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Memmingen: Politischer Ruhestand der verdienten Unterallgäuer Kreischefin

Memmingen

Politischer Ruhestand der verdienten Unterallgäuer Kreischefin

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    Ihren politischen Ruhestand möchte Gabriela Schimmer-Göresz in ihrem Garten in Weiler (Osterberg) verbringen. Dort werden sie wohl auch ihre Töchter ab und an besuchen – inklusive dem wenige Monate alten Enkel. Die Familie sei durch die ÖDP-Arbeit in der Vergangenheit oft zu kurz gekommen, sagt Schimmer-Göresz.
    Ihren politischen Ruhestand möchte Gabriela Schimmer-Göresz in ihrem Garten in Weiler (Osterberg) verbringen. Dort werden sie wohl auch ihre Töchter ab und an besuchen – inklusive dem wenige Monate alten Enkel. Die Familie sei durch die ÖDP-Arbeit in der Vergangenheit oft zu kurz gekommen, sagt Schimmer-Göresz. Foto: David Specht

    „Villa Gabriela“ steht auf dem Schild, das vor der Haustüre vom Vordach herunterhängt. Auf den Beeten neben dem Häuschen wachsen Salate und Tomaten, an den Bäumen im Garten hängen Kirschen und Äpfel. Dort, im Osterberger Ortsteil Weiler (bei Babenhausen) wird Gabriela Schimmer-Göresz nun zusammen mit ihrem zweiten Ehemann Franz Göresz ihren politischen Ruhestand verbringen. Der hohe Grad an Selbstversorgung ist Teil ihrer ökologischen Überzeugung. „Mein Lieblingssatz ist: Brauch nichts, kauf nichts“, sagt sie und schmunzelt.

    Gebürtige Memmingerin leitete jahrelang ÖDP-Geschicke

    Das Örtchen Weiler liegt auf einer kleinen Anhöhe umringt von Wiesen, Äckern und einem Wald. Von dort aus leitete die gebürtige Memmingerin in den vergangenen Jahren die Geschicke von drei ÖDP-Kreisverbänden und von 2014 bis 2017 sogar die der Ökologisch-Demokratischen Partei in ganz Deutschland. „Man steht auf und schaltet erst mal den Computer ein. Vor dem Schlafengehen schaltet man ihn wieder aus. Währenddessen unzählige E-Mails und Telefonkonferenzen“, beschreibt die 68-Jährige ihren Arbeitsalltag in den vergangenen Jahren. Geld hat sie für ihr Engagement – mit Ausnahme einer Aufwandsentschädigung als Parteivorsitzende – nie verdient.

    Hauptberuflich Rechtsanwaltsfachangestellte in Memminger Kanzlei

    Hauptberuflich arbeitete Schimmer-Göresz in Teilzeit in einer Anwaltskanzlei in Memmingen. „Die Partei hatte großes Glück, dass ich nur geringfügig erwerbstätig war“, sagt sie. Denn je mehr sie sich in der ÖDP engagierte, desto weniger Zeit verbrachte sie in der Kanzlei: Von anfangs drei Tagen pro Woche blieb schließlich noch einer. Bei vielen Terminen musste sie schließlich persönlich vor Ort sein: Vorstandssitzungen, der Bundeshauptausschuss, Bundesparteitage und Vorträge. An der schwäbischen ÖDP kam an der streitbaren Politikerin kaum einer vorbei – manchmal zum Frust anderer Mitglieder. Für die ÖDP saß die Mutter zweier erwachsener Töchter im Memminger Stadtrat und kandidierte bei Land- und Bundestagswahlen.

    Nun soll damit Schluss sein. Kein überraschender oder von Streit begleiteter, sondern ein geplanter und gut vorbereiteter. „Ich habe bei der vergangenen Wahl schon angekündigt, dass das die letzte Amtsperiode wird.“ In dieser sei es noch einmal darum gegangen, ihre Nachfolger in den jeweiligen Kreisverbänden einzulernen und gerade bei der Kommunalwahl mit ihrer Erfahrung für die Partei da zu sein. Im August übernahm Lucia Fischer die Leitung der Region Memmingen-Unterallgäu. Am Samstag gab Schimmer-Göresz den Kreisverband Neu-Ulm ab, damit bleibt ihr noch der Kreisvorsitz in Günzburg, wo erst nächstes Jahr Wahlen stattfinden.

    Doch auch wenn sie ihr letztes Parteiamt abgibt, wird die ÖDP sie noch Jahre in ihrem Haus beschäftigen. Dort hat sie ein Büro eingerichtet, in dem sie ihre Parteiarbeit erledigte. An den Wänden hängen alte Wahlplakate. „Saubere Umwelt für unsere Kinder“ liest man da etwa.

    Im Büro und vor allem im Dachboden warte auf sie noch jede Menge Arbeit, erzählt Schimmer-Göresz. Es gilt, Kartons und Ordner mit Flugblättern, Wahlplakaten und Reden zu sortieren und auszumisten. „Bisher ist das ein ÖDP-Archiv. Das möchte ich eindampfen und nur noch die Sachen behalten, die mir wichtig sind“, sagt sie.

    Von einem Flugblatt in München auf Partei aufmerksam geworden

    Nicht mehr vorhanden ist in dieser ausführlichen Sammlung das Flugblatt, dass Schimmer-Göresz überhaupt erst auf die ÖDP aufmerksam gemacht hat. „Das war in München, am Tag des Reaktorunfalls in Tschernobyl“, sagt sie. Sie sei aus einer Buchhandlung am Marienplatz gekommen, da habe es ihr jemand in die Hand gedrückt. „Ob Frau oder Mann, das weiß ich nicht mehr.“ An das Flugblatt selbst erinnert sie sich auch nur noch grob. Aber es sprach sie an.

    Bei der Gründung des damaligen Kreisverbands Memmingen/Altlandkreis war Schimmer-Göresz bereits Schriftführerin, im November 1988 übernahm sie den Vorsitz. Bei der Stadtratswahl in Memmingen 1990 stand sie auf Platz 1 der ÖDP-Liste. Die Partei erreichte auf Anhieb einen Sitz, der ging jedoch an Hans Rabus. „Er war als Biobauer auf dem Wochenmarkt einfach bekannter und so als ÖDP-Politiker authentischer“, sagt Schimmer-Göresz. Schlimm sei es für sie deshalb nicht gewesen, dass sie damals nicht in den Stadtrat kam.

    Als „Niederlage“ bezeichnet sie es jedoch, dass Rabus während der Legislaturperiode zum CRB wechselte. Somit stand die ÖDP ohne Mandat da und musste sechs Jahre später als neue Liste zunächst Unterstützerunterschriften sammeln. „Das war das eigentlich Schlimme an seinem Wechsel.“ Dennoch zog Schimmer-Göresz 1996 zusammen mit Elke Pfalzer für die ÖDP in den Memminger Stadtrat ein.

    Auch dank ihr ist Memmingen Mitglied des Klimabündnisses

    Auf der Liste ihrer Anträge aus dieser Zeit finden sich Punkte wie: Einrichtung eines Energiesparfonds, Aufstellen einer Baumschutzverordnung und Mitgliedschaft im Klimabündnis der europäischen Städte. „Das Allermeiste wurde von der Stadtratsmehrheit abgeschmettert“, resümiert Schimmer-Göresz. Gebaut worden sei aber das von ihr geforderte Fahrradparkhaus am Bahnhof. Andere Themen seien mit großer zeitlicher Verzögerung wieder auf die Tagesordnung gekommen – so ist Memmingen seit 2008 Mitglied im Klimabündnis. Ob sie sich freue, dass doch einige Anträge inzwischen umgesetzt sind? „Wir waren unserer Zeit ja nicht voraus. Die Themen waren damals schon aktuell“, stellt sie klar.

    Als sie in ihr Haus nach Weiler zog, musste Schimmer-Göresz ihr Stadtratsmandat aufgeben. Die Entscheidung sei ihr nicht leicht gefallen. „Ich war gerne Stadträtin.“ Öffentlich in Erscheinung trat sie danach als Vorsitzende der BI Fluglärm, die sich gegen den Bau des Allgäu Airports wehrte. „Zivil geflogen“ sei sie in ihrem Leben noch nie – und darauf ist sie stolz. In der Luft war sie aber schon: Auf dem damaligen Fliegerhorst habe sie einmal einen Rundflug gewonnen.

    Die Bemühungen der BI Fluglärm scheiterten. Nach dem entscheidenden Gerichtsurteil habe ein Mitstreiter zu ihr gesagt: „Kapitulation ist auch eine Form des Widerstands.“ Sie habe lange über diesen Satz nachgedacht. „Und ich konnte mich damit fast schon anfreunden.“ Doch dann kam vor wenigen Monaten ihr erstes Enkelkind auf die Welt – „und vielleicht muss ich doch für eine bessere Welt weiterkämpfen.“

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