Wer am Mittwochabend den Kirchheimer Adlersaal betrat, war erst einmal erstaunt über die ungewöhnliche Sitzordnung. Statt der üblichen Reihen mit Blick zur Bühne waren die Plätze kreisförmig zur Seite hin aufgebaut: im Zentrum fünf Stühle, ein Beamer und Moderatorin Gisela Goblirsch, die den mehr als 250 Anwesenden gleich in ihrer Begrüßung augenzwinkernd klarmachte: „Wenn Sie glauben, dass das hier eine Bespaßung für Sie wird, haben Sie sich getäuscht.“ Ein Abend von den Bürgern und für die Bürger sollte es werden. Ein Abend, an dem alles geäußert werden könne, denn, wie Goblirsch sagte: „Alle Meinungen und Fragen sind dazu da, eine Sache besser zu machen.“
Eingeladen hatte der Kirchheimer Marktrat, der den aktuellen Stand des Projekts erläutern wollte, nachdem wie berichtet bei einem Bürgerbegehren Unterschriften dagegen gesammelt wurden. Schreiben durften gleich auch alle Anwesenden – und zwar, wie sie das Projekt Adler-Umbau beurteilen. Wer eine Null auf dem Zettel notierte, stand voll hinter dem Projekt. Eine Eins sollte aufschreiben, wer den Umbau für eine gute Idee hält, aber Bedenken hat. Wer total gegen den Umbau war, sollte eine Zwei notieren.
Kirchheims Bürgermeister Hermann Lochbronner hörte den Bürgern zu
Die Zettel wurden eingesammelt, die erste Runde eröffnet. In dieser ging es nicht um eine Diskussion, sondern ums Zuhören. Jeder konnte sich auf einen der vier freien Stühle im innersten Kreis setzen und in zwei Minuten Redezeit seine Meinung, Sorgen und Befürchtungen äußern – während Bürgermeister Hermann Lochbronner dasaß und zuhörte.
13 Bürger meldeten sich zu Wort. Ihre Anmerkungen wurden aufgeschrieben und für alle sichtbar per Beamer an die Wand geworfen. Auch wenn schnell klar wurde, dass es beim Umbau des Gasthofs Adler nicht um ein „existenzielles Problem“ in der Gemeinde geht, so gab es dennoch offene Fragen, etwa: Wäre es nicht sinnvoller, den Ortskern durch Bewohner zu beleben und nicht durch ein Gebäude, das vorwiegend abends und nachts genutzt wird? Eine andere Stimme wünschte sich den „Urzustand“ zurück, wie er früher in Kirchheim geherrscht habe: „Zum Adler musst du hin, da ist immer was los“, hieß es einst – und kein Anwohner habe sich über den regen Betrieb in der Wirtschaft aufgeregt.
Manche Bürger befürchten Kostensteigerungen durch Maßnahmen am Altbau
Mehrfach tauchte in den Wortmeldungen des Abends die Frage nach den Kosten auf und die Befürchtung, dass diese aus dem Ruder laufen – schließlich handle es sich um einen Altbau, in dem Überraschungen stecken können. Othniel Leitner, der Initiator des Bürgerbegehrens, kritisierte die mangelnde Information und dass durch ein Vereinsheim mit Autoverkehr keine Belebung im Ortskern stattfinden würde. „Wenn wir einen guten Wirt haben, brauchen wir keine Subvention mit öffentlichen Geldern“, fand er. Warum sich nicht den Wirt selbst suchen, schlug eine weitere Bürgerin vor.
In der ersten Runde meldeten sich auch Vertreter der am Projekt beteiligten Vereine zu Wort, von denen die meisten derzeit mit Raumnot kämpfen. „Das Thema ist nicht gut kommuniziert worden“, kritisierte Franz Schiegg vom TSV Kirchheim. „Man hätte die Bürger von Anfang an stärker ins Boot holen müssen.“ Sein Vereinskollege Georg Baur sagte: „Wir sehen Vorteile, aber auch Bedenken.“ Klärungsbedarf gebe es etwa zum Bewirtungskonzept und der Zusammenarbeit mit dem Wirt. Dennoch distanzierte sich Baur klar vom Bürgerbegehren: „Der TSV gibt dem Projekt eine Chance.“
Auch Rosi Greiner vom Blasorchester gab sich zuversichtlich, für alle auftretenden Schwierigkeiten eine Lösung zu finden: „Die Menschen in den Vereinen sind so patent, man wird sich absprechen können, um ein gutes Konzept zu entwickeln.“ Reinhard Freisinger vom Musikverein blies ins selbe Horn: Man müsse sich umgewöhnen, sich abstimmen, Kompromisse eingehen und noch einiges klären. Aber: „Wir sehen eine Chance, auch für die Zukunft.“ Was in den Augen von Jürgen Zips vom Blasorchester noch für den Standort am Marktplatz spricht: Die Kinder können zu Fuß hingehen und müssten nicht gefahren werden.
Emotionales Plädoyer für den Umbau des Gasthofs zum Adler
Magdalena Dannhart vom Theaterverein bat die Anwesenden, ihren Blick an die Decke des Adlersaals zu richten. Sie sprach sich in ihrer emotionalen Rede für das Projekt aus, denn der Adler sei „ein wunderschönes, altes Haus mit Seele, mit Leben, das leider gerade erloschen ist“. Ein neu gebautes Haus könne ein solches Flair nicht erreichen. Theatervereinsvorsitzender Tobias Dannhart, freute sich, „dass es endlich die Möglichkeit gibt, dass alle Vereine was gemeinsam machen können und dürfen“. Man habe schließlich immer gejammert, dass die Gemeinde nichts unternehme.
Nach gut 70 Minuten Redezeit für die Bürger wurde die erste Runde beendet, und nun nahmen im inneren Kreis diejenigen Platz, die hautnah am Projekt beteiligt waren. Marktrat Karl Scheifele gab zu, dass es ein Informationsdefizit gegeben habe. Er will sich zwei Monate Zeit nehmen, um ein Betreiberkonzept aufzustellen, „bei dem es keine Verlierer gibt“. Ein Glücksfall ist in seinen Augen die Architektin Anja Spillner, die daran arbeite, alle Wünsche der Vereine und viele Details unter einen Hut zu bekommen.
In ihrem Vortraginformierte die Architektin über den Stand der Raumplanung im „neuen“ Adler (mehr darüber hier: Architektin stellt Pläne für Kirchheimer Adler-Umbau vor) und erklärte, dass die Fachplaner durch ihre Untersuchungen gerade dabei seien, die sogenannten Kostenfallen im Vorfeld Schritt für Schritt aufzulösen. Sie hatte gute Nachrichten dabei: Der jüngst untersuchte Dachstuhl sei in einem guten Zustand.
Franz Josef Pschierer sprach über die finanzielle Situation des Projekts
Stimmkreisabgeordneter Franz Josef Pschierer äußerte sich zu den Finanzen. 80 Prozent der baulichen Kosten für den Adler-Umbau würden vom Freistaat gefördert, nicht enthalten sind die öffentliche Erschließung sowie die lose Einrichtung. 2,5 Millionen Euro habe der bayerische Staat fest zugesagt – allerdings nur für das Adler-Projekt in der Ortsmitte. Pschierer machte klar, dass die Förderung für einen Neubau auf der grünen Wiese deutlich geringer ausfallen würde.
Bürgermeister Hermann Lochbronner erklärte, dass der Erbbaurechtsvertrag mit dem Haus Fugger, dem der Adler gehört, unterschriftsreif sei und „dass wir keinen Cent zahlen“. Für den Unterhalt des Gebäudes in den nächsten 99 Jahren würde die Gemeinde sorgen – so wie bei einem Neubau auch.
Die Architektin rechnete die Kosten für den Adler-Umbau vor
Von Kosten in Höhe 3,5 Millionen Euro ging Architektin Spillner im Vorentwurf aus, derzeit laufen die Untersuchungen der Fachplaner, damit im Frühjahr 2020 eine detaillierte Kostenplanung erstellt und dann entschieden werden kann. Weil der bestehende Teil des Adlers nur „behutsam saniert und nicht vollständig verändert“ werden soll, hielten sich die Kosten im Rahmen, so Spillner. Sie rechnete vor: Selbst wenn die Kosten auf 5,5 Millionen Euro steigen sollten – „und ich kann mir nicht vorstellen, dass wir hier noch zwei Millionen versenken“–, so steige der Eigenanteil der Gemeinde von einer auf 1,72Millionen Euro. Ein Neubau auf der grünen Wiese mit gleichem Raumprogramm würde die Gemeinde 3,9Millionen Euro kosten, sagte sie. Das Adler-Projekt sei „sehr, sehr, sehr gut bezuschusst“ und es gebe weitere Fördertöpfe, etwa vom Denkmalschutz. Bürgermeister Lochbronner erwähnte auch Gespräche mit der Diözese, die ebenfalls einen Raum in Kirchheim sucht. „Wir können einen sechsstelligen Betrag von der Kirche bekommen.“
Zweiter Bürgermeister Welser spricht von einem "Zukunftsprojekt" für Kirchheim
Zweiter Bürgermeister Werner Welser betonte, dass andere Gemeinden Kirchheim um die üppige Förderung beneiden würden. „Wieso versuchen wir immer, ein Haar in der Suppe zu finden?“, kritisierte er. Der Adler-Umbau sei eine Chance für Kirchheim, aber auch für das Umland. „So viel Geld werden wir nie mehr bekommen für so ein Programm.“ Die Gemeinde sei finanziell stark, die Kreditzinsen liegen laut Lochbronner derzeit bei rund 0,235 Prozent. „Lasst uns dieses Zukunftsprojekt miteinander angehen“, sagte Welser und erntete dafür Applaus.
Am Ende ließ Moderatorin Goblirsch noch einmal abstimmen. Eine Hand sollte derjenige heben, der auch nach der fast dreistündigen Veranstaltung noch ein bisschen skeptisch war; beide Hände, wer das Projekt gar nicht befürwortet. Sie zählte 32 Hände. In der schriftlichen Abstimmung zu Beginn des Abends waren 146 „Gegenstimmen“ zusammengekommen.
Einen Kommentar zu der Veranstaltung lesen Sie hier: Kirchheims Bürgermeister geht auf die Bürger zu
Mehr über den Umbau des Gasthofs zum Adler und das Bürgerbegehren erfahren Sie hier:
- Bürgerbegehren zum Adler-Umbau ist abgegeben
- Unterschriften gegen den Adler-Umbau
- Bauminister sagt Geld für Adler-Ausbau in Kirchheim zu