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Memmingen/Unterallgäu: Hilfe für Unterallgäuerinnen bei Misshandlung

Memmingen/Unterallgäu

Hilfe für Unterallgäuerinnen bei Misshandlung

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    Christina Übele (links) und Marion Stockner-Stengele von dem Angebot für Frauen MMUM.
    Christina Übele (links) und Marion Stockner-Stengele von dem Angebot für Frauen MMUM.

    „Du kannst nichts! Ohne mich bist Du nichts!“ – Mit solchen Sprüchen üben Täter psychischen Druck auf ihre Opfer aus. „Häusliche Gewalt muss nicht immer Schlagen sein“, sagt Christina Übele. Auch der Partnerin Kontakt zu Freunden zu verbieten, sie einzusperren oder ihr Geld wegzunehmen, zählt die Sozialpädagogin dazu. Über das Projekt „Memminger und Unterallgäuer Modell“ (MMUM) berät sie Opfer – wenn es akut ist. Sprich, wenn die Polizei eingreifen musste. Bisher vermittelten die Beamten nur in Memmingen und im Unterallgäu den Kontakt. Künftig greift diese Hilfe auch im Landkreis Lindau.

    Auf die Arbeit in Memmingen wirkt sich die neue Kooperation nicht aus, sagt Marion Stockner-Stengele. „Es ist ein zusätzliches Angebot.“ Das Projekt wurde vor zehn Jahren ins Leben gerufen und ist an das Memminger Frauenhaus gekoppelt. Stockner-Stengele ist seit über 25 Jahren bei der Einrichtung für Gewaltopfer. Unabhängig von dieser Arbeit betreut sie nun sechs Stunden in der Woche Betroffene im Westallgäu. In dieser Zeit gleicht ihr Alltag dem von Übele in Memmingen.

    Die Initiative MMUM hilft Unterallgäuerinnen, die misshandelt werden, innerhalb von 48 Stunden

    Schreitet die Polizei bei häuslicher Gewalt ein, bietet sie dem Opfer automatisch an, Kontakt zu MMUM herzustellen. Willigt die Frau ein, bekommt Übele ein Fax mit Namen und Adresse der Betroffenen. „Mehr weiß ich oft nicht.“ Binnen 48 Stunden ruft sie die Frau an und klopft Folgendes ab: Was ist passiert? Sind Kinder im Spiel? Besteht eine Kontaktsperre? Und sie stellt die wichtigste Frage: Was will die Frau jetzt tun?

    Die Beratung ist proaktiv. Das heißt: „Wir zeigen neutral Wege und Möglichkeiten auf.“ Das kann der Gang zum Gericht ebenso sein wie der zum Amt. Aber auch das Verweisen auf Eheberatung oder Therapie gehören in das Repertoire der Hilfen. Die Entscheidung darüber, was unternommen wird, trifft immer die betroffene Frau. Das ist nicht leicht, weiß Stockner-Stengele. „Oft sind Betroffene handlungsunfähig.“ Sie sehen keinen Ausweg und können sich die Zukunft nicht ohne den Mann vorstellen. Sie wissen nicht wohin. In manchen Fällen geben sich Opfer sogar selbst die Schuld: Weil das Essen nicht geschmeckt hat, das Wohnzimmer nicht richtig geputzt war – da konnte der Partner ja nicht anders. Solche Denkmuster führen laut Stockner-Stengele dazu, dass Handgreiflichkeiten nicht als das gesehen werden, was sie sind: Straftaten. Dennoch: Nicht jede Betroffene trennt sich. „Manche sind noch nicht soweit“, sagt Übele.

    Die Polizei 2018 musste im Unterallgäu 118 mal bei häuslicher Gewalt einschreiten

    Auch das akzeptiert sie. Ihre Aufgabe beschränkt sich nur darauf, in den Tagen nach der Tat zu helfen, Frauen zu beraten – und das vertraulich. Falls gewünscht, vermittelt sie Kontakte, etwa zum Frauenhaus oder zum Rechtsanwalt. Mit den Betroffenen spricht sie etwa drei Mal.

    2018 schritt die Polizei 85 Mal in Memmingen und 118 Mal im Unterallgäu bei häuslicher Gewalt ein. Übele hat davon 57 Betroffene beraten. In vier Fällen haben Männer versucht, ihre Frauen umzubringen.

    „Häusliche Gewalt zieht sich quer durch alle sozialen Schichten“, sagt Übele. Auch Frauen, die selbstbewusst ihre Berufe ausüben, können zuhause ein ganz anderes Leben führen, sagt sie und zitiert eine Statistik des Bundeskriminalamts aus dem Jahr 2017: Jeden dritten Tag stirbt eine Frau an häuslicher Gewalt – in Deutschland. (bis)

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