Startseite
Icon Pfeil nach unten
Mindelheim
Icon Pfeil nach unten

Corona: Im Klinikum Mindelheim gibt es keine Verschnaufpausen mehr

Corona

Im Klinikum Mindelheim gibt es keine Verschnaufpausen mehr

    • |
    Die Corona-Pandemie stellt auch das Mindelheimer Klinikum vor große Herausforderungen. Ärzte und Pfleger arbeiten bis zur Erschöpfung und auch Patienten, die nicht infiziert sind, bekommen die Auswirkungen zu spüren.
    Die Corona-Pandemie stellt auch das Mindelheimer Klinikum vor große Herausforderungen. Ärzte und Pfleger arbeiten bis zur Erschöpfung und auch Patienten, die nicht infiziert sind, bekommen die Auswirkungen zu spüren. Foto: Johann Stoll

    Es gibt keine Verschnaufpausen mehr, und das seit einem Jahr. Im Mindelheimer Krankenhaus arbeiten Pflegekräfte und Ärzte jeden Tag bis zum Anschlag. Heuer im Februar gab es zwar ein paar Tage, da lag tatsächlich kein einziger Covid-19-Patient im Klinikum. Das Virus schien da aber nur kurz innegehalten zu haben, um mit umso größerer Wucht wieder über das Unterallgäu herzufallen.

    Die dritte Corona-Welle ist in vollem Gange, die Betten füllen sich wieder. Bei einer Infektionsrate von etwas über 200 Fälle pro Woche auf 100.000 Einwohner im Unterallgäu kann sich der Ärztliche Direktor Dr. Manfred Nuscheler ausrechnen, dass es innerhalb der nächsten zehn Tage einen weiteren Anstieg der Patientenzahlen am Krankenhaus geben wird. Erst danach besteht Aussicht auf Besserung.

    Im Erdgeschoss des Klinikums wurde inzwischen eine weitere Abteilung nur für Viruserkrankte freigemacht. Die Patienten müssen konsequent isoliert werden, dazu braucht es Platz. Es gibt ja nicht nur Viruserkrankte. Die ersten zwei Corona-Jahre sind auch deshalb für das Personal so fordernd, weil der Normalbetrieb weiter laufen muss.

    In Mindelheim müssen Operationen verschoben werden

    Allerdings müssten immer wieder Patienten vertröstet werden, die auf eine Operation warten. Das ist die andere Seite der Medaille. Nuscheler erzählt von frustrierten Patienten, die mit Schmerzen leben müssten, weil es einfach keine Kapazitäten für einen Eingriff gibt. Und sollte es einmal zu einem schweren Unfall mit mehreren Schwerstverletzten kommen, könnte das Klinikum schnell an seine Grenzen kommen und Patienten abweisen müssen.

    Auch für die Pflegekräfte ist das alles nicht einfach. Für jeden kurzen Besuch muss eigens Schutzkleidung getragen werden. Besuche sind grundsätzlich nicht möglich. „Das deprimiert viele Patienten“, sagt Nuscheler.

    Katharina Spieß leitet die Intensivstation, auf der die schwer erkrankten Covid-Patienten behandelt werden. Acht Intensivbetten hält das Mindelheimer Krankenhaus vor. Fünf davon sind für Covid-Patienten reserviert. Aktuell belegt sind zwei. Im Extremfall könnte ein weiteres Bett dazu kommen.

    Eine künstliche Lungenmaschine gibt es in Mindelheim nicht

    Dazu gibt es noch eine eigene Covid-Station mit weniger schwer Erkrankten, in der derzeit 17 Menschen versorgt werden. Eine künstliche Lungenmaschine hält das Mindelheimer Krankenhaus nicht vor. Die gibt es in Immenstadt, Augsburg oder Ulm.

    Manfred Nuscheler
    Manfred Nuscheler

    Immerhin hat sich die Lage für die Klinik-Mitarbeiter deutlich verbessert. Weil sie inzwischen alle durchgeimpft sind, kommt es im Krankenhaus praktisch zu keinen Ansteckungen mehr. „Die Impfung wirkt!“, betont Nuscheler. Auch Senioren sind inzwischen weitgehend geimpft, sodass kaum noch Hochbetagte behandelt werden müssen.

    Dafür kommen nun die Jüngeren. Waren die Patienten bei der zweiten Welle noch im Schnitt 70 Jahre und älter, sind die jetzt Betroffenen 40 bis 70. Jüngste Patientin kürzlich war eine 43-jährige Frau, die auf der Intensivstation versorgt wurde.

    Rundumpflege in drei Schichten

    Die Patienten werden rund um die Uhr betreut. Gearbeitet wird in drei Schichten mit vier Krankenpflegern. Jeder kümmert sich um zwei bis drei Patienten, sagt Spieß. Der erste Blick gilt dabei immer den Sauerstoffwerten. Dabei hat sich in den vergangenen Monaten etwas verändert: Weil die Patienten im Schnitt jünger sind, verkraften sie die Viruserkrankung zu Beginn meist besser als Ältere.

    Katharina Spieß
    Katharina Spieß

    Aber es kam auch zu dramatischen Verschlechterungen des Zustands. Ein Fall ist Katharina Spieß dabei besonders nahe gegangen. Sie kannte den Betroffenen. Es war ein männlicher Patient, noch keine 60 Jahre alt, dessen Befinden sich plötzlich rapide verschlechtert hatte, so sehr, dass sein Leben nicht mehr zu retten war. „Das war mein Nachbar.“

    Viele kommen völlig mutlos im Krankenhaus an. „Sie haben eine negative Einstellung, dass sie es nicht schaffen werden“, weiß Spieß. Die Helfer versuchen sie dann erst einmal aufzubauen und zu ermuntern, dass sie es gemeinsam packen werden. So mancher, dem geholfen werden konnte, ist unendlich dankbar. Nuscheler berichtet von Dankesbriefen, die zu Herzen gehen.

    Alle sind müde von den Einschränkungen

    Dabei würden alle das Thema Corona gerne ad acta legen. Nicht nur die Bevölkerung ist müde von den Einschränkungen. Auch die Mitarbeiter in den Kliniken sind es. Nuscheler ist aber skeptisch, dass das bald gelingen kann.

    Seiner Meinung nach ist die Politik zu zögerlich. Ein harter Lockdown wäre eigentlich notwendig, so wie es Portugal vorgemacht hat, nachdem das Land nach Weihnachten noch schwer getroffen war. Die Infektionsrate insgesamt sei viel zu hoch, zumal im Unterallgäu die britische Variante sich durchgesetzt hat, die als ansteckender gilt. Viele Erkrankte führen zu vermehrten Mutationen des Virus.

    Je mehr Erkrankte, desto mehr Mutationen

    Nur in einem erkrankten Menschen könne sich das Virus verändern. Je mehr Erkrankte also, desto mehr Mutationen, von denen einzelne wiederum besonders gefährlich sein können. Indien erlebt gerade diesen Albtraum. Im Januar noch hatte sich das Land sicher gewähnt, die Pandemie überwunden zu haben.

    Und was sagt der Mediziner all jenen, die all die Einschränkungen nicht mehr mittragen wollen? „Wenn wir es schaffen, die große Mehrheit zu überzeugen, ist es verkraftbar, wenn ein paar Prozent ausscheren.“ Und der Ärztliche Direktor fügt hinzu: Jeder hat das Recht auf Unvernunft.

    Mehr zum Mindelheimer Krankenhaus lesen Sie hier:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden