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Mindelheim: Freiheitsstrafe nach wilder Verfolgungsjagd durchs Unterallgäu

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Freiheitsstrafe nach wilder Verfolgungsjagd durchs Unterallgäu

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    Mit einem Golf floh ein junger Mann aus Oberbayern in Mindelheim vor der Polizei. Auf der A96 geht die wilde Fahrt erst richtig los. Beinahe wäre es in einer Katastrophe geendet. Aber warum floh der Rowdy eigentlich? Ist er ein Drogendealer?
    Mit einem Golf floh ein junger Mann aus Oberbayern in Mindelheim vor der Polizei. Auf der A96 geht die wilde Fahrt erst richtig los. Beinahe wäre es in einer Katastrophe geendet. Aber warum floh der Rowdy eigentlich? Ist er ein Drogendealer? Foto: Frank Rumpenhorst/dpa (Symbolbild)

    Es grenzt fast schon an ein Wunder, dass bei dieser Flucht keine Personen zu Schaden gekommen sind. Ein 28-Jähriger aus Oberbayern hat am 11. Dezember 2018 in den späten Abendstunden eine Verkehrskontrolle der Polizei ignoriert und ist mit Tempo 100 durch Mindelheim zur Autobahn gerast. Dabei hat er ungebremst eine rote Ampel überfahren. Die folgende Autobahnflucht samt wilder Geisterfahrt hätte beinahe in einer Katastrophe geendet. Nur das geistesgegenwärtige Eingreifen der Verkehrsteilnehmer hat das verhindert. Nun wurde der Verkehrsrowdy vor dem Memminger Amtsgericht verurteilt. Aber einer entscheidenden Antwort bleibt er weiter schuldig.

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    Der Angeklagte schweigt in der Verhandlung, es ist ja sein gutes Recht. Richter Braun bestellt 15 Zeugen, zwei davon aus dem Ausland, die für Klarheit sorgen sollen. Die Polizisten, die an der filmreifen Verfolgungsjagd direkt beteiligt waren, schildern, wie es zur Eskalation kam. Demnach sind ihnen abends am Mindelheimer Kreisverkehr ein dunkler Golf mit auswärtigem Kennzeichen aufgefallen. Daraufhin haben die Polizisten versucht, den Fahrer mit Licht- und Akustikzeichen zu informieren, dass er anhalten soll.

    Doch er flüchtete. Mit bis zu 100 Stundenkilometern raste er die Bad Wörishofer Straße entlang, am Krankenhaus vorbei in Richtung Autobahn – die Polizeistreife mit Blaulicht und Martinshorn hinterher. Ein Grob-Mitarbeiter beschreibt, wie der Fahrer ungebremst mit sehr hoher Geschwindigkeit über eine rote Ampel fuhr.

    Auf der Autobahn in Fahrtrichtung München konnte die Polizei den Golf einholen, aber nicht stoppen. Kurz vor der Anschlussstelle Bad Wörishofen/Türkheim entschloss sich der Flüchtende, mit einem waghalsigen Lenkmanöver von der Autobahn abzufahren.

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    Eine schlechte Idee, denn die Kurve, auf der die Höchstgeschwindigkeit von 40 Kilometer pro Stunde gilt, war für sein hohes Tempo zu eng. Der junge Fahrer kam ins Schleudern und schlitterte mit seinem Fluchtauto über den Grünstreifen auf ein wartendes Polizeiauto zu.

    Geistesgegenwärtig legte der Polizist im Wagen den Rückwärtsgang ein. „Ich habe nur noch geschrien“, berichtet seine Kollegin auf dem Beifahrersitz. Auch die verfolgenden Kollegen sagen aus: „Wir wussten, jetzt knallt´s.“ Etwa einen halben Meter vor dem ausweichenden Polizeifahrzeug kam das Fluchtauto zum Stehen. Bei der Rutschpartie rammte der Golf ein Schild, verlor dabei das Nummernschild. Auch das Licht wurde beschädigt.

    Doch damit nicht genug: Der Oberbayer düste davon zur Autobahnauffahrt in Richtung Mindelheim – die Polizei wieder hinterher. Auf dem Beschleunigungsstreifen riss plötzlich der Fahrer sein Lenkrad herum, drehte seinen Wagen um 180 Grad und blieb danach auf der linken Fahrspur der Autobahn stehen.

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    Ein österreichischer Berufspilot fuhr mit hoher Geschwindigkeit frontal auf den Golf zu. In letzter Sekunde konnte er noch reagieren und ausweichen. „Es ist sich gerade noch ausgegangen“, beschreibt er.

    Dann raste der Flüchtende als Geisterfahrer in Richtung München davon. Und die Polizei? Sie brach die Verfolgungsjagd aus Sicherheitsgründen ab. „Wir haben auf die Unfallmeldung gewartet“, berichtet eine Polizistin. Ein Streifenwagen fuhr dem Flüchtenden auf der richtigen Fahrbahn hinterher. Doch der Geisterfahrer muss derart schnell unterwegs gewesen sein, dass er ihnen entkam.

    Einige Autofahrer haben auf der A96 den Schrecken ihres Lebens bekommen. Sie bestätigen die sehr hohe Geschwindigkeit des Fahrers. „Er war deutlich schneller, als ein entgegenkommendes Fahrzeug auf der Landstraße“, beschreibt eine Zeugin. Immer wieder fallen die Worte: „Es war sehr knapp.“ Laut einem Mitarbeiter des Winterdienstes dauerte die Geisterfahrt mindestens bis Buchloe an.

    Weitere Polizeistreifen und ein alarmierter Polizeihubschrauber fahndeten nach dem Golf. Allerdings ohne Erfolg. Der Täter fuhr nach Hause, wie sich später herausstellte. In einer Kleinstadt nahe Landshut angekommen stellte er sein Fahrzeug nahe einer Baustelle ab. Zwischenzeitlich kontaktierte er seine Mutter, wie die Mobilfunkauswertung zeigt. Diese meldete den Wagen daraufhin bei der Polizei als gestohlen. Die Mutter ist im Gericht nicht erschienen, beantragte die Verweigerung der Aussage.

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    In den frühen Morgenstunden vernahmen Polizeibeamten den Fluchtfahrer und durchsuchten seine Wohnung. Die Spurensicherung fand später im Golf persönliche Gegenstände des 28-Jährigen und geringe Mengen an Cannabis. „Der ganze Wagen roch nach Gras, überall im Wagen waren Brösel verteilt“, berichtet ein Landshuter Polizist. Auf dem Smartphone wurden Notizen von mutmaßlich getätigten Drogengeschäften gefunden, die aber vor Gericht nicht verwertbar sind. Das ist wohl auch der Grund, warum der Angeklagte vor Gericht über sein Motiv schweigt.

    Mit der Funkzellenauswertung gibt es bezüglich der Polizeiflucht keine Ausreden. Über seinen Anwalt gibt der junge Mann diese zu. Das wirkt sich strafmildernd aus. Der Angeklagte ist einschlägig vorbestraft: 2016 wurde er wegen eines Drogendelikts zu zehn Tagessätzen verurteilt. Nun bekommt er nach einer sechsstündigen Verhandlung wegen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit, Unfallflucht und Drogenbesitzes eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden.

    Geringe Freiheitsstrafe, dafür hohe Prozesskosten

    Außerdem ist ihm weitere eineinhalb Jahre die Fahrerlaubnis entzogen und der 28-Jährige, der derzeit arbeitslos ist, muss 1500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Auch die Kosten des Verfahrens muss er tragen – angesichts der vielen Zeugen und der Funkzellenauswertung ist mit einer fünfstelligen Summe zu rechnen.

    Zum Schluss sagt Richter Braun zum Verkehrsrowdy, er könne froh sein, dass seine rücksichtslose Fahrt glimpflich ausgegangen ist. Andernfalls säße er vor dem Schwurgericht. „Dann können Sie schauen, wie Sie den Mord wegbekommen.“ Beruflich dürfte die Verurteilung ebenso schmerzen. Der Traum auf eine Anstellung bei der Bundeswehr ist mit einer so hohen Freiheitsstrafe nicht mehr zu verwirklichen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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