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Bad Wörishofen: Tödlicher Gewaltexzess im ehemaligen Kurheim - Angeklagte schweigen

Bad Wörishofen

Tödlicher Gewaltexzess im ehemaligen Kurheim - Angeklagte schweigen

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    Seit Montag müssen sich drei Männer vor dem Schwurgericht Memmingen verantworten, die im September einen Mitbewohner in einem Wohnheim auf außergewöhnlich brutale Weise totgeschlagen haben sollen.
    Seit Montag müssen sich drei Männer vor dem Schwurgericht Memmingen verantworten, die im September einen Mitbewohner in einem Wohnheim auf außergewöhnlich brutale Weise totgeschlagen haben sollen. Foto: Max Kramer

    Der jüngste der drei Angeklagten zappelt mit dem rechten Bein, nervös spielt er mit seinem weiß-grün-schwarzen Rosenkranz. Es ist kurz vor 12 Uhr, gleich endet die zweite Verhandlungspause. Wenige Minuten zuvor hat der 33-Jährige angekündigt, eine Aussage zum Tathergang zu machen. Als einziger von drei Angeklagten. Dann erscheint Richter Christian Liebhart, der Angeklagte lässt seinen Rosenkranz in der rechten Hosentasche verschwinden – und sagt dann, dass er jetzt doch nichts sagen will.

    Anklage wirft den Männern "gemeinschaftlichen Totschlag" vor

    Vor dem Landgericht Memmingen deutet sich ein langwieriger Prozess an. Auf der Anklagebank sitzen drei Männer, die in der ehemaligen Sowjetunion geboren wurden, aber auch deutsche Pässe haben. Die Vorwürfe gegen sie wiegen schwer: Die Männer sollen am 4. September 2018 in einem Wohnheim in Bad Wörishofen – dem früheren Kurhotel „Raffler“ – abwechselnd auf einen Bekannten eingeprügelt haben – so lange, bis dieser sich nicht mehr bewegte und schließlich starb. Die Anklage lautet deshalb auf „gemeinschaftlichen Totschlag“.

    Das Opfer erlitt durch über 60 Schläge und Tritte unter anderem ein schweres Schädel-Hirn-Trauma – als Todesursache wird jedoch Ersticken angegeben. Ein Nasenbeinbruch war wohl dafür verantwortlich, dass der bewusstlose Mann aufgrund von Einblutungen keine Luft mehr bekam und qualvoll erstickte.

    Prozess in Memmingen: Angeklagte schweigen vor Gericht

    Wie es genau zu dem Gewaltexzess kam, darüber hüllten sich die Angeklagten am ersten von insgesamt sechs angesetzten Verhandlungstagen also in Schweigen. Nach Angaben von Staatsanwalt Thomas Hörmann hatte der Älteste der drei Angeklagten, ein 56-Jähriger mit russischer und deutscher Staatsangehörigkeit, bereits am Mittag des 4. September 2018 damit begonnen, sich in seinem Zimmer zu betrinken. Mit dabei war auch sein Zimmernachbar – das spätere Opfer.

    Wie Staatsanwalt Hörmann erklärte, gesellten sich im Lauf des Nachmittags und Abends die beiden anderen Angeklagten dazu. Auch sie hätten Bier und Wodka in erheblichem Maße getrunken. Um etwa 0.30 Uhr sei es schließlich im Zimmer des späteren Opfers zu dem folgenschweren Meinungsstreit gekommen, in dessen Verlauf der jüngste Angeklagte dem damals 46-Jährigen ins Gesicht schlug. Warum, sei derzeit noch unklar.

    Nach Schilderungen des Staatsanwalts gingen daraufhin auch die beiden anderen Angeklagten auf das Opfer los. Abwechselnd sollen zwei der mutmaßlichen Täter den 46-Jährigen festgehalten haben, während der Dritte zuschlug und -trat. Sie ließen von dem „völlig wehrlosen“ Mann erst ab, als er bewegungslos und bäuchlings auf dem Boden lag. Anschließend misshandelten sie ihn mit einer der geleerten Wodka-Flaschen, der 33-jährige Angeklagte dokumentierte das mit einem Foto. Danach legten die drei Tatverdächtigen den Mann in sein Bett, reinigten ihn und das Zimmer oberflächlich und zogen dem Opfer anschließend die Decke über den Kopf – ein Vorgehen, das an Grausamkeit kaum zu überbieten ist, wie es im Vorfeld ein Gerichtssprecher formuliert hatte.

    Auch wenn sich die Tatverdächtigen vor Gericht vorerst nicht zum Tathergang äußern wollten, machten sie zumindest persönliche Angaben. Die Biografien, die sie dabei jeweils skizzierten, ähneln einander. Alle drei wurden im heutigen Kasachstan geboren und kamen in den 90er-Jahren mit ihren Familien nach Deutschland. In den Monaten vor der Tat wechselten sie mehrfach die Arbeit, waren zwischenzeitlich arbeitslos. Auch von instabilen familiären Verhältnissen sprachen alle drei. Hauptursache hierfür war nach Angaben der Angeklagten meist regel- und übermäßiger Alkoholkonsum.

    Der Alkohol floss wohl vor der grausamen Bluttat in Bad Wörishofen in Strömen

    Der Älteste der Angeklagten sprach etwa davon, in den Monaten vor der Tat oft täglich eine Flasche Wodka und zusätzlich mehrere Flaschen Wein getrunken zu haben. Dennoch bestritt er, alkoholabhängig zu sein: „Ich sehe doch einem Alkoholiker gar nicht ähnlich. Als Alkoholiker hätte ich nicht 13 Jahre in Deutschland arbeiten können.“

    Für den 56-Jährigen, der seit 1996 in Deutschland lebt, übersetzte vor Gericht ein Dolmetscher. Die beiden anderen Angeklagten äußerten sich mehrfach schwer verständlich und mit starkem Akzent.

    Sie widersprachen sich zudem auch in kleineren, biografischen Details. Die Verhandlung wird am Donnerstag fortgesetzt.

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