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Irsingen: Gerd, der „Bomber“ und Gert, der Kumpel: Freunde ein Leben lang

Irsingen

Gerd, der „Bomber“ und Gert, der Kumpel: Freunde ein Leben lang

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    Gerd und Gert: Bei einem Benefizspiel liefen die beiden Freunde Gerd Müller (links) und Gert Blimmel einst gemeinsam auf.
    Gerd und Gert: Bei einem Benefizspiel liefen die beiden Freunde Gerd Müller (links) und Gert Blimmel einst gemeinsam auf. Foto: Robert Prestele

    Gerd und Gert: Der eine,

    Wie kam es also zu der Verbindung des vermutlich besten Stürmers, den die Fußballwelt gesehen hat, mit dem beschaulichen Irsingen im Landkreis Unterallgäu?

    Nun, die Erklärung beginnt im Jahre 1960. Trotz unterschiedlicher Berufszweige besuchen beide, Blimmel und Müller, die gleiche Klasse in der Berufsschule Nördlingen.

    Der eine ist gebürtiger Nördlinger und strebt eine Weberlehre an. Allerdings ist er auch bereits als höchst talentierter Fußballer bekannt und bald schon sollte sein Name in aller Munde sein: Gerd Müller.

    Welchem Fußballverein sein Herz gehört, muss man Gert Blimmel nicht lange fragen. Sein „Reich“, das einem Fanshop des FC Bayern München zur Ehre gereichen würde, zieren zahlreiche Erinnerungsstücke.
    Welchem Fußballverein sein Herz gehört, muss man Gert Blimmel nicht lange fragen. Sein „Reich“, das einem Fanshop des FC Bayern München zur Ehre gereichen würde, zieren zahlreiche Erinnerungsstücke. Foto: Robert Prestele

    Der andere kommt aus dem benachbarten Wallerstein und orientiert sich beruflich im kaufmännischen Bereich. Sein fußballerisches Talent ist im Vergleich eher überschaubar: Gert Blimmel. Aus den beiden Klassenkameraden wurden Freunde, deren Verbindung über Jahrzehnte hinweg – wenn auch mit Unterbrechungen – Bestand haben sollte.

    Doch der Reihe nach, denn zunächst waren sie ja Fußballkonkurrenten. Dazu erinnert sich Gert Blimmel auf Anhieb an eine ganz besondere Begegnung zwischen Nördlingen und Wallerstein. Beim Stand von 1:1 ging es in die Halbzeit und Gerd Müller – er hatte zunächst das Tor gehütet und nicht unter Beschuss genommen – ging nun in den Sturm. Beim Endstand von 18:1 für Nördlingen erzielte der Ausnahmestürmer tatsächlich 17 (!) Tore im zweiten Abschnitt.

    Vom Bolzen hinterm Haus irgendwann gemeinsam zum WM-Finale: Gert Blimmel hat mit Gerd Müller viel erlebt

    Die Freunde verbrachten viel Zeit zusammen. Sei es das Bolzen hinter dem Haus oder sei es gemeinsames Kickern, das beide auch sehr erfolgreich beherrschten. In diesen Zeiten war sich der „Hadde“, wie Gerd Müller in und um Nördlingen nur genannt wurde, auch nicht zu schade, zur Aufbesserung des Taschengeldes morgens Semmeln auszufahren.

    Der Kontakt brach allerdings ab, als Gerd Müller schließlich der Sprung zum großen FC Bayern München gelang.

    Erst Jahre später, Anfang der 1970er Jahre, gab es ein Wiedersehen. Gerd Müller nun schon als bekannter Torjäger national sowie international auf dem Rasen und Gert Blimmel als Tribünengast. Die Freundschaft lebte wieder auf, wobei der Fußballstar immer bodenständig und nahbar geblieben sei. Wie selbstverständlich ließ er es sich auch nicht nehmen, seinem Freund zwei Tickets für das WM-Endspiel 1974 – Deutschland gegen die Niederlande – zu schenken. Gerd Müller selbst war es dann ja auch, der das Spiel auf seine unnachahmliche Art für Deutschland entschied.

    Seinen 50. Geburtstag feierte Gerd Müller einst mit seinem Freund Gert Blimmel und Spielern des FC Bayern München in einem Münchner Lokal.
    Seinen 50. Geburtstag feierte Gerd Müller einst mit seinem Freund Gert Blimmel und Spielern des FC Bayern München in einem Münchner Lokal. Foto: Robert Prestele

    Aber auch dieser grandiose Erfolg konnte Gerd Müllers Charakter nichts anhaben. Schulfreund blieb Schulfreund.

    Als der „Bomber“ sein Glück in den USA suchte, verloren sich die Kumpel jedoch aus den Augen. Mit Alkoholproblemen beladen, kehrte Gerd Müller letztlich wieder nach München zurück, bis zu einem Wiedersehen sollte jedoch mehr als ein Jahrzehnt vergehen. Als Zuschauer besuchte Gert Blimmel, der inzwischen in Irsingen beheimatet war, ein Benefizspiel 1991 in Bad Wörishofen. Auch Gerd Müller lief dort auf und die Freunde feierten die Zusammenkunft. Noch immer war der „Star“ absolut ganz der Alte, der seinen Spezl gleich mal ganz unkompliziert mit in die Spielerkabine nahm. Gelegentliche Besuche bei seinem Kumpel führten den Weltfußballer auch ins Unterallgäu.

    Eine besondere Erinnerung an Gerd Müller hat im Hause Blimmel in Irsingen einen Ehrenplatz

    Die Kontakte intensivierten sich wieder, zumal Gerd Müllers einzigartige Karriere zwischenzeitlich beendet war. Regelmäßige Treffen auf dem Tennisplatz oder andere gemeinsame Aktivitäten waren für die Freunde nun zur Normalität geworden. Herausragend beispielsweise auch der gemeinsame Besuch des WM-Endspiels 2006 in Berlin, bei dem Gerd Müller geduldig und unermüdlich Autogrammkarten für französische Fans schrieb. Einen Ehrenplatz im Hause Blimmel hat seither dieses besondere Erinnerungsstück: Die Original-Akkreditierung Gerd Müllers zur WM 2006 in Deutschland.

    Schließlich aber mehrten sich Anzeichen einer heimtückischen Krankheit, die kein Entrinnen zulässt: Alzheimer. Eine emotionale Umarmung in der Allianz-Arena im Jahre 2012 läutete die endgültige Trennung der beiden Freunde ein.

    An einem Sonntagvormittag erreichte dann die Nachricht vom Tod Gerd Müllers das Haus Blimmel. Unzählige Fotos, Andenken und persönliche Erinnerungen halten dort das Gedenken an einen mehr als außergewöhnlichen Fußballer und zugleich an eine besondere Persönlichkeit wach.

    „Der Gerd war ein sehr liebenswerter Mensch. Es tut mir sehr leid, wie er die letzten Jahre verbringen musste und wie er nun von uns gegangen ist“, so Gert Blimmel nachdenklich.

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