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Festival der Nationen: Ein Beethoven für das 21. Jahrhundert

Festival der Nationen

Ein Beethoven für das 21. Jahrhundert

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    Rudolf Buchbinder brillierte zur Eröffnung des Festivals der Nationen am Freitagabend am Flügel. Dazu gratulierte der künstlerische Leiter des vbw-Festivalorchesters, Christoph Adt. <b> 	Foto: Bernhard Feil</b>
    Rudolf Buchbinder brillierte zur Eröffnung des Festivals der Nationen am Freitagabend am Flügel. Dazu gratulierte der künstlerische Leiter des vbw-Festivalorchesters, Christoph Adt. <b> Foto: Bernhard Feil</b> Foto: Bernhard Feil

    Bad Wörishofen Den musikalischen Nachwuchs zu fördern, ist seit langem ein Grundanliegen des „Festivals der Nationen“. Wie diese Motivationsarbeit gelingen kann, wurde am vergangenen Wochenende bei zwei Konzerten in wunderbarer Weise vorgeführt.

    Das Konzept für die Bad Wörishofer Talentschmiede ist durchdacht und seit Jahren gewachsen. Traten früher vorwiegend junge Solistinnen und Solisten auf, wird seit einigen Jahren insbesondere dem vbw-Festivalorchester beim „Festival der Nationen“ ein Podium geboten, sich zu präsentieren und große Konzerte zu geben. Das Orchester hat seinen Namen von seinem Hauptunterstützer, der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. In diesem Jahr wiesen die Festivalmacher Winfried und Werner Roch dem Orchester sogar den Platz des Eröffnungskonzertes zu.

    Dieses sollte das Orchester ursprünglich, ebenso wie das zweite Konzert am Samstagabend, zusammen mit der Ausnahmepianistin Hélène Grimaud gestalten. Nachdem diese wegen einer Schulterverletzung kurzfristig abgesagt hatte (wir berichteten), gelang es der Festivalintendanz, für die ersten beiden Konzerte des diesjährigen Festivals zwei exzellente Vertretungen zu organisieren: Rudolf Buchbinder am Freitag und Igor Levit am Samstag. Alleine die Namen der Solisten am Piano versetzen wohl Musikinteressierte ins Schwärmen.

    Obwohl die meisten der Mitglieder des vbw-Orchesters in ihren jungen Jahren bereits über eine gewisse Routine im Orchesterspiel verfügen, dürfte die Vorfreude groß gewesen sein, mit Meistern ihres Faches wie Buchbinder oder Levit gemeinsam musizieren zu können.

    Dabei wurde ihnen einiges abverlangt, denn zum Fördern gehört immer auch das Fordern. In kurzer Zeit mussten die talentierten Nachwuchsmusiker sich auf zwei unterschiedliche Musikerpersönlichkeiten einstellen. In nur einer guten Stunde vor Konzertbeginn fanden die einzigen Proben mit den Solisten des Abends statt, war aus Orchesterkreisen zu hören. „Das ist total spannend, welche Interpretation die Solisten sich wünschen“, berichtete Sophia Jellema nach dem Konzert begeistert.

    Gerade wegen der unterschiedlichen Vorstellungen der Solisten hätten die jugendlichen Musiker schnelles Erfassen, eine ausgeprägte Konzentrationsfähigkeit und ein Höchstmaß an Kondition kennengelernt, meinten die 16-jährige Sophia Jellema, die im vbw-Orchester Cello spielt, die 14-jährige Cellistin Cosima Querner und der 14-jährige Geiger Lorenzo Giannotti nach den beiden Konzerten. Ihre Beurteilung zeugt von der erfolgreichen und umfangreichen Förderung der jungen Musikerinnen und Musiker beim vbw-Orchester unter der künstlerischen Gesamtleitung von Professor Christoph Adt, dem Präsidenten der Hochschule für Musik in Nürnberg.

    Dass sie ihr Musizieren nicht nur erstaunlich reif reflektieren, sondern auf hohem Niveau große Werke der Musikliteratur interpretieren können, bewiesen die jungen Musiktalente einmal mehr im Bad Wörishofer Kursaal. Wie das vbw-Orchester zusammen mit Rudolf Buchbinder Beethovens 4. Klavierkonzert in G-Dur gestalteten, kann auf der Seite Feuilleton im überregionalen Teil dieser Ausgabe nachgelesen werden. Zusammen mit Igor Levit gelang ein schier unglaublich gutes Musizieren auf Augenhöhe. Levit und das Orchester kosteten das bei Beethoven angelegte Spiel der Verteilung zwischen Orchester und Solist regelrecht aus.

    Dabei tritt permanent neu der Solist im Wechsel mit einzelnen Instrumentengruppen in den Vordergrund. Fast scheint es, als ob Hierarchien aufgelöst würden, zugunsten einer demokratischen Art des Musizierens: jeder darf einmal etwas sagen, während die anderen zuhören, im Wissen, gleich selbst zu Wort zu kommen. Wie viel könnte unsere Zeit davon lernen, gerade wenn das Musikmachen so überzeugend kultiviert dargeboten wird wie am Samstagabend beim „Festival der Nationen“!

    Levit beherrscht den unaufdringlich-leichten Anschlag, ebenso wie den kraftvoll-energischen, den er bei Beethoven jedoch so gut wie nie erklingen lässt. Mit seiner auffälligen, meist freundlich-fordernden Mimik hält er gemeinsam mit Christoph Adt die musikalische Spannung und die Präsenz unter den jungen Musikerinnen und Musikern hoch. Die ihm alleine überlassenen Passagen gestaltet er sehr mutig, beinahe experimentell, insbesondere dann, wenn er größere Abschnitte durch lange gehaltenes Pedal ineinander klingen lässt und somit einen Beethoven für das 21. Jahrhundert zu schaffen versucht.

    Auch seine Tempi und die Tempoveränderungen sind beachtenswert und ansprechend und beweisen, dass dieses Klavierkonzert zu den großen Werken der Musikgeschichte gehört. Es ist eines, das man gar nicht oft genug hören kann, auch weil die Interpretationsvarianten wohl noch lange nicht ausgeschöpft sind. Eine weitere Aufführung dieses Klavierkonzerts gestalteten die Musikerinnen und Musiker des vbw-Orchesters bereits gestern. Sie spielten ihr in Bad Wörishofen einstudiertes und präsentiertes Beethoven-Programm in Fischen im Allgäu. Dabei mussten sie sich übrigens auf die dritte Solistin einstellen: Olga Scheps übernahm den Klavierpart.

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