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Kultur: Wenn Worte singen und Steine klingen

Kultur

Wenn Worte singen und Steine klingen

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    Aus den Händen von Leo Rasch (rechts), Vorsitzender der Ortsgruppe Wertachtal im Landesbund für Vogelschutz, gab’s für die beiden Künstler Hans Schütz (links) und Karl Michael Ranftl ein Dankeschön für ihren Besuch in Türkheim.
    Aus den Händen von Leo Rasch (rechts), Vorsitzender der Ortsgruppe Wertachtal im Landesbund für Vogelschutz, gab’s für die beiden Künstler Hans Schütz (links) und Karl Michael Ranftl ein Dankeschön für ihren Besuch in Türkheim. Foto: Regine Pätz

    Stetig werden sie von den Wassermassen geschliffen, die Steine, die der Fluss mit sich transportiert, die Heimat finden an dessen Ufern, weit gereist und viele tausend Jahre alt. Wer glaubt, in Steinen etwas Kaltes, Statisches vorzufinden, der irrt. Denn Flusskiesel erzählen Geschichten. Und wer noch genauer hinhört, kann Steinen beim Klingen zuhören.

    Eine wahre Meisterschaft im Erklingen lassen von Steinen zeigt Karl Michael Ranftl. Als Musiker von jeher mit Tönen und Akustik vertraut, lässt er an diesem besonderen Kulturabend mit dem schönen Titel „Kieselklang & Wortgesang“ in der Türkheimer TV-Halle Besonderes erklingen. Er reibt die glatten Exponate aneinander, führt einige von ihnen wie eine Maultrommel an die Lippen. Es funktioniert: Zarte Takte von Schuberts „Forelle“ erklingen, ätherisch fast und doch zeichnet sich die berühmte Tonfolge erkennbar ab. Auf dem Tisch vor ihm findet sich gar ein „Kieselkraftklangkreis“, auch damit macht Ranftl Musik, die man wohl kaum so schon einmal gehört hat. „Lesesteine“ nennt

    Schon viele Jahre tritt dieses kongeniale Duo unter diesem sinnigen Titel gemeinsam auf, nun hat es beide auf Einladung der Wertachfreunde Unterallgäu nach Türkheim verschlagen. Hans Schütz selbst hat familiäre Wurzeln in der Sieben Schwaben-Gemeinde, ursprünglich stammt er jedoch aus Lechbruck. Und als ob sein Heimatort Omen für alles Kommende sein sollte, hat sich die Liebe zum Lech, an den sich dieser schmucke Ort mit historischer Flößervergangenheit schmiegt, in Schütz verselbstständigt. Seine rhetorischen Fertigkeiten hat Schütz zu Papier gebracht.

    Zum Leben erweckt er seine schriftlichen Kreationen aber vor allem durch seine Stimme. Mal kommt sie heiter daher, kennt aber auch das Hintergründige an mancher Formulierung, die beim Zuhörer auf fruchtbaren Boden fällt, wenn Schütz damit spielt.

    Und da treffen die „Lesesteine“ Karl Michael Ranftls auf Hans Schütz, der keinen Stein liegen lassen könne, wie er schmunzelnd bestätigt. Dabei würde man sich wünschen, der Lech und die Wertach, die ebenfalls im Mittelpunkt der Veranstaltung stand, könnten sich die Freiheiten erlauben, die sich beide Künstler an diesem Abend nehmen. Denn die Zuschauer erwartete keine auf Hochglanz polierte, von allem Unverhofften befreite Darbietung. Vielmehr nahm sich etwa Ranftl immer wieder die Zeit, seine Gitarre zu stimmen, vertiefte sich Schütz für kleine Momente in seine mitgebrachten Aufzeichnungen, um das passende Gedicht für die gerade sich erzeugende Stimmung herauszusuchen. Beide schenkten damit nicht nur Lech und

    Umso eindringlicher blieben dabei die Bilder der Wertach im Gedächtnis, die Leo Rasch zwischen den musikalisch-lyrischen Teilen des Abends über den Beamer sendete. Sie zeigten den Ist-Zustand des Flusses, der so vielen Unterallgäuern ans Herz gewachsen ist, haben doch nicht wenige, wie Bürgermeister Christian Kähler im Rahmen der Wertach-Ausstellung im Kleinen Schloss verriet, die Kindheit an ihren Ufern und Wasser verbracht. Rasch erläuterte die Veränderungen, die der Wertach über Jahrzehnte hinweg aufgezwungen wurden und deren Rückbau sich die Wertachfreunde verschrieben haben. Ebenso schützenswert wie Lech und Wertach stellt in den Augen Hans Schütz’ der Dialekt dar. Und so war es nur konsequent, dass diesem Kulturgut – im Falle Schütz das Ostallgäuerische – an diesem Abend ebenfalls Rechnung getragen wurde. „S’isch wias isch“ sinnierte er, wollte das aber für den Lech nicht gelten lassen. So schlossen beide Künstler, Schütz und Ranftl, den Abend mit dem gemeinsamen Traum von Zeiten, wo Flüsse wieder frei fließen können.

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