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Pfaffenhausen: Corona-Jahr im Ringeisen-Werk: „Wer ist eigentlich diese Corinna?“

Pfaffenhausen

Corona-Jahr im Ringeisen-Werk: „Wer ist eigentlich diese Corinna?“

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    Julia Rampp und ihr Team im Dominikus-Ringeisen-Werk in Pfaffenhausen haben eigentlich immer gut zu tun. In Coronazeiten jedoch sind und waren sie ganz besonders gefordert.
    Julia Rampp und ihr Team im Dominikus-Ringeisen-Werk in Pfaffenhausen haben eigentlich immer gut zu tun. In Coronazeiten jedoch sind und waren sie ganz besonders gefordert. Foto: Rampp/DRW

    Wenn Julia Rampp am Anfang des vergangenen Jahres ihren Kalender geöffnet hat, war dieser gut gefüllt mit Terminen, Plänen, Projekten und Konzepten. „Alles hinfällig“, sagt sie heute darüber. Corona hat ihren Alltag auf den Kopf gestellt. Im Seniorenheim und der Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderung des Dominikus-Ringeisenwerks (DRW) in Pfaffenhausen war plötzlich nichts mehr so wie zuvor – und Julia Rampp und die knapp 280 DRW-Mitarbeiter in Pfaffenhausen mussten vor allem eines lernen: „Unfassbar flexibel zu sein.“

    35 Menschen leben im Seniorenheim, dazu kommen 140 Menschen mit Behinderung in der Wohneinrichtung des DRW. Sie sind blind oder sehgeschädigt, doch es gibt auch schwer mehrfach beeinträchtige Bewohner. Die meisten von ihnen können nicht wirklich erfassen, was hinter der Corona-Pandemie steckt – wie auch, wenn sich selbst nicht-behinderte Menschen damit oft schwertun? „Wer ist eigentlich diese Corinna?“ ist eine Frage, die sie auch heute noch stellen. Viele beschäftigt dieses Thema, sie haben Angst, zu erkranken. Gerade Veränderungen im Alltag führen bei ihnen erst einmal zu Unsicherheit und Sorge. Viel erklären, viel darüber sprechen, immer wieder – so versuchen die Mitarbeiter des DRW sie zu unterstützen und ihnen Antworten zu geben. Dabei haben sie selbst so viele Fragen, die sie im vergangenen Jahr beschäftigten.

    Viele Fragen haben sich die Mitarbeiter des Ringeisen-Werks gestellt

    Wie geht es in diesen Ausnahmemonaten blinden oder alten Menschen, für die Berührungen und soziale Kontakte besonders wichtig sind? Was können wir tun, wenn Menschen der gewohnte Tagesablauf fehlt, wenn sie deshalb orientierungslos oder verhaltensauffällig werden? Wie isolieren wir Menschen, die kein Zeitgefühl haben, die sich unwohl in unbekannten Räumen oder mit „vermummten“ Mitarbeitern fühlen? Wie erklären wir ihnen, warum sie ihre Freunde nicht mehr wie gewohnt treffen dürfen?

    Es ist ein Spagat, sagt Julia Rampp, besonders, wenn Bewohner etwa von einem Krankenhausaufenthalt oder einem Besuch bei den Eltern wieder in die Einrichtung zurückkommen: Einsteils sollen sie ja ihre Kontakte nach außen beibehalten, andererseits birgt jeder Kontakt eine potenzielle Gefahr für die anderen Bewohner. Quarantäne-Maßnahmen und eine mit dem Gesundheitsamt abgesprochene Teststrategie sollen die Gefahr klein halten.

    „Wir haben sämtliche Abläufe auf den Kopf gestellt und unglaublich dazugelernt“, sagt die 45-Jährige. Strenge Hygienestandards wurden noch einmal verbessert, Notfallpläne gemacht und – anders als zu Beginn der Pandemie – sind nun auch genügend Schutzmaterialien für die Mitarbeiter vorhanden. Von Stoffmasken am Beginn des Lockdowns stiegen sie auf chirurgische Masken um, jetzt tragen sie im Ringeisenwerk seit Wochen FFP-2-Masken. „Das ist sehr anstrengend, vor allem bei körpernaher Betreuung oder beim Baden“, sagt Rampp.

    Die kleinen Einheiten in Pfaffenhausen sind als Corona-Strategie hilfreich

    Die kleinen Einheiten mit maximal 15 Bewohnern, die es schon vor Corona im DRW in Pfaffenhausen gegeben hatte, wirken sich nun positiv auf das Schutzkonzept aus. Das Ziel: Selbst wenn das Virus ausbrechen sollte, soll es auf einen überschaubaren Bereich begrenzt bleiben. Gruppenübergreifende Angebote wie Gottesdienste, Feste oder einfach mal ein gemeinsamer Nachmittag mit Kaffee und Kuchen sind seit Corona gestrichen. Die Werkstätten und Förderstätten wurden teils geschlossen, Mitarbeiter von dort kamen zur Arbeit auf die Wohngruppen, auch die Quarantäne wurde gemeinsam mit dem örtlichen Seniorenheim geregelt.

    Das hatte auch etwas Gutes: Viele im Team hätten diesen bereichsübergreifenden Einsatz als sehr bereichernd empfunden, sagt Julia Rampp. Sie selbst ist begeistert von ihren Mitarbeitern, die regelmäßig spontan einspringen mussten, etwa weil Kollegen in Quarantäne waren oder sie sich um einen Betreuten in Quarantäne kümmern sollten. „Jeder schluckt und sagt trotzdem: Ich werde gebraucht und ich bin da.“ Seit Monaten beweise ihr Team täglich Flexibilität, weil sich ständig der Dienstplan ändere, sagt die 45-Jährige voller Hochachtung. Hinzu komme die Angst vor der Ansteckung: „Viele planen ihr persönliches Leben deshalb ganz sorgfältig.“

    Warum die Mitarbeiter des Ringeisen-Werks oft unzufrieden waren

    Und dennoch gingen die Mitarbeiter im vergangenen Jahr oft unzufrieden von der Arbeit nach Hause. Sie wollten doch eigentlich anderen Menschen Lebensqualität schenken und nicht tausende Listen über Körpertemperaturen, Besucher und Reinigungen führen, ständig Ganzkörper-Schutzkleidung wechseln, sich hinter einer „Maske“ verstecken, rennen und tun – und am Ende doch ohne Erfüllung nach Hause gehen. „Man gerät im Alltag schon an Grenzen“, sagt Rampp im Hinblick auf den Personalschlüssel. „Und dann kam noch Corona dazu.“ Sie und ihre Kollegen wünschen sich mehr Zeit für die Menschen, um die sie sich kümmern.

    Dass diese vermeintlich „Schwächeren“ der Gesellschaft viel Stärke in sich tragen, hat Corona aber auch gezeigt. Beeindruckt ist Julia Rampp etwa davon, wie gut die Bewohner die neuen Hygienemaßnahmen umgesetzt und mitgetragen haben – auch wenn sie deren Sinn vielleicht nicht immer verstanden haben. Sie hätten im vergangenen Jahr viele Einschränkungen erfahren und sich auf viel Neues einlassen müssen. Dass Betreute und Kollegen so lang wie möglich gesund bleiben, den Zusammenhalt bewahren und den Mut nicht verlieren – das wünscht sich Julia Rampp für 2021. „Ich glaube ganz fest daran, dass sich im Verlauf dieses Jahres etwas zum Positiven ändern wird.“

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