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MZ-Trachtenfreitag: So sah die Tracht rund um Mindelheim früher aus

MZ-Trachtenfreitag

So sah die Tracht rund um Mindelheim früher aus

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    In der Bauernstube des Mindelheimer Malermeisters Georg Schwank entstand dieses Bild von seiner Frau und Tochter.
    In der Bauernstube des Mindelheimer Malermeisters Georg Schwank entstand dieses Bild von seiner Frau und Tochter.

    Wenn heute von „Tracht“ die Rede ist, dann denken die meisten an bunt-gemusterte Dirndl, karierte Hemden und kurze Lederhosen. Mindelheims Heimatmuseumsleiter Markus Fischer hat bei dem Begriff aber ein ganz anderes Bild vor Augen: das der historischen schwäbischen Tracht. Und die unterscheidet sich in vielen Punkten von dem, was die meisten Menschen heute tragen.

    Der Begriff Tracht kommt von der „getragenen Kleidung“, erklärt Markus Fischer. Früher habe man auch gesagt: „Über’m Stuhl hängt dei Tracht.“ Illustrationen mit der Bekleidung der verschiedenen Stände gebe es seit dem 16. Jahrhundert. Die Hochphase der Tracht in Bayern und Österreich begann aber Anfang des 19. Jahrhunderts. „Man wollte sich präsentieren“, sagt Fischer. Tracht war damals etwas Ländliches, denn „in der Stadt ging man nach der Mode“. Tracht bedeutete Heimat und Herkunft. Immer mehr wurde sie aber auch „hoffähig“: So wurde zum Beispiel 1835 zur Silberhochzeit König Ludwig I. und seiner Königin Therese der erste Trachtenumzug veranstaltet. Prinzregent Luitpold von Bayern, der Nachfolger des Märchenkönigs Ludwig II., mischte sich sogar in Tracht und Lederhose unters Volk.

    Beringers „Schwäbische Bauern“ tragen die schwäbische Tracht.
    Beringers „Schwäbische Bauern“ tragen die schwäbische Tracht.

    Der schwäbische Mann trug früher Kniebundhose, Schuhe mit einer großen Schnalle und einen Dreispitz – ein Hut, der mit einer silbernen Kordel mit goldenen Quasten nach oben gebunden wurde. Das Praktische daran: Löste man die Kordel, wurde aus dem kleinen ein großer Hut. Ganz klassisch für die schwäbische Tracht ist neben dem Gehrock aber vor allem die rote Weste darunter: „Rot war schon immer eine besondere Farbe“, erklärt Markus Fischer, „weil sie schwierig in der Herstellung war.“ Die rote Weste wurde zum Markenzeichen schwäbischer Tracht. Und sie sagte auch etwas über den Status ihres Trägers aus: Je mehr Knöpfe die Weste hatte und je üppiger diese gestaltet waren, umso mehr konnte sich ihr Besitzer leisten.

    Mindelheims Ehrenbürger Erwin Holzbaur hat seine rote Weste häufig getragen

    Markus Fischer erinnert sich, dass Mindelheims Ehrenbürger Erwin Holzbaur bei seinem Vater mehrere solcher Westen hat anfertigen lassen, zwei davon gehören heute dem Heimatmuseum. „Das war ihm wichtig, diese Weste bei festlichen Anlässen zu tragen“, sagt Fischer über Holzbaur. Das Mindelheimer Original hatte seine Wünsche für die Schneiderei aufgezeichnet und genau beschrieben, wie viel Knöpfe er haben wollte: 15 an der Zahl, silbern und nach altem Vorbild. Kombiniert hat Holzbaur die rote Weste meist mit Anzughose, weißem Hemd und Trachtenjanker. Er hat also die alte Tracht neu interpretiert – und doch gab er mit seiner roten Weste etwas über sich preis: „Da weiß man dann schon, wo du her bist“, sagt Markus Fischer.

    Seine rote Weste trug Erwin Holzbaur zu festlichen Anlässen.
    Seine rote Weste trug Erwin Holzbaur zu festlichen Anlässen.

    Wie die ursprüngliche schwäbische Tracht ausgesehen hat, ist auf den Bildern des Mindelheimer Künstlers Max Beringer bestens zu erkennen – etwa beim „Kirchgang“ von 1913 oder den erst jüngst wieder aufgetauchten und preisgekrönten „Schwäbischen Bauern“ aus demselben Jahr. Die bodenlangen Röcke und die Spencer der Frauen waren damals eher schlicht und dunkel gehalten, meist in Schwarz: Farbe und Vielfalt brachten die Frauen mit ihren Schürzen und Schultertüchern ins Spiel. Wie die Männer konnten sie hier Individualität zeigen – und Reichtum: Eine Reginahaube oder eine noch größere Radhaube mit ihren Seidenbändern zeigten allen deutlich, wie viel Geld es zuhause gab. Je größer und aufwendiger sie gestaltet war, umso teurer war sie.

    Heimatmuseumsleiter Markus Fischer zeigt eine klassische Haube.
    Heimatmuseumsleiter Markus Fischer zeigt eine klassische Haube.

    Wie aber kommt es, dass heute selbst viele Trachtenvereine im Unterallgäu nicht mehr diese alte schwäbische Tracht tragen, sondern ein Gewand, das eher an Miesbach, Werdenfels oder das Chiemgau – sprich an die oberbayerische Gebirgstracht – erinnert? „Für mich ist das bloß so zu erklären: Nach dem Ersten Weltkrieg, also der Zeit, in der sich hier viele Trachtenvereine gründeten, sah man keine Unterschiede zwischen Schwaben, Ober- und Niederbayern“, sagt Historiker Markus Fischer. „Man sah sich als Bayer. Da war der Schwabe stolz, ein Bayer zu sein.“

    Nach dem Ersten Weltkrieg wollten die Mindelheimer modern sein, glaubt Museumsleiter Fischer

    Nach dem Ersten Weltkrieg habe es ganz neue Freiheiten gegeben, ein ganz anderes Lebensgefühl. Die Mode sollte das widerspiegeln. Frauen trugen kurze Röcke, kurze Haare. „Das war ein enormer Zeitsprung innerhalb von ein paar Jahren. Da wollte man vielleicht auch nicht mehr so daherkommen wie im 18. Jahrhundert“, mutmaßt Fischer. Statt für die altbekannte (und langweilig gewordene?) schwäbische Tracht entschied man sich deshalb lieber für die Vorbilder aus Oberbayern, vermutet er. Man ist schließlich auch mehr herumgekommen zu dieser Zeit, hat mehr gesehen – und wollte das auch zeigen. In der Mode haben sich verschiedene Einflüsse vermischt. „Das Thema Tracht ist komplex“, sagt Markus Fischer, „da sich immer wieder etwas geändert hat.“

    Anna Schorer trägt die schwäbische Tracht mit einer üppigen goldenen Radhaube.
    Anna Schorer trägt die schwäbische Tracht mit einer üppigen goldenen Radhaube.

    Das beliebte Dirndl ist übrigens um 1900 „erfunden“ worden, und zwar als Sommerfrische-Kleid „für die Städter, die aufs Land gefahren sind“, sagt Fischer. Nach dem Ersten Weltkrieg erlebte es seine Renaissance, weil es als schlichtes Sommerkleid einfach günstiger war als eine aufwendige, teure Frauentracht. Im Nationalsozialismus bekam das Dirndl eine „neue“ Form: enger, kürzer, weniger hochgeschlossen. Auch heute verändert sich die Dirndlmode stetig: Mal sind tiefe Ausschnitte modern, dann wieder hochgeschlossene Blusen darunter – und auch in der Männermode tut sich was. Nur eines bleibt, sagt Markus Fischer: „Tracht ist keine Uniform.“

    So können Sie beim MZ-Trachtenfreitag mitmachen und gewinnen

    er am Freitag Tracht trägt – ob in der Arbeit, beim Einkaufen oder im Biergarten – und uns ein Foto davon schickt, nimmt an der Verlosung teil. Dazu das Trachtenbild per E-Mail an social@mindelheimer-zeitung.de schicken oder auf Instagram posten, @mz_medienhaus verlinken und mit #mztrachtenfreitag markieren. Viel Glück!

    Mehr zum MZ-Trachtenfreitag gibt es hier:

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