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Mattsies: Historisches Kindergrab in Mattsies: ein Fund wie im Film

Mattsies

Historisches Kindergrab in Mattsies: ein Fund wie im Film

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    Weil der Fund in dem künftigen Mattsieser Baugebiet so außergewöhnlich ist, wurde mitten in der Nacht mit der Bergung des Grabes begonnen. Das sorgte für einigen Wirbel.
    Weil der Fund in dem künftigen Mattsieser Baugebiet so außergewöhnlich ist, wurde mitten in der Nacht mit der Bergung des Grabes begonnen. Das sorgte für einigen Wirbel.

    Erst der Sensationsfund, dann Aufregung an der Fundstelle und schließlich eine aufwendige Bergung: Vor drei Wochen wurdeim Neubaugebiet in Mattsies ein frühmittelalterliches Kindergrab gefunden. Als die Grabplatte gehoben und damit sichtbar wurde, wie besonders der Fund ist, musste es schnell gehen. Deshalb begann die Bergung mitten in der Nacht – und mit viel Wirbel.

    Als Bürgermeister Johannes Ruf um 2.30 Uhr zusammen mit Bauhofleiter Michael Klaunzler an der Grabungsstelle ankam, herrschte bereits große Aufregung. Eine Polizeistreife war vor Ort. Der Grund: Ein Mitarbeiter der Spezialfirma, die das künftige Baugebiet erschließt, hatte bereits begonnen, die Bergung mit einem Bagger vorzubereiten. Und weil es eben nicht ganz alltäglich ist, dass mitten in der Nacht gebaggert wird, hatte ein Bürger angenommen, dass der Bagger vielleicht gestohlen werden sollte und die Polizei alarmiert. Weil der Sensationsfund zunächst geheimgehalten werden musste, waren nicht alle Anwohner zuvor informiert worden. Vor Ort konnte das Missverständnis dann aber schnell geklärt werden.

    Das Grab im Mattsieser Baugebiet war für die Archäologinnen und Archäologen eine Überraschung

    Doch wie kam es zu dem Fund? Zur Vorgeschichte gehört, dass das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege vermutete, dass im neuen Baugebiet in Mattsies eine römische Siedlungsfundstelle liegen könnte. Im Umfeld hatte es bereits kleinere Funde aus der römischen Kaiserzeit gegeben. Mit Baggern wurde also zunächst der Oberboden abgetragen. Dabei sind die Archäologinnen und Archäologen auf ein quadratisches, acht Meter breites Gebäude aus römischer Zeit gestoßen.

    Noch steht die Bestattung in einer Gefrierzelle. Ab Januar soll sie aufgetaut werden.
    Noch steht die Bestattung in einer Gefrierzelle. Ab Januar soll sie aufgetaut werden.

    Archäologe Dr. Johann Tolsdorf ist Gebietsreferent in der Bodendenkmalpflege am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Er hat die Ausgrabungen in Mattsies begleitet. „Wir haben nicht mit dem Grab gerechnet, es war eine kleine Überraschung“, sagt er. Aus der kleinen Überraschung wurde schließlich eine große, als das Kindergrab geöffnet wurde. Das Besondere am Fund in Mattsies ist, dass das Grab nicht mit Sedimenten gefüllt war. Als die Grabkammer geöffnet wurde, konnte das Kind praktisch so vorgefunden werden, wie es niedergelegt worden war – vor mehr als 1300 Jahren.

    Johann Tolksdorf
    Johann Tolksdorf

    Noch keiner seiner Kolleginnen und Kollegen habe einen vergleichbaren Fund in dieser Qualität bisher gesehen, berichtet Tolksdorf. „Es war der Filmeffekt. Man öffnet den Deckel und findet diese ausgezeichnete Erhaltung vor.“ Als die Grabkammer geöffnet war, begann jedoch ein Wettlauf gegen die Zeit. Sobald der Fund dem Sauerstoff ausgesetzt ist, beginnt der Zerfall. Um das Grab vor neugierigen Blicken zu schützen, wurde der Fund zunächst geheimgehalten. Für Johann Tolksdorf gab es jedoch kein Halten mehr: „Man lässt alles andere stehen und liegen.“

    Der Fund des Grabes in Mattsies ist für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein echter Glücksfall

    Die Grabkammer war sehr dicht abgeschlossen. Das ist der Grund, warum keine Sedimente hineingelangt sind und das Kind nicht komplett verwest ist. Normalerweise finde man in einem Grab dieses Alters nur Metallobjekte, so Tolksdorf. Hier stießen die Archäologinnen und Archäologen jedoch auch auf Reste von Holz, Stoff und Leder. Es ist auch nicht auszuschließen, dass an den Knochen noch Gewebereste festgestellt werden könnten.

    Auch Britt Nowak-Böck findet, der Mattsieser Fund sei für die Frühmittelalterforschung „wirklich ein Glücksfall“. Die Grabbeigaben seien „außergewöhnlicher Art“, sagt die Restauratorin, die das Referat für bewegliche Bodendenkmäler am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege leitet. So haben die Archäologinnen und Archäologen unter anderem einen Waffengurt mit Goldbeschlägen, ein Schwert, eine koptische Schale, Sporen und Ketten gefunden. Außerdem wurde ein Hund zu Füßen des Kindes begraben. Besonders die organischen Reste könnten für die Forschung interessant sein. „Wir erhoffen uns, Aussagen über die Kleidung zu erhalten.“

    Britt Nowak-Böck
    Britt Nowak-Böck

    Erste Erkenntnisse konnte das Team des Bayerischen Denkmalpflegeamts bereits gewinnen. So gehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von einer wirtschaftlich bedeutenden Familie aus, zu der das Kind gehört haben musste. Das lässt sich aus dem Grabbau und den reichen, hochwertigen Beigaben schließen. Zudem nehmen sie an, dass es sich bei dem Kind um einen Jungen handelt, berichtet Nowak-Böck. Waffe und Sporen seien in dieser Zeit typische Grabbeigaben für männliche Personen gewesen. Die anthropologischen Untersuchungen an den Knochen müssten das aber noch bestätigen.

    Ab Januar soll das geborgene Mattsieser Grab wieder aufgetaut werden

    Das Grab konnte mithilfe einer speziellen Bergungstechnik gehoben werden. Dafür wurden die Funde und das ganze Grab mit Wasser benetzt und gleichzeitig mit Flüssigstickstoff gefroren. Schicht für Schicht entstand so ein Eispanzer um die Bestattung. Dieser hunderte Kilo schwere Eisblock wurde schließlich mit einem Bagger gehoben und konnte für die weiteren Untersuchungen nach Bamberg zum Denkmalpflegeamt transportiert werden. Dort liegt die Bestattung nun in der Gefrierzelle und soll ab Januar abgetaut werden.

    „Wir müssen nun darauf achten, dass alles kriminalistisch dokumentiert und aufgenommen wird“, sagt Nowak-Böck. Das Abtauen muss gut geplant und technisch ideal gelöst werden. So muss unter anderem darauf geachtet werden, dass sich kein Schimmel bildet. Die Untersuchung wird interdisziplinär ablaufen, also mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Fachbereichen.

    Die Bergung des Grabs dauerte von drei Uhr nachts bis 17 Uhr. Der Tussenhausener Bauhof unterstützte die Arbeiten. Bürgermeister Ruf war die gesamte Zeit über mit an der Fundstelle. Auch für ihn war es ein eindrückliches Erlebnis. „Es war ein sehr spannender Tag, eine sehr spannende Aktion“, sagt er. „Es war auch toll, die Euphorie der Mitarbeiter des Amts für Denkmalpflege zu sehen.“

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