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Mindelheim: Als der Straßenfasching 1991 in Mindelheim schon einmal ruhte

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Als der Straßenfasching 1991 in Mindelheim schon einmal ruhte

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    „Fasching ist nun Geschmacksfrage“: Diese Schlagzeilen fanden sich im Januar und Februar 1991 in der Mindelheimer Zeitung. Wegen des zweiten Golfkriegs, der in der Nacht vom 16. auf den 17. Januar 1991 begann, wurden damals Faschingsfeiern im Freien abgesagt.
    „Fasching ist nun Geschmacksfrage“: Diese Schlagzeilen fanden sich im Januar und Februar 1991 in der Mindelheimer Zeitung. Wegen des zweiten Golfkriegs, der in der Nacht vom 16. auf den 17. Januar 1991 begann, wurden damals Faschingsfeiern im Freien abgesagt.

    Durch den verlängerten Lockdown ist klar, was viele vermutet hatten: Die Faschingssaison fällt den Beschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie zum Opfer. Viele Faschingsvereine hatten schon vor Wochen ihr Programm – sofern es das schon gab – gestrichen. Vor 30 Jahren war das anders. Damals wurde das närrische Treiben kurzfristig abgesagt.

    Am 17. Januar begann der Golfkrieg

    Es war in der Nacht vom 16. auf den 17. Januar 1991, als das internationale Militärbündnis unter der Leitung der USA einen massiven Luftschlag gegen den Irak starteten, um den Wüstenstaat Kuwait von der irakischen Invasion ein halbes Jahr zuvor zu befreien. Der zweite Golfkrieg hatte begonnen. Und obwohl sich Deutschland aus den Kampfhandlungen heraushielt und die Bundeswehr nicht entsandte, war der Golfkrieg hierzulande präsent, wie kaum ein Krieg auf fremdem Boden zuvor. Entsprechend wurde über das Für und Wider diskutiert – und letztlich kam die Frage auf, ob es überhaupt nachvollziehbar ist, angesichts der Ereignisse im Nahen Osten Fasching zu feiern.

    Nur wenige Tage hingen Durahansl und Amme im Januar 1991 am Oberen Tor in Mindelheim.
    Nur wenige Tage hingen Durahansl und Amme im Januar 1991 am Oberen Tor in Mindelheim.

    So gab die Diözese Augsburg eine „ernste Empfehlung“ heraus, auf Faschingsveranstaltungen zu verzichten. Gleiches forderten die Grünen im Kreisrat. Am Vorabend einer gigantischen Menschenschlächterei sei das aus Pietätsgründen und Gründen der Menschlichkeit nicht zu vertreten. Die Schülermitverwaltung des Maristenkollegs in Mindelheim sagte bereits einen Tag vor Beginn der Kampfhandlungen sämtliche Schulbälle ab. Und weil nicht zuletzt die Angst vor Anschlägen bei den großen Straßenkarnevalszügen in Köln, Düsseldorf und Mainz die Organisatoren umdenken und den Straßenkarneval letztlich absagen ließ, setzte sich diese Entscheidung von den Hochburgen am Rhein setzte sich diese Entscheidung auch bis ins Unterallgäu fort.

    Der Umzug am Gumpigen wurde abgesagt

    Am 21. Januar 1991 beschlossen die Stadt Mindelheim und die Narrenzunft Mindelonia, den traditionellen Umzug am Gumpigen Donnerstag abzusagen. Zugleich wurde auch der Durahansl an jenem Tag wieder abgenommen. Gleichzeitig aber gaben die hiesigen Faschingsvereine eine Presseerklärung heraus, erinnert sich Christoph Spies. Der Mindelheimer, der heute dem Bayerischen-Schwäbischen Fasnachtsverband (BSF) als Präsident vorsteht, führte damals die Mindelonia. „Während Deutschland keinen einzigen Soldaten im Krieg hatte und hier über den Fasching diskutiert wurde, haben die Amerikaner ihren Superbowl wie immer mit großem Pomp gefeiert. Deshalb wollten wir den Saalfasching nicht streichen“, so Spies. „Gerade in schweren Zeiten braucht es für die Menschen auch eine Zeit der Aufheiterung und guten Stimmung. Das liefert der Fasching.“ Auch, weil sich die Mindelonia in jenem Jahr im Aufbruch befand und nach einer mehrjährigen Pause erst in der Saison 1989/90 wieder aktiv war.

    In Haselbach gab es sogar ein Bombendrohung

    Letztlich obliege die Entscheidung den Veranstaltern, wie Unterallgäus damaliger Landrat Hermann Haisch unterstrich. Es gebe keine rechtliche Handhabe, Faschingsveranstaltungen zu verbieten, hieß es in Haischs Pressemeldung, die er herausgab, nachdem das Landratsamt von zahlreichen Anrufen überschwemmt worden war, die eine allgemeingültige Entscheidung gefordert hatten. Wie sensibel die Lage damals war, zeigte sich am 9. Februar 1991 in Haselbach. Dort musste der Schützenball kurzfristig abgesagt werden – aufgrund einer Bombendrohung. Ein anonymer Anrufer habe mit einem Bombenanschlag gedroht, sollte der Ball stattfinden. Die Polizei fand jedoch keinen Sprengstoff.

    Der Saalfasching fand jedoch trotz des Golfkriegs statt – mit Christoph Spies und Ulrike Rahm beim Dirty Dancing.
    Der Saalfasching fand jedoch trotz des Golfkriegs statt – mit Christoph Spies und Ulrike Rahm beim Dirty Dancing.

    So lag es also an den Vereinen und Veranstaltern, wie sie mit der Situation, Fasching hier – Krieg dort, umgehen wollten. Die Narrenzünfte traf dies unterschiedlich: Während die Siedelonia aus Mindelheim bei über 30 Auftritten nur zwei Absagen hinnehmen musste, verbuchte die Zaisonarria aus Zaisertshofen knapp 50 Prozent weniger Auftritte. „Das war für unsere Aktiven schon schwierig“, sagt Hermann Steinle. Er war 28 Jahre lang Präsident der Zaisonarria und ließ das Prinzenpaar am 11.11.1990 mit dem Hubschrauber einfliegen. Man habe dann aber schnell entschieden: „Wir machten mit der gleichen Mannschaft im kommenden Jahr weiter.“ Bei vielen Narrenzünften legten die Prinzenpaare daraufhin eine Ehrenrunde ein. Der Faschingsstimmung unter den Narren tat dies jedoch offenbar keinen Abbruch: „Wir haben versucht, die Menschen von den täglichen Kriegsmeldungen abzulenken. Sie sollten die schwere Zeit für einige Stunden vergessen können“, sagt Christoph Spies. Heute sei das zwar genauso wichtig, lasse sich aber mit den Beschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie eben nicht vereinbaren. „Große Treffen mit Menschen sind einfach nicht drin im Moment.“ Da dürfe bei aller Faschingsbegeisterung der gesunde Menschenverstand nicht ausgeschaltet werden.

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