So war 2019: Streiks und hitzige Debatten bei Wanzl in Kirchheim
Hitzige Warnstreiks, Entschuldigungen und die Suche nach einer Einigung prägen das Jahr bei der Firma Wanzl in Kirchheim.
Bei der Firma Wanzl mit Sitz in Leipheim (Kreis Günzburg) und Kirchheim hat sich in diesem Jahr einiges bewegt.
Schon 2018 hatten die Mitarbeiter zum ersten Mal in der 70-jährigen Firmengeschichte unter anderem in einer „aktiven Mittagspause“ gegen die Forderungen der Geschäftsführung protestiert. Der Weltmarktführer in der Produktion von Einkaufswagen gehört nicht dem Arbeitgeberverband an und muss sich daher auch nicht den ausgehandelten Tarifverträgen verpflichtet fühlen. Die Gewerkschaft IG Metall versuchte, einen auf Wanzl zugeschnittenen Tarifvertrag auszuhandeln. Die Geschäftsführung hatte in den Verhandlungen mit der IG Metall flexible Entgeltbestandteile gefordert, die von der Rendite abhängig sind. Außerdem sollte Mehrarbeit von bis zu drei Stunden nicht mehr vergütet werden.
250 Wanzl-Beschäftigte in Kirchheim protestierten
Rund 250 Beschäftigte der Firma Wanzl in Kirchheim haben vorzeitig ihren Arbeitsplatz für einen Warnstreik verlassen. Mitarbeiter in roten Plastikwesten und Mützen, ausgestattet mit Trillerpfeifen, machen bei der Kundgebung ihrem Unmut Luft. Ziel ist ein Tarifvertrag. Schon die Frühschicht war zum Streik aufgerufen worden. Von den 300 Beschäftigen, die bei Wanzl in Kirchheim üblicherweise im Schnitt arbeiten, beteiligte sich laut Gewerkschaft die Mehrheit.
Als eine der Hauptsorgen stellen sie dabei eine mögliche Einschränkung des Weihnachtsgeldes dar. Auch im Stammwerk Leipheim kam es zu Arbeitsniederlegungen. Klaus Meier-Kortwig, der Vorsitzende der Wanzl-Geschäftsführung sagte: Das Weihnachtsgeld sei in den vergangenen Jahren auch ohne spezielle Vereinbarung anstandslos gezahlt worden – daran solle auch nichts geändert werden. Der Flächentarifvertrag komme für Wanzl nicht infrage. „Wir haben in unserer Branche andere Voraussetzungen wie Siemens oder BMW.“
Wanzl strebte eine betriebliche Lösung im Tarifstreit an
Durch die fortschreitende Digitalisierung in der Einkaufswelt befinde sich Wanzl im Wandel, das Segment der Einkaufswagenherstellung, mit der das Unternehmen groß geworden sei, schrumpfe zugunsten anderer Unternehmensbereiche. Das Rekordhoch bei den Rohstoffpreisen sowie die kurzfristige Produktion seien mit verantwortlich. Deswegen strebe das Unternehmen eine betriebliche Lösung im Tarifstreit an.
Der Protest der Mitarbeiter zeigt Wirkung: Wie bekannt wird, sollen im Aufsichtsrat von Wanzl zum ersten Mal auch Vertreter der Belegschaft und der IG Metall mitbestimmen können. Ende Juni gehen wieder 800 Wanzl-Beschäftigte in Leipheim auf die Straße, darunter auch Mitarbeiter aus dem Kirchheimer Werk. Die IG Metall droht mit einem 24-stündigen Warnstreik und einer Urabstimmung, die bei entsprechendem Ausgang das Signal für einen unbefristeten Streik sein wird.
Wanzl erhöht die Entgelttabellen um zwei Prozent, als Zeichen, dass die „zähen Verhandlungen nicht auf dem Rücken unserer Mitarbeiter“ ausgetragen werden. Im Gegenzug erwartet die Geschäftsführung die Gültigkeit des Tarifvertrages, der Leiharbeiter betrifft.
Wie im August bekannt wird, hat die IG Metall nach dem zweiten Warnstreik bei Wanzl-Chef Klaus Meier-Kortwig um Entschuldigung gebeten. Bei den Warnstreiks habe eine IG-Metall-Vertreterin Äußerungen getätigt, „die geeignet waren, Sie als Person oder als Geschäftsführer im Betrieb oder in der Öffentlichkeit herabzusetzen“, sagte Günter Frey. Unter anderem wurde der Name „Lügenklaus“ skandiert.
Eine Entschuldigung der IG Metall beim Wanzl-Chef
Der Vorgang sei einmalig und werde sich nicht wiederholen. Meier-Kortwig nahm die Entschuldigung der Gewerkschaftsseite an und mahnte einen respektvollen Umgang an. Federführend auf Wanzl-Seite wird die Gespräche in der Tarifkommission der neue Geschäftsführer für Finanzen, Personal und IT, Markus Bergmann, übernehmen. Eine schnelle Lösung, wie sie die Gewerkschaft ursprünglich gefordert hatte, ist erst einmal vom Tisch.
Bei Wanzl wird erstmals ein Aufsichtsrat gewählt, in dem Vertreter der Belegschaft und der IG Metall Sitz und Stimme haben. Das Landgericht München hatte Wanzl auf Initiative des Gesamtbetriebsrates zur Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrates mit Arbeitnehmerbeteiligung verurteilt. „Die Beschäftigten werden durch den mitbestimmten Aufsichtsrat, den es übrigens schon seit 2008 bei Wanzl hätte geben müssen, endlich volle Transparenz erhalten“, so Günter Frey (IG Metall). Bisher hatten nur Anteilseigner den Kurs der Firma bestimmt. (mz)
Hier kommen Sie zu den einzelnen Berichten über Wanzl und die Proteste dort:
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