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Bad Wörishofen: Was bringt die Steuersenkung den Wörishofer Bürgern und Gästen?

Bad Wörishofen

Was bringt die Steuersenkung den Wörishofer Bürgern und Gästen?

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    Streichkonzert in Sachen Mehrwertsteuer: Am 1. Juli sinkt die Abgabe bis zum Jahresende.
    Streichkonzert in Sachen Mehrwertsteuer: Am 1. Juli sinkt die Abgabe bis zum Jahresende. Foto: Bernd Feil

    Der 1. Juli rückt näher und damit die befristete Senkung der Mehrwertsteuer in der Corona-Krise. Diese Maßnahme der Bundesregierung beschäftigt Geschäftsführer und Verbraucher gleichermaßen – und es gibt Kritik. „Dilettantisch“ sei das Ganze von den politisch Verantwortlichen umgesetzt worden, sagt etwa Hubert Rudi Böser vom Modehaus Ländle in Bad Wörishofen.

    Wer mit Einzelhändlern in Bad Wörishofen spricht, erfährt zudem, dass manche Kunden geplante Anschaffungen bereits in den Juli verlegt haben. Sie hoffen auf günstigere Preise. Von Juli bis zum Jahresende sinkt die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent, im vergünstigten Bereich von 7 auf 5 Prozent. Bis dahin müssen die Händler entschieden haben, ob sie diese Senkung an die Kunden weitergeben – und mit der Umstellung fertig sein.

    Den Vorteil weitergeben oder nicht - so entscheiden Wörishofer Händler

    „Wir müssen unser ganzes Bonusystem umstellen“, sagt beispielsweise Peter Kranz. Der Optiker ist stellvertretender Vorsitzender der Aktiven Einzelhändler Bad Wörishofen. Er sagt ganz offen, dass er anfangs schon überlegt habe, ob er die Steuersenkung weitergeben soll. „Sie täte auch uns gut, um die Verluste dieser schrecklichen Zeit zu kompensieren“, verdeutlicht der Geschäftsinhaber. Letztlich hat sich Kranz aber für den Nachlass entschieden. „Wir wollen den gewünschten Kaufanreiz schaffen, unsere Kunden sollen von der Senkung profitieren.“ Kranz sagt, es wäre „jetzt ein schlechtes Zeichen, wenn wir das für uns behielten.“ Zuletzt hatte die Ankündigung des deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes für Kritik gesorgt, die Steuersenkung nicht weiterzugeben.

    „Der Aufwand ist schon wahnsinnig“, berichtet eine Geschäftsfrau aus Bad Wörishofen

    Beim Bürotechnik- und Fahrradhändler Osswald in Bad Wörishofen sollen die Kunden ebenfalls profitieren. Auch bei Osswald bestimmt die Mehrwertsteuersenkung derzeit weite Teile des Arbeitstages. Praktisch alle Verträge müssten überprüft und geändert werden, heißt es. „Der Aufwand ist schon wahnsinnig“, sagt Heike Osswald. Dieser Aufwand stehe auch in keinem Verhältnis zum voraussichtlichen Ergebnis. Ob der Fahrradhelm eher gekauft wird, wenn er 2,5 Prozent billiger ist, zweifelt man bei Osswald an. Deutlicher wird Hubert Rudi Böser vom Modehaus Ländle in Bad Wörishofen. „Für den Einzelhandel ist das eine Nullrechnung, die ins Minus geht“, sagt der erfahrene Geschäftsmann. „Die Maßnahme ist praxisfremd und undurchdacht“, kritisiert Böser: „Für uns ist das ein Aufwand, der nichts bringt.“ Vor allem in der Buchhaltung müsse eine enorme Vorarbeit geleistet werden, schildert er. Auch die Steuerberater hätten derzeit alle Hände voll zu tun. Und in sechs Monaten wiederhole sich das Ganze dann.

    Peter Kranz
    Peter Kranz Foto: Helmut Bader

    An einen Kaufanreiz durch die Mehrwertsteuersenkung in der Modebranche glaubt Böser nicht. Er hätte sich eher gewünscht, dass die Regierung mit Wertgutscheinen für die Bürger versucht, diese Anreize zu schaffen.

    Den Steuervorteil will Böser an seine Kunden weitergeben. Sichtbar werde dies aber wohl kaum werden, denn „bei uns und in der gesamten Branche beginnt jetzt dann der Sommerschlussverkauf“, sagt Böser. Da seien die Rabatte ohnehin höher als die Steuersenkung. „Und wenn im August die Herbstware eintrifft, ist die Mehrwertsteuersenkung schon eingepreist.“ Wie die Händler die Steuersenkung an ihre Kunden weitergeben, ist ihnen selbst überlassen. Optiker Kranz will das direkt an der Kasse erledigen. „Ich werde jetzt nicht meine rund 1000 Brillen neu auspreisen und das dann in sechs Monaten wieder ändern“, sagt er. Auch Kranz glaubt nicht an den großen Ansturm der Kunden. „Ich glaube nicht, dass jetzt jemand größere Anschaffungen macht, die er eigentlich nicht braucht, dafür sind die Zeiten zu unsicher“, sagt er. Viele Menschen seien in Kurzarbeit, auch Kranz setzt das Mittel ein. „Ohne wäre es schwer geworden“, sagt er. Er selbst habe zwischendurch immerhin nicht schließen müssen, für Optiker galt die Sonderregelung der Corona-Beschränkungen.

    Warum nun alle Beteiligten hoffen, dass bald wieder mehr Touristen kommen

    Wie Böser, hofft nun auch Kranz, dass bald wieder mehr Touristen nach Bad Wörishofen kommen, die Kundenfrequenz wieder steigt. „Shoppen mit Maske macht den Wenigsten Spaß“, sagt Kranz. Gleichwohl hätten Maßnahmen wie diese geholfen, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Auch Böser sagt, dass die Masken mit ein Grund seien, warum den Menschen derzeit die Lust am Einkaufen fehle.

    Zudem werde man als Einzelhändler in einer Kurstadt doppelt schwer getroffen. „Wir haben Waren für Menschen bestellt, die nun einfach nicht da sind“, sagt er zur touristischen Situation.

    Hubert R. Böser
    Hubert R. Böser Foto: Harald Klofat

    Das die Therme seit mehr als 100 Tage geschlossen ist, habe sich ebenfalls ausgewirkt. Immerhin: Das Großbad wird am 27. Juni wieder aufmachen, die neuen Corona-Regeln lassen dies zu. Wie viel am Tourismus hängt, zeigt Kranz noch mit einem anderen Beispiel, jenem von Bäckern, die normalerweise Hotels beliefern, die zwischendurch ebenfalls schließen mussten.

    Positive Signale aus einer Branche, die einen Ansturm erlebt

    Dass es auch positive Signale gibt, weiß man bei Osswald. Auf Fahrräder gab es einen regelrechten Ansturm. „Wir sind gut durch diese Zeit gekommen“, sagt Thomas Osswald, trotz Lieferschwierigkeiten, die es gegeben habe. „Wir stellen außerdem fest, dass teure Dinge gekauft werden“, sagt Heike Osswald.

    Thomas Osswald
    Thomas Osswald

    Dass die Mehrwertsteuersenkung etwa bei Autokäufen oder Hausbauten ihre Berechtigung habe, sagt auch Modehändler Böser. „Da wird der Effekt dann schon sichtbar.“ Insgesamt habe er aber das Gefühl, dass „man da eher an die Großen gedacht hat“, sagt er zu der Maßnahme.

    „Wir werden wohl mit einem blauen Auge davonkommen“, sagt Böser zur Corona-Krise. Auch, weil man im eigenen Gebäude keine Miete zahlen müsse.

    „Von anderen erhalte ich Signale, dass die Lage nicht gut ist, oft da, wo Miete bezahlt werden muss“, berichtet er.

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