Der 31. Mai 1967 ist ein bewölkter und regnerischer Tag in Nürnberg. Und doch wird an diesem Abend ein heller Stern am europäischen Fußballhimmel aufgehen – der des FC Bayern München nämlich. Die Mannschaft von Trainer Tschik Cajkovski steht gleich in ihrer ersten Europapokalsaison im Endspiel um den Pokal der Pokalsieger.
In Nürnberg haben die Bayern ein Heimspiel, dennoch gehen sie im Spiel gegen die Glasgow Rangers als Außenseiter ins Spiel. „Für unsere junge Mannschaft war das schon super, dass wir in Nürnberg gespielt haben“, sagt Franz Roth. Der 71-jährige Ex-Profi, den alle Welt nur unter seinem Spitznamen „Bulle“ kennt, stand damals nicht nur auf dem Platz, sondern hat maßgeblichen Anteil am Ausgang dieses Endspiels.
Es läuft die Verlängerung, nach 90 torlosen Minuten. Dann bricht die 109. Spielminute an: „Rainer Ohlhauser schlägt einen weiten Pass Richtung Strafraum der Rangers. Ich will in den Sechzehnmeterraum. Der Ball hat Effet, ist raffiniert angeschnitten. Ich war vor meinem Gegenspieler, der reißt mich um. Ich falle und habe nur eine Möglichkeit: Den Ball mit links über den herauslaufenden Torhüter zu lupfen. Es war kein fester Schuss, aber drin war er“, beschrieb Franz Roth vor einigen Jahren sein Tor im Gespräch mit der Mindelheimer Zeitung. Es bleibt der einzige Treffer an diesem verregneten Abend in Nürnberg.
Für viele ist es das wichtigste Tor in der Historie des FC Bayern München. Es bescherte den Bayern nicht nur den ersten internationalen Titel, sondern macht den Bundesliga-Aufsteiger von 1965 über die Grenzen hinaus berühmt. „Es war der Startschuss für die Bekanntheit des FC Bayern. Plötzlich bekamen wir Anfragen für Freundschaftsspiele aus Südamerika“, sagt Roth heute. Ein paar Jahre später wird der Pokal etwas größer: Zwischen 1974 und 1976 gewinnt der FC Bayern drei Mal in Folge den Europapokal der Landesmeister. In zwei dieser drei Endspiele trifft auch Franz Roth. „Vor allem das Siegtor gegen den AS St. Etienne in Glasgow war wichtig, denn nur so gewannen wir den Pokal zum dritten Mal und durften ihn daraufhin behalten.“
Dass es den Europapokal der Pokalsieger seit 1999 nicht mehr gibt, stört ihn nicht so sehr. „Es gibt jetzt halt die Europa-League“, sagt Roth. Allerdings: „Früher, da war der Europapokal schon noch ein knallharter Wettbewerb. Da gab es keine Gruppenphase, da ging es von der ersten Runde an ums Weiterkommen.“ Wenn man Pech hatte, dann traf man als Deutscher Pokalsieger oder auch Deutscher Meister gleich auf einen schweren Gegner – und konnte im schlechtesten Fall rausfliegen, ehe der Wettbewerb erst so richtig begann. Bei ihrer Premierensaison auf europäischem Parkett hatten die Bayern jedoch einen ordentlichen Durchmarsch hingelegt. „Wir hatten nur gegen Rapid Wien im Viertelfinale ein paar Probleme und sind erst in der Verlängerung weitergekommen. Ansonsten haben wir es ganz gut durchgebracht“, sagt Roth, der auch in der ersten Runde getroffen hatte. Beim 1:1-Unentschieden im Hinspiel beim tschechischen Tatran Presov. Ohne dieses Tor nämlich wäre der FC Bayern aufgrund der Auswärtstore-Regel – das Rückspiel in München endete 3:2 für die Bayern – nämlich ausgeschieden.
Im Gedächtnis aber bleibt der Lupfer aus dem Endspiel. Der 71-Jährige, der in Bad Wörishofen seit vielen Jahren ein Sportgeschäft betreibt, wird auch heute noch auf seinen Siegtreffer von Nürnberg angesprochen. „Viele wissen das noch. Und viele kommen zu mir und sagen: ’Ich war in Nürnberg dabei, als Sie das Tor geschossen haben’“, sagt er und schiebt mit einem Lachen nach: „In Bad Wörishofen gibt es halt einige alte Leute.“