Herr Villazón, viele Musiker sehen sich in der Corona-Krise nicht genügend wertgeschätzt. Es scheint, als hätte Kultur und speziell die Musik in der Öffentlichkeit nicht mehr den großen Stellenwert wie vor der Krise. Sehen Sie das auch so?
Rolando Villazón: Für mich geht es nicht um die individuelle Wertschätzung. Es geht also nicht um mich, Rolando Villazón. Es geht darum, dass Kunst und Kultur für unsere Gesellschaft, unsere Menschlichkeit essenziell sind und deshalb auf keinen Fall zur Nebensache werden dürfen. Wir alle brauchen Kunst und Kultur zum Überleben. Auch wirtschaftlich gesehen gibt es gute Gründe, die Kulturschaffenden zu unterstützen. Wir sollten uns alle dafür einsetzen.
Sie wirken jeden Tag und zu jedem Zeitpunkt gut gelaunt, sei es im Fernsehen oder im Radio. Gibt es Dinge, die Ihnen auch mal die Laune verderben können?
Villazón: Aber natürlich. Es gibt Dinge, die mich furchtbar traurig und wütend machen: Rassismus und Gewalt zum Beispiel. Ich bin aber so gesehen ein „typischer Mexikaner“ und eben auch ein Clown. Humor ist nicht nur in meiner DNA verankert, sondern für mich eine Überlebensstrategie. Egal wie schrecklich eine Situation sein mag, wir suchen nach Lachen und Licht – und finden es auch.
Sie haben einmal gesagt, dass es Ihnen wichtig sei, Kontakte zu Menschen zu pflegen. Die Corona-Krise mit Social Distancing dürfte für Sie schwer fallen?
Villazón: Ich hatte vor ein paar Tagen ein Konzert in Luxemburg gegeben. Es war einfach wundervoll, endlich wieder direkten Kontakt zum Publikum zu haben. Das fehlt uns Bühnenkünstlern schon sehr. Ansonsten pflege ich meine Kontakte natürlich weiter und habe nicht gerade wenig zu tun gerade.
Wie sind sie eigentlich zur Musik und zum Gesang gekommen? Man liest über Sie, dass Sie einmal Priester werden wollten?
Villazón: Ja, Priester wollte ich zuerst werden, das stimmt. Aber dann wurde klar, dass ich auf die Bühne musste. Ich singe und spiele Musik, seitdem ich ein Junge bin. Es war ein ganz klarer Weg für mich.
Man kennt Sie als (Opern-)Sänger, aber nur wenige wissen, dass Sie auch gelegentlich Regie im Theater führen. Was ist der Unterschied zwischen auf der Bühne zu stehen und neben der Bühne die Fäden zu ziehen?
Villazón: Mittlerweile mache ich mindestens eine Regiearbeit pro Jahr, im kommenden Jahr inszeniere ich „La sonnambula“, eine italienische Oper von Vincenzo Bellini, in Paris. Am Regieführen liebe ich, ein ganzes Universum entstehen lassen zu können. Als Regisseur hat man eine wirklich große Verantwortung für das, was letztlich auf der Bühne passiert.
Wie inspiriert Sie die Musik bei der kreativen Arbeit? Sie sind ja auch als Buchautor tätig.
Villazón: Ich höre gerne und viel Musik, auch während des Schreibens. Bei Mozart, Brahms oder Strawinsky wird man in eine andere Welt transportiert. Das brauche ich für meine Arbeit.
Sie stehen zum ersten Mal in Bad Wörishofen beim Festival der Nationen auf der Bühne. Auf was freuen Sie sich?
Villazón: Auf soviel: das Publikum, meinen wunderbaren Bühnenpartner, dem französischen Harfinisten Xavier de Maistre, und natürlich unser großartiges Programm. Es wird toll werden!
Sie treten ja am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, auf. Was steht denn alles auf dem Programm, welche Stücke haben Sie ausgesucht?
Villazón: Nur deutsche Lieder! Das war ein Witz (lacht). Es wird ein wunderschönes Konzert mit Kunstliedern großartiger lateinamerikanischer Komponisten werden. Mit der Harfe klingen sie ganz besonders. Und es ist alles dabei: Schwermut, Leichtigkeit und Schönheit. Ich freue mich!
Wie wichtig ist Ihnen die musikalische Förderung bei Kindern, vor allem in Zeiten der Corona-Pandemie? Das Festival hat die Musikvermittlung ja seit jeher als festen Bestandteil in seinem Programm.
Villazón: Sie ist sehr wichtig! Bei der Mozartwoche in Salzburg arbeite ich jedes Jahr mit unserem Mozartkinderorchester zusammen. Musikalische Förderung ist für die Entwicklung von Kindern nicht weniger wichtig als das Lernen von Mathematik, finde ich.
Das Interview führte Oliver Wolff
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