Startseite
Icon Pfeil nach unten
Mindelheim
Icon Pfeil nach unten

MZ-Serie "Kunstgeschichte": Neue Serie: Romanik auf der Mindelburg und in Türkheim

MZ-Serie "Kunstgeschichte"

Neue Serie: Romanik auf der Mindelburg und in Türkheim

    • |
    Auch auf der Mindelburg gibt es noch einige Zeugnisse aus der Zeit der Romanik. Dieses Fenster mit den zwei Rundbögen und der typischen Säule ist eines davon.
    Auch auf der Mindelburg gibt es noch einige Zeugnisse aus der Zeit der Romanik. Dieses Fenster mit den zwei Rundbögen und der typischen Säule ist eines davon. Foto: Hartmann

    Willkommen bei unserer kunstgeschichtlichen Zeitreise! In einer siebenteiligen Serie stellen wir Ihnen markante Beispiele der Architektur, Plastik oder Malerei im östlichen Unterallgäu vor. Auch die Person des Künstlers soll nicht zu kurz kommen, wobei dieser erst in der Frühen Neuzeit eine autonome Rolle erhält. Mittelschwaben und auch das Allgäu sind in erster Linie eine Landschaft des Barock und des Rokoko. Unseren Spaziergang beginnen wir mit der Romanik - und zeigen in dieser Folge, wo die Mindelburg romanische Relikte versteckt hält.

    Die Romanik wird je nach Definition in mehrere, sich stilistisch als auch politisch unterscheidende Unterepochen eingeteilt, was in der Folge auch die chronologische Einordnung variieren lässt. Dazu gehören die karolingische, die ottonische und auch die staufische Kunst, was in unseren Breiten einer zeitlichen Spanne von ungefähr 750 bis 1250 nach Christus entspricht. Wie bereits der – allerdings erst später eingeführte – Name suggeriert, wird hier Bezug genommen auf die Kunst und Kultur Roms. Ebenso wie Jahrhunderte später in der Renaissance, war die Antike Pate für Idee und Gestaltung, ohne allerdings deren Lebendigkeit und Ausdrucksstärke zu erreichen.

    Im Hochmittelalter gab es eine Vielzahl von Burgen im Unterallgäu

    Fast im Gegenteil: Romanische Bauwerke wirken schwer. Massiv ruhen die Steine aufeinander, die Mauern sind dick und die Fensteröffnungen klein. Was soll denn nun daran antik sein? Geistig der Gedanke des „Renovatio imperii Romanorum“, des Bestrebens, die einstige Herrlichkeit und Größe des Römischen Reiches wiederentstehen zu lassen.

    Gleichzeitig dienten gerade die großen romanischen Kirchen als wahre Gottesburgen, als Manifestation des zu Stein gewordenen Glaubens in einer singulär-religiös geprägten Welt. Rundbögen, Pfeiler und Säulen dominieren die typische romanische Kirche, die Kapitelle letzterer oft versehen mit grotesk anmutenden Figuren und Fratzen. Die Kulturgüter dieser Epoche in der Region sind zugegebenermaßen etwas spärlich. Zwar befanden sich im Hochmittelalter eine Vielzahl von Burgen auf den Höhen unserer Dörfer, deren Überreste wurden in der Regel aber nach der Aufgabe des Bauwerks weiterverwendet. Steine galten als rar und kostbar im Gebiet zwischen Alpen und Donau.

    Romanische Relikte der Mindelheimer Mindelburg

    Bestens erhalten ist hingegen noch die Stadtbeherrschende Mindelburg, wobei die romanischen Relikte dieser Anlage nicht sofort ins Auge stechen. Die Problematik liegt hier jedoch an der Schwierigkeit, einen Ort zu finden, von welchem ein ungetrübter Blick auf die Ostfassade des Hauptgebäudes geworfen werden kann.

    Hat sich der interessierte Kunstfreund erst einmal durch das Gebüsch geschlagen, wird ihm auf halber Höhe ganz links ein feingliedriges Zwillingsfenster auffallen, welches noch inklusive Rundsäule und Kapitell die Zeiten und Umbauten überstanden hat. Diese romanischen Doppelfenster zierten einst Dome und Kaiserpfalzen. Noch König Ludwig II. griff im 19. Jahrhundert das Motiv beim Bau seines Schlosses Neuschwanstein auf. Hier in Mindelheim haben wir ein Original.

    Liegefigur der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt zu Türkheim

    Mit einer gewissen Sicherheit kann auch das ein oder andere Rundbogenfries an der Fassade der Mindelburg auf jene ferne Epoche zurückdatiert werden. Spärliche Relikte der Zeit vor der Zerstörung im Jahr 1305.

    Noch verborgener und dem Nicht-Einheimischen möglicherweise gänzlich unbekannt präsentiert sich der Grab-Christus in der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt zu Türkheim. Nun war es so, dass die Menschen in voraufklärerischer Zeit ihren Glauben durch plastische Darstellungen und theatralische Aufführungen des Heilsgeschehens untermauert sehen wollten. Weihnachts- und Osterspiele gehörten zum kirchlichen Jahreskalender wie das besagte Amen. Folglich war der gläubige Mensch auch bestrebt, am Karfreitag dem zu Grabe getragenen Leib Jesu Christi von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen.

    Kern und Geist des Leichnams vermitteln tiefste Romanik

    In Türkheim erschufen die Baumeister hierzu ein sogenanntes Heiliges Grab, heute als „Gruft“ unter dem festlichen Chor gelegen. Die dortige Liegefigur berührt dabei nicht nur durch ihre lebensgroße Darstellung eines verstorbenen Menschen. Es ist vielmehr die Archaik der Gesichtszüge, die geschlossenen Augen, der halb geöffnete Mund, welche der jahrhundertealten Figur – die Kunstgeschichte spricht hier von der Entstehung um 1250 – etwas Drastisches und zugleich Zeitloses verleihen. Wie der Mesner Friedrich Strecker erläutert, wurde die Plastik im Laufe der Jahre teilweise verändert oder ganze Körperteile, so die beiden Füße, neu angepasst. Der Kern und der Geist des Leichnams vermitteln uns jedoch tiefste Romanik.

    In so manchen Kirchen mögen noch Reste romanischer Baustruktur stecken, so im Erdgeschoß des Turmes von Wiedergeltingen; im Wesentlichen erfuhren die hochmittelalterlichen Bauten aber schon in Bälde Erweiterungen und Umbauten. Dass diese mitunter ortsbildprägend waren, zeigt unsere nächste Folge.

    Lesen Sie dazu auch:

    Das Esszimmer in der Privatwohnung der Familie Sachon.
    Icon Galerie
    71 Bilder
    Nach vielen Jahren zieht der Sachon-Verlag als Mieter aus und die Stadt Mindelheim kann die Mindelburg wieder selbst nutzen. Wir haben uns dort umgeschaut.
    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden