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Ettringen: O’zog’n is: Ein Besuch im Trachtenmarkt Ettringen

Ettringen

O’zog’n is: Ein Besuch im Trachtenmarkt Ettringen

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    Für ein komplettes Trachten-Outfit muss man in der Regel den Geldbeutel weit aufmachen. Diese Kombination unseres Volontärs mit Schuhen, Strümpfen, Lederhose, Gürtel, Hemd und Weste aus dem Trachtenmarkt in Ettringen kostet dagegen gerade einmal 114,50 Euro.
    Für ein komplettes Trachten-Outfit muss man in der Regel den Geldbeutel weit aufmachen. Diese Kombination unseres Volontärs mit Schuhen, Strümpfen, Lederhose, Gürtel, Hemd und Weste aus dem Trachtenmarkt in Ettringen kostet dagegen gerade einmal 114,50 Euro.

    Ettringen Noch vor dem Blick in den Spiegel spricht der Gesichtsausdruck von Edeltraud Böck Bände: Das mit dem Hut lassen wir lieber bleiben. Wer würde da widersprechen wollen? Wenn es um Trachten geht, hat im Unterallgäu schließlich kaum jemand so ein geschultes Auge wie

    Auch wenn im Einzelfall die Suche nach einem geeigneten Hut letztlich ohne Erfolg bleiben muss: In Ettringen findet man – fast – alles, was mit Tracht zu tun hat, und das auch in entsprechender Fülle. „Die Nachfrage ist nach wie vor hoch. Wenn Sie heute in ein Festzelt gehen – Sie sehen nur Tracht“, sagt Böck. „Die Leute wollen das ganz einfach tragen.“ Um den großen Bedarf zu decken, kauft der Secondhand-Shop sogar Kleidung von anderen Sammlungen und Sortierbetrieben auf.

    Tatsächlich sind die Reihen zwischen Lederhosen und Dirndl, Trachtenjankern und Blusen dicht gefüllt. Manche stöbern sich unbefangen von einer Kleiderstange zur nächsten, andere marschieren zielstrebig zum Kleidungsstück ihrer Wahl. Ist man sich unsicher, werden notfalls auch Fremde eingespannt. Eine Frau, die gerade einen Trachtenrock probiert, bittet eine andere, etwas ältere Frau um Rat. „Schauen’S, bin ich da hintenrum nicht zu füllig?“ Antwort: „Na, der schaut gut aus.“ Antwort: „Gut, dann nehm ich’s. Dank’schön!“

    Viele suchen Individualität im Trachtenmarkt Ettringen

    Senta Kloss kommt seit Jahren regelmäßig aus Kaufbeuren nach Ettringen. Sie erzählt von einem Dirndl, das sie einst woanders gefunden hatte. „Es war aus den 70er-Jahren, wunderschön. Nur die passende Bluse fehlte“, sagt Kloss. „Dann kam ich hierher und ging mit genau der richtigen Bluse wieder raus – nachdem ich zuvor monatelang gesucht hatte.“

    Die Kundin bringt damit auf den Punkt, was viele neben den günstigen Preisen und dem Glauben, etwas Gutes zu tun, nach Ettringen lockt: das Versprechen von Individualität. „Das zeichnet uns aus“, sagt Edeltraud Böck. „Wenn heute jemand so ein Dirndl kauft, gibt es unter Tausend nicht nochmal so eins.“ Dass es deshalb die meisten Kleidungsstücke nur in einer bestimmten Größe gibt, gehört zum Konzept. Ein Konzept, das seit der Eröffnung 1996 funktioniert.

    Und doch macht ein Trend der gesamten Modebranche dem Betriebsleiter Wolfgang Unger Sorgen: Fast Fashion. „Es kommt immer mehr Kleidung in immer schlechterer Qualität auf den Markt – und so landet sie auch bei uns“, sagt Unger. Bessere Ware komme grundsätzlich aus Ballungszentren wie München. Dort seien die Leute auch wegen des Oktoberfestes eher bereit, Geld für hochwertige Trachtenkleidung auszugeben. Trotzdem wird das verwertbare Material insgesamt weniger, die Kosten für die Sammlung steigen. „Diese Entwicklung erschwert das Geschäftsmodell der Aktion Hoffnung momentan extrem“, sagt Unger.

    2000 Ehrenamtliche unterstützen die Aktion Hoffnung in Ettringen

    Trotzdem sind die Preise nach Aussage des Betriebsleiters seit Jahren konstant. Im Geschäft reicht die Spannweite von zehn Cent für einzelne Knöpfe bis maximal rund 60 Euro für eine Lederhose mit Gürtel. Jedes Kleidungsstück oder Accessoire des Trachtenmarkts wird von Edeltraud Böck einzeln bewertet. „Im Kopf hat man einen Grundpreis“, sagt Böck. „Dann kommt es auf das Kleidungsstück an. Bei der Lederhose zum Beispiel spielt die Stickerei eine Rolle, wie sie insgesamt aussieht. Aus der Erfahrung heraus legen wir dann den Preis fest.“

    Auf 60 zu 40 schätzt Böck das Verhältnis zwischen Frauen und Männern während des Trachtenmarkts. Im regulären Betrieb dagegen seien etwa 80 Prozent Kundinnen. Woran das liegt? „Eine Tracht ist wie ein Anzug: Da muss man einfach selber hingehen, um sie zu probieren“, sagt Betriebsleiter Unger. „Alles andere, einen Pullover zum Beispiel, nimmt eine Frau auch mal für ihren Mann mit.“ Dass sowohl Männer als auch Frauen überhaupt durch den Trachtenmarkt stöbern können, ist dem Einsatz von vielen Ehrenamtlichen geschuldet. Vier halbe Tage dauerte das Aufhängen der Kleidung, drei halbe Tage wurde der Saal eingerichtet. Insgesamt unterstützen laut Betriebsleiter Unger über das Jahr hinweg mehr als 2000 ehrenamtliche Helfer die Aktion Hoffnung und damit indirekt Entwicklungsprojekte auf der ganzen Welt. „Hier packen viele Hände gemeinsam an“, sagt Shopleiterin Edeltraud Böck. „Das hält den Laden hier am Laufen.“

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