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Mindelheim: Als die Mindelburg ein Lazarett war: Einer der letzten Zeitzeugen erinnert sich

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Als die Mindelburg ein Lazarett war: Einer der letzten Zeitzeugen erinnert sich

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    Maximilian Loibl ist 94 Jahre alt. Als junger Bursche lebte er nach einer schweren Kriegsverletzung auf der Mindelburg. Dort wurde er in zahllosen Operationen zurück ins Leben geholt.
    Maximilian Loibl ist 94 Jahre alt. Als junger Bursche lebte er nach einer schweren Kriegsverletzung auf der Mindelburg. Dort wurde er in zahllosen Operationen zurück ins Leben geholt. Foto: jsto/Archiv Loibl

    Es gab eine Zeit, da war Maximilian Loibl alle zwei Jahre in Mindelheim. Kein Treffen des „Vereins der Gesichts- und Kieferverletzten des ehemaligen Versehrtenkrankenhauses Mindelheim“ ließ er aus, obwohl er bis aus Niederbayern anreisen muss. Der Mindelheimer Joachim Hoffmann, selbst wie Loibl einmal Patient des Lazaretts auf der Mindelburg, hatte den Verein 1986 gegründet und so die Erinnerung an eine Zeit auf der Mindelburg wachgehalten, die bei vielen Jüngeren längst in Vergessenheit geraten ist.

    Der Zusammenhalt war immens. Alle hatten sie ein ähnliches Schicksal zu ertragen. Sie kamen teils mit fürchterlichen Gesichtsverletzungen aus dem Krieg zurück. Über Jahre hinweg folgten zahllose Operationen, um den Opfern wieder ein menschenwürdiges Antlitz zu geben. Eine Krankenschwester hat Maximilian Loibl, als sie den Schwerverletzten sah, gesagt: „Der ist so stark verwundet, der kann nie mehr unter die Leute.“

    Der Verein ist vor einigen Jahren aufgelöst worden, nachdem die Zahl der Mitglieder immer kleiner geworden war. Die Verbindung zur Witwe von Joachim Hoffmann allerdings hat Loibl bis heute aufrechterhalten.

    Dieses Bild zeigt Ärzte und Krankenschwestern des Lazaretts auf der Mindelburg. Für die Schwerverletzten waren sie Helden.
    Dieses Bild zeigt Ärzte und Krankenschwestern des Lazaretts auf der Mindelburg. Für die Schwerverletzten waren sie Helden.

    Maximilian Loibl wird heuer im Oktober 95 Jahre alt. Er dürfte damit einer der wenigen sein, die noch direkt vom Kriegsleid, aber auch der großen Hilfe und dem Zusammenhalt auf der Mindelburg erzählen können.

    Der Kriegsverletzte stattete jetzt der Mindelburg einen Besuch ab

    Maximilian Loibl, den alle „Opa Max“ nennen wie auf seiner Schirmmütze steht, kann nicht mehr Auto fahren. Sein Augenlicht hat in den vergangenen Jahren zu sehr nachgelassen. Aber er wollte unbedingt noch einmal nach Mindelheim, wo er vier Jahre lang gelebt hat, als ihm kürzlich seine Tochter Monika Kronawitter einen Bericht aus der Mindelheimer Zeitung vorgelesen hat. Darin war an das Versehrtenlazarett auf der Mindelburg erinnert worden. Deshalb hat er sich von einem seiner Söhne die 150 Kilometer herüber nach Mindelheim und auf die Mindelburg fahren lassen. Es war ein Familienausflug in die Vergangenheit.

    Maximilian Loibl lebt in Obersüßbach in der Nähe von Landshut. Er hat fünf Söhne und eine Tochter. Seinen Spenglereibetrieb, den er von seinem Vater übernommen hat, führt einer seiner Söhne als Heizungsbaufirma weiter. Allein das ist schon ein Wunder, dass Loibl nach seiner furchtbaren Verletzung seinen Beruf ausüben konnte.

    Ein Bild von Maximilian Loibl aus dem Führerschein, aufgenommen 1948.
    Ein Bild von Maximilian Loibl aus dem Führerschein, aufgenommen 1948.

    Mit 17 Jahren wurde er zur Wehrmacht eingezogen. „Ich war kein Freiwilliger“, sagt er. Nie hätte er da von sich aus mitgemacht. Seine Generation wurde nicht gefragt. Über die Kriegsjahre sagt er: „Da wurde mir die Jugend gestohlen.“

    Er war in Jugoslawien im Partisanenkampf, später in Ungarn und Polen. Der Moment, der sein Leben so dramatisch verändern sollte, ereignete sich in der Nacht auf den 13. November 1944. Russische Soldaten waren in Ostpreußen vorgerückt. Der Krieg war eigentlich entschieden. Von Kapitulation wollten die Nationalsozialisten aber nichts wissen. Es ging um Leben und Tod. Dann traf es den 18-Jährigen. Eine Gewehrkugel schlug im Gesicht ein, die beim Aufprall explodierte. Der Durchschuss hinterließ im Gaumendach ein Loch.

    Zuerst kam Loibl nach Breslau in ein Krankenhaus. Ein Luftröhrenschnitt war notwendig, sein Zustand war heikel. Am 26. Januar 1945 trat der spätere Professor Dr. Martin Herrmann vor die verwundeten Soldaten und eröffnete: „Die Front rückt näher, wir müssen den Ort verlassen, aber wir kommen zurück.“

    Maximilian Loibl (Mitte) zusammen mit zwei anderen Patienten im Freibad.
    Maximilian Loibl (Mitte) zusammen mit zwei anderen Patienten im Freibad.

    Bei Leipzig fand Loibl in einer Notunterkunft Aufnahme. Das war eine Schule. Da hieß es noch: „Du bist nichts, dein Volk ist alles.“ Wer halbwegs laufen konnte, wurde wieder zurück ins Gefecht geschickt.

    1945 kamen die Schwerstverletzten und die Ärzte nach Mindelheim

    Im März 1945 wurden Schwerstverletzte und Ärzte nach Mindelheim verlegt. Die meisten kamen im Waggon an. Loibl erinnert sich aber auch an zwei Pferdefuhrwerke mit Gummiwagen, die die weite Reise bis aus Breslau geschafft haben.

    Im Maristeninternat fanden sie zunächst Unterschlupf. Bettgestelle und Matratzen waren vorhanden, aber keine Bettwäsche. Die holten sie dann mit einem Pferdegespann aus Landsberg. Maximilian Loibl ging es so gut, dass er da mitfahren konnte. An einen gehbehinderten Eduard erinnert er sich. Er sei der Koch am Internat gewesen. Dann kamen am 26. April 1945 die Amerikaner nach Mindelheim. „Sie haben uns nichts gemacht“, sagt der 94-Jährige.

    Auch die Maristen kamen aus Furth wieder zurück

    In dieser Zeit kamen auch die Maristen aus Furth zurück nach Mindelheim. Das Lazarett musste ausziehen und fand auf der Mindelburg eine neue Bleibe. Max Loibl ist dort 20-mal operiert worden. Eine Narkose gab es nicht. Hautteile aus dem Oberkörper wurden herausgeschnitten und im Gesicht verpflanzt. „Vormittags wurde es gemacht, nachmittags musste alles wieder heraus“, erzählt Loibl. Die Wunde wollte nicht aufhören zu bluten. Beim nächsten Versuch hat es dann geklappt.

    Loibl ist den Ärzten und Pflegern noch heute unendlich dankbar für ihre Hilfe, die wahre Wunderdinge vollbrachten. 30 Zahntechniker und 30 Ärzte waren unermüdlich im Einsatz. Dr. Johannes Müller nennt er und Prof. Herrmann. 1950 zog das Lazarett nach Bad Tölz um. Viele der Ärzte machten Karriere.

    Zum Lazarett auf der Mindelburg gehörten auch Therapiehunde.
    Zum Lazarett auf der Mindelburg gehörten auch Therapiehunde.

    In Mindelheim hat sich Max Loibl damals rasch eingelebt. Er war ein geselliger junger Bursche, der gerne unterwegs war – zum Beispiel in Bauernwirtschaften, die es längst nicht mehr gibt. Das gemeinsame Schicksal schweißte die Gruppe zusammen. Freundschaften fürs Leben sind hier entstanden. Einer der Versehrten, die Loibl persönlich kannte, war Johannes Steinhoff. Dieser hatte sich bei einem Flugzeugunglück das ganze Gesicht verbrannt. Später machte Steinhoff Karriere bei der Bundeswehr. Er wurde Luftwaffeninspekteur und war damit einer der ranghöchsten Offiziere.

    Max Loibl erinnert sich gern an die Zeit auf der Mindelburg

    Max Loibl hat viele gute Erinnerungen an Mindelheim. In der Stadt hat er 1948 auch seinen Führerschein („Driver’s licence“) gemacht, den er noch heute besitzt.

    Das war seine Geschichte, die er erzählen wollte. Das Foto entstand dann oben vor der Mindelburg. Da ist ihm noch etwas eingefallen, was er längst verdrängt hatte. Es gab damals eine schlimme Wanzenplage in der Burg. Einen Tag lang konnten sie mal nicht in ihre Zimmer, weil der Kammerjäger sein Glück versuchte. Die Wanzen waren stärker.

    Das Esszimmer in der Privatwohnung der Familie Sachon.
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    Nach vielen Jahren zieht der Sachon-Verlag als Mieter aus und die Stadt Mindelheim kann die Mindelburg wieder selbst nutzen. Wir haben uns dort umgeschaut.

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