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Mindelheim: Das Tor zu den dunklen Ecken des Internets

Mindelheim

Das Tor zu den dunklen Ecken des Internets

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    Stefan Mey informiert in Mindelheim über die dunklen Ecken des Internets, das Darknet.
    Stefan Mey informiert in Mindelheim über die dunklen Ecken des Internets, das Darknet. Foto: Silas Stein/Symbol (dpa)

    Herr Mey, Darknet klingt nach finsteren Machenschaften: dunkles, verbotenes Internet, in dem sich Drogen-, Waffenhändler und Kinderschänder tummeln. Was ist dran am schlechten Ruf des Darknets?

    Mey: Das Darknet ist sehr widersprüchlich. Es gibt viele illegale Nutzungen, viele üble Sachen. Das Übelste sind die Foren zum Tausch von Kinderpornografie. Das ist tatsächlich ein Riesenproblem. Die Technik wird hier zum Schlimmsten genutzt, wozu der Mensch fähig ist.

    Was haben Sie bei Ihren Recherchen für Ihr Buch über das Darknet alles im Internet erlebt?

    Mey: Ich habe mich zuerst gefragt, warum ich mich mit dem Thema nicht schon früher befasst habe. Ich habe wie die meisten Menschen gedacht: Das ist ja wahnsinnig kompliziert. Das ist aber nicht der Fall. Dann habe ich gedacht: Man betritt einmal das Darknet, und sofort begegnet einem das Grauen und ich kann tagelang nicht schlafen. Auch das war nicht der Fall. Das Darknet ist noch vergleichsweise klein. Unter ein Promille des Internets zählt zum Darknet. 120.000 ist die höchste Zahl an Darknet-Adressen, die je ermittelt wurde. Allein unter der deutschen Endung .de gibt es dagegen mehr als 16 Millionen Adressen.

    Wie funktioniert das Darknet?

    Mey: Es basiert auf einer Anonymisierungssoftware, die sich Tor nennt. Über den Tor-Browser kommt man ins Darknet. Das einzige, was Tor macht, ist: Es verschleiert IP-Adressen. Das sind digitale Postadressen, so kleine Zahlenkolonnen, über die jede Website, jeder Nutzer erreichbar ist. Über sie kann Kommunikation sehr leicht überwacht und zensiert werden. Im Darknet wird jede Kommunikation über drei Tor-Stationen geschickt. Damit werden die Adressen verschleiert. Die Adressen enden immer auf .onion, also Zwiebel. Sie sehen auch seltsam aus, weil es lange kryptische Zeichen sind.

    Ist es verboten, im Darknet zu surfen?

    Mey: Nein. Das ist weder illegal noch gefährlich. Zumindest gilt das bei uns. Länder, die Internet-Zensur betreiben wie China oder Saudi-Arabien, erklären Leute für kriminell, die Zensur umgehen wollen. Das Darknet wird auch als Geheimtür ins normale Internet genutzt. Normale Webseiten haben einen Darknetauftritt. Die TAZ macht das, die New York Times, die Süddeutsche Zeitung. Große Medien schaffen so auch Postfächer für Informanten. Wenn das Postfach im Darknet steht, müssen die Whistleblower den Tor-Browser verwenden. Sie sind damit auf einem hohen Niveau geschützt.

    Vor welchen Herausforderungen stehen Ermittlungsbehörden?

    Mey: Die Polizei in Deutschland ist im Darknet ziemlich erfolgreich. Technische Standardermittlungen sind schwierig. Die

    Eltern haben oft wenig Ahnung, was ihre Kinder so im Internet tun. Was sollten Eltern tun?

    Mey: Eltern sollten sich mit Technologie beschäftigen. Damit sie verstehen, was Kinder so machen, dass sie Chancen und Gefahren einschätzen können. Nur so werden sie von ihren Kindern als Gesprächspartner akzeptiert. Wenn Kinder merken, ihre Eltern haben da komische Vorstellungen, hören Kinder gar nicht zu. Jugendliche kommen im Darknet am ehesten an die Drogenmarktplätze. Da gilt generell: Man muss versuchen, mit ihnen zu reden. Dass es Eltern schaffen, Jugendliche davon abzuhalten, auch nur einen Joint zu rauchen, ist eher unwahrscheinlich.

    Gehen Sie in Ihrem Vortrag am Dienstag, 22. Oktober in Mindelheim auf die Drogenproblematik ein?

    Mey: Auf jeden Fall. Diese großen Marktplätze im Darknet funktionieren wie Amazon oder wie Otto.de. In der Suchtforschung wird da sehr differenziert darauf geschaut. Es gibt das klare Risiko, dass man leichter an Drogen aller Art kommt. Es werden aber auch Chancen gesehen. Durch diesen Vertriebskanal werden die ungewollten Nebenwirkungen der Kriminalisierung von Drogen reduziert. Wer illegale Drogen kaufen will, begibt sich immer in kriminelle Milieus. In den dunklen Ecken – die gibt es bestimmt auch in Mindelheim – besteht immer die Gefahr, dass sie überfallen werden. Beim Darknet gibt es keine persönlichen Kontakte.

    Wer wie Sie im Darknet recherchiert, stört womöglich Kriminelle. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

    Mey: Ich habe mit Betreibern von Drogen- und Medikamentenmarktplätzen geredet. Fünf haben geantwortet. Da war schon immer ein Misstrauen. Die wollten schon herauskriegen, ob ich wirklich ein Journalist bin oder vielleicht jemand anderes. Sie waren dann relativ offen. Ich habe ihnen kritische Fragen gestellt, das war dann okay. Ich bin nie angefeindet worden.

    Wie kam es zu Ihrem Gastauftritt in Mindelheim?

    Mey: Wenn man in Deutschland ein Buch schreibt, gilt man als Experte. Ich hatte viele Anfragen für Vorträge. Da habe ich gemerkt, dass mir das Spaß macht. Und so habe ich selber Veranstalter wie die Volkshochschulen angeschrieben. Und so freue ich mich jetzt auf Mindelheim.

    Lesung und Diskussion von und mit Stefan Mey, am Dienstag, 22. Oktober, um 19 Uhr, im Atrium der Berufsschule Mindelheim. Tickets können bis Dienstagmittag bei der Volkshochschule Mindelheim gekauft werden. Mey ist Technikjournalist. Der 38-Jährige stammt aus Halle und lebt heute in Berlin. Buch: Darknet - Waffen, Drogen, Whistleblower. Wie die digitale Unterwelt funktioniert. Verlag C.H.Beck.

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