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"Ich bin eigentlich ein unpolitischer Mensch"

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"Ich bin eigentlich ein unpolitischer Mensch"

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    Mit Nikolausmütze beim Türkheimer Weihnachtsmarkt.
    Mit Nikolausmütze beim Türkheimer Weihnachtsmarkt.

    In den vergangenen Tagen baute er seinen Resturlaub an. Was er dabei gedacht hat, als er das, was 18 Jahre lang sein Leben war, zum letzten Mal getan hat? Bihler, der heute Abend zum letzten Mal als Bürgermeister seines Heimatortes Türkheim ins Bett geht, fängt auch jetzt nicht damit an, eine Plaudertasche zu werden. "Da kommen einem schon Gedanken", antwortet er. "Ich hatte aber ein zufriedenes Gefühl dabei. Wir haben in dieser Zeit viel für

    Mit ihnen ist er durch schöne und schwierige Zeiten gegangen. Schöne, das waren Jahre, in denen 2003, nach zehn Jahren Bauzeit, das Großprojekt der Türkheimer Ortsumfahrung fertig wurde. Oder die Jahre, in denen die Besiedelung des Irsinger Gewerbegebiets Erträge für den Ort brachte. Im Dezember 1992, als eine seiner ersten Amtshandlungen, führte der neu eingesetzte Bürgermeister Silverius Bihler die ersten Verhandlungen zum Grundstückskauf in Irsingen. Eine Maßnahme, die rückblickend wohl lebensrettend für die Türkheimer Wirtschaft sein sollte. Der Riese Schneider, neben Salamander mit 800 Arbeitsplätzen im Wertachmarkt, fing kurze Zeit später zu taumeln an, bis er im Jahr 2006 endgültig fiel. Mit einem Schlag waren 800 Arbeitsplätze weg. "Dass die Struktur, zwei Hauptarbeitgeber am Ort zu haben, ungesund ist, habe ich schon bemerkt, als zum ersten Mal die Gewerbesteuer von Schneider einbrach." Eine Struktur mit mehreren kleineren Gewerben erschien dem Chef im Rathaus besser. Heute sind in

    Wahrscheinlich hätte Silverius Bihler seine Arbeit mehr Spaß gemacht, wenn sie nicht so viel mit Politik zu tun hätte, mit inner- und außerparteilichen Befindlichkeiten. Bihler weiß, dass er kein großer Redenschwinger ist, genauso wenig wie ein politischer Taktiker. "Eigentlich bin ich ein unpolitischer Mensch", sagt er, der 1992 als parteiloser Bürgermeisterkandidat antrat. Obwohl ihn die CSU unterstützte, fand sich deren Logo kein einziges Mal in dem Wahlheft, das Bihler damals an die Haushalte herausgab - mit Absicht, wie er sagt. Bihler grinst wie ein Lausbub, der gerade von einem Streich berichtet, als er das Faltblatt heute, nach 18 Jahren an seinem Wohnzimmertisch, in der Hand hält. Auf dem Titel ist ein Foto von ihm zu sehen, in dem Schwarz-Weiß-Druck dominieren bei seinen Haaren und seinem Bart die Schwarztöne. Außer Schwarz und Weiß ist nur noch eine weitere Farbe zu sehen: Pink. "Blau habe ich auch mit Absicht nicht genommen", sagt Bihler mit einem Lächeln. Es scheint sich gelohnt zu haben damals.

    Mit diebischer Freude berichtet Bihler von einem Spaziergang im Jahr 1992. Der Wahlkampf gegen zwei weitere Kandidaten lief auf vollen Touren, als er von einer älteren Frau angesprochen wurde. Sie würde ihn von den Plakaten kennen, sagte sie ihm. "Und dass ich der erste Schwarze bin, bei dem sie jetzt ein Kreuz machen würde", erinnert sich Bihler, der damals noch gar kein Schwarzer war. Es schien Bihler eine Bestätigung für seine Entscheidung gewesen zu sein, den Weg in die Politik zu gehen. Die 14 Tage, in denen er mit sich gerungen hatte, ob er antritt er nicht, bezeichnet er bis heute als seine schwierigste Zeit.

    Dass die CSU ihm dennoch am nächsten ist, daraus machte Bihler schon damals aber keinen Hehl. "Ich bin konservativ. Und ich kann mich mit dem, was die CSU macht, in aller Regel identifizieren. Ich habe aber auch grüne Tendenzen und setze mich für die Natur ein. In meinem Waldstück gibt es 13 verschiedene Baumarten. Wenn ich aufs Geld aus wäre, würde ich nur Fichte anpflanzen." Dass er später doch noch eingetreten ist, hatte schlicht praktische Gründe: "Damit ich Türkheim als Bürgermeister im Kreistag vertreten konnte."

    Sein Austritt aus der CSU fiel ihm hingegen weit weniger schwer. Die Pläne der CSU, in Buchloe ein Gymnasium zu gründen, kann Bihler bis heute nicht nachvollziehen. "Ich war total sauer. Und ich konnte nicht verstehen, dass man soviel Geld für so ein Projekt einsetzt." Bihler wollte ein Zeichen setzen. Ihm ist klar, dass es nicht überall gleich angekommen ist. "Dem Ministerpräsidenten war das wurscht. Aber hier in der Gegend hat das viele erreicht."

    Es war intern wohl eine einsame Entscheidung, viele Parteifreunde hätten ihm von einem Austritt abhalten wollen. Bihler blieb - wie so oft vorher schon - stur. Ob er, wenn er könnte, etwas an sich ändern würde? Ob er Fehler rückgängig machen würde? Die Antwort lautet in beiden Fällen gleich: Nein. "Die Leute haben mich so gewählt, wie ich bin, und so bleibe ich auch. Ich kann an den Dingen, die passiert sind, nichts ändern. Ich glaube auch nicht, dass ich entscheidende Fehler gemacht habe." Ein solcher entscheidender Fehler wäre es wohl gewesen, Bürgermeister zu bleiben. Vor exakt einem Jahr kam zum ersten Mal der Gedanke auf. Bihler kam von einer Kur zurück, die er wegen seiner Rückschmerzen besucht hatte. "Ich hätte mich eigentlich fit fühlen sollen, aber ich war total demoralisiert." Nach zwei Monaten fiel die Entscheidung, nicht mehr antreten zu wollen. "Ich hätte nicht mehr die Kraft für weitere sechs Jahre gehabt."

    Bihler, der bis heute Rekordspieler für den SV Salamander Türkheim ist, wollte nicht wie ein Fußballer sein, dem man mit einem Lasso vom Platz holen muss. "Ich habe nicht mehr die Nerven und die Geduld für diese Arbeit. Und ich wollte mir in zwei Jahren Amtszeit nicht das kaputt machen, was ich mir in den 18 Jahren zuvor erarbeitet hatte." Viel von der Kraft und der Geduld seien weg gewesen. Wegen seines Rückenleidens sei er oft gereizt gewesen, unausgeglichen und aufgekratzt. "Ich bin froh, die Entscheidung jetzt getroffen zu haben."

    Wenn Bihler morgen aufwacht, wird er das als Bürger tun, nicht mehr als Bürgermeister. Zum ersten Mal seit 18 Jahren. In seine Amtszeit fielen die Schneider-Pleite, die Westtangente, der Ausbau der A96 mit anschließender Besiedelung Türkheims, die Entscheidung für das Gymnasium Buchloe. Was er selbst zu seiner Amtszeit sagt? Auch jetzt braucht Bihler nicht viele Worte. "Ich glaube, es war o.k. so."

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