ja nie geplant auf.“ Er betont, dass die Wartezeit vom Leidensdruck abhängig sei. Am SPZ versuche man immer, so schnell wie möglich ein Erstgespräch mit dem Betroffenen zu führen, um danach das weitere Vorgehen zu planen. Oft sei eine Therapie gar nicht der erste Schritt, sondern beispielsweise eine medikamentöse Behandlung. Betroffenen, die auf der Suche nach einem Behandlungsplatz sind, rät er: „Am Ball bleiben. Und das Familiensystem unterstützend einsetzen.“

    Helfen kann aber jeder: „Wenn man bei jemandem Anzeichen, beispielsweise für eine Depression, erkennt, dann ist das Beste, was man tun kann, hinzugehen und ihn darauf anzusprechen“, erklärt Pam Metzeler. Viele Betroffene seien dankbar für die Anerkennung und dafür, dass sie nicht für ihre Krankheit verurteilt werden.

    Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sprechen Sie darüber! Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten - per Telefon, Chat, E-Mail oder im persönlichen Gespräch, auch anonym. Hier finden Sie Hilfe bei Suizidgedanken: Hilfsangebote im Unterallgäu.

    Diese Anzeichen und Symptome für Suizidgedanken beschreibt Pam Metzeler in ihrem Buch.

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