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Bad Wörishofen: Nach dem Krieg: Wie Wörishofen wieder auf die Beine kam

Bad Wörishofen

Nach dem Krieg: Wie Wörishofen wieder auf die Beine kam

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    Der Scharpf-Hof in Bad Wörishofen diente nach dem Kriegsende als Grundstück für eine Feldküche der amerikanischen Soldaten. Die Familie Scharpf musste das Haus vorübergehend verlassen.
    Der Scharpf-Hof in Bad Wörishofen diente nach dem Kriegsende als Grundstück für eine Feldküche der amerikanischen Soldaten. Die Familie Scharpf musste das Haus vorübergehend verlassen. Foto: Archiv Michael Scharpf

    Der Zweite Weltkrieg war seit ein paar Tagen vorbei, auch in Bad Wörishofen mühten sich die Bürger vor 75 Jahren wieder mit der Rückkehr in ein möglichst normales Leben. Doch was heute oft nicht bedacht wird: Die Zeit danach, bis Bad Wörishofen wieder zu dem gefragten Kurort in den 50er-Jahren wurde, war eine harte und für die Bevölkerung sehr entbehrungsreiche Zeit, auch für einige der bekanntesten Familien des heutigen Kurorts.

    Dies begann zunächst mit der Beschlagnahmung vieler Häuser durch die amerikanischen Soldaten. August Filser hat diese Tage unmittelbar nach dem Einmarsch als Schulbub auf dem damaligen Bauernhof seiner Eltern, dem ehemaligen Adamerhof, nördlich dem Gasthof Rössle, erlebt. Er erzählt: „Wir mussten innerhalb kürzester Zeit unser Wohnhaus verlassen. Direkt davor an der Hauptstraße schlugen die Truppen ihr Verpflegungszelt auf. Wir verbrachten die erste Nacht noch im Heustadel, danach wohnten wir, Eltern und fünf Kinder, für etwa sechs bis acht Wochen bei Nachbarn, die uns zum Glück aufnahmen. Die beiden polnischen Zwangsarbeiter, die während des Krieges bei uns mitarbeiteten, waren weg. Zum ersten Mal habe ich dunkelhäutige Menschen gesehen und für uns Buben war das alles sehr aufregend.“

    Auch für die Kinder in Bad Wörishofen war es eine harte Zeit, berichtet August Filser

    Dass es eine harte Zeit auch für Kinder war, wird aus den Worten schnell deutlich: „Mit acht oder neun Jahren mussten wir bereits in der Landwirtschaft mitarbeiten, Schulbesuch fand erst nach der Arbeit im Stall statt und wenn zu Hause mehr Arbeit anstand, auch schon mal erst um 10 Uhr. Als die Schulspeisung eingeführt wurde, gab es Suppe. Wenn wir Kakao bekamen, war das schon etwas Besonderem. Bei Lehrer Obermaier im Gasthof „Gary“ waren wir 71 Kinder.“

    Filser bestätigt aber auch, dass die Soldaten gerade zu den Kindern sehr freundlich gewesen seien. Es gab Süßigkeiten und Kaugummi und als ein Bub Zahnpasta mit Himbeergeschmack erhielt, habe er diese sogar gegessen. Beliebt bei den Buben war das Sammeln von Zigarettenresten, mit denen neue Zigaretten gedreht wurden.

    Michael Scharpf musste mit seiner Familie den heimischen Bauernhof verlassen

    Ganz ähnlich klingt die Schilderung eines weiteren Zeitzeugen. Michael Scharpf, Jahrgang 1934, wuchs auf dem „Mangamicheler-Hof“ bei der heutigen Pescatore-Kreuzung mit ebenfalls vier Geschwistern auf. Auch in diesem Vorgarten wurde eine Feldküche errichtet und die Familie musste für zwei bis drei Monate aus dem Haus. Sie fanden ebenfalls bei Nachbarn und Bekannten Unterkunft, obwohl es dort auch schon eng genug zuging. „Bei den Amerikanern waren zwei dabei, die deutsch sprachen, und so hatten wir guten Kontakt. Sie fragten nach Potatoes, Kartoffeln, und wir steckten ihnen Eier zu. Vieles musste natürlich heimlich geschehen. Dafür bekamen wir Süßigkeiten.“

    Als die Besatzung wechselte, richtete Scharpfs Vater sich im Haus ein heimliches Quartier mit eigenem Zugang ein, um auch „bei Nacht zu den Tieren zu können, was eigentlich verboten war.“ Auch Michael Scharpf lernte „Lucky Strike“ und „Camel“ aus den Zigarettenstummeln kennen. „Für uns Buben war das natürlich auch abenteuerlich. Einmal löste sich sogar im Haus ein Schuss, was böse hätte enden können. Aber für die Eltern war das schon auch noch länger eine harte Zeit“, so Michael Scharpf weiter.

    August Filser erlebte das Kriegsende als Schulbub in Bad Wörishofen.
    August Filser erlebte das Kriegsende als Schulbub in Bad Wörishofen. Foto: Wilhelm Unfried

    Für Bad Wörishofen aber begann der mühsame Weg zurück zu einem funktionierenden Gemeinwesen. Viele junge Männer waren aus dem Krieg nicht mehr zurückgekehrt oder noch in Gefangenschaft, so dass große Lasten auf den Schultern der Frauen lagen, wie eine Zeitzeugin ausdrücklich betonte. Die Häuser waren überfüllt mit gestrandeten Menschen aus Osteuropa, Amerikanern, Evakuierten aus den Städten und Juden aus den Konzentrationslagern. Daneben mussten die Felder bestellt werden. Dazu kamen die vielen Heimatvertriebenen aus den Ostgebieten, die untergebracht werden mussten. Hatte Wörishofen im Jahre 1939 rund 4300 Einwohner, so waren es 1946 fast 8400, davon ein Drittel Fremde.

    Der Tausch- und Schwarzhandel blühte in Bad Wörishofen

    Am 1. Februar 1946 wurde Anton Stöckle, der dieses Amt schon bis 1933 ausgeübt hatte, wieder zum ehrenamtlichen Bürgermeister und dazu der Gemeinderat gewählt. Er stand vor wahrlich keiner leichten Aufgabe. Vor allem die Unterbringung der vielen Fremden gestaltete sich schwierig und ging nicht immer ohne Missstimmung ab. Die Entnazifizierung wurde von den Amerikanern durchgeführt, Tausch- und Schwarzhandel blühten, denn für die Reichsmark konnte man sich fast nichts mehr kaufen. Lebensmittelkarten und rationierte Bezugsscheine dienten der Überbrückung bis zum wichtigen Schritt der Währungsreform 1948. Ganz schnell waren danach die Läden wieder mit Waren gefüllt.

    So sah der Hof der Familie Filser beim Einmarsch der Amerikaner nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus.
    So sah der Hof der Familie Filser beim Einmarsch der Amerikaner nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus. Foto: Archiv Michael Scharpf

    Jetzt galt es, das Kurwesen wieder aufzubauen. Am 12. Oktober 1948 schon wird Bad Wörishofen als erstes Kneippheilbad in Deutschland anerkannt. 1949 war der Großteil der rund 3000 so genannten „Displaced Persons“ wieder abgezogen worden, während amerikanische Soldaten weiter vor Ort waren. Immerhin 1500 Gästebetten standen somit für den Neuaufbau wieder bereit. Wichtiger Meilenstein war die Gründung der Gemeinnützigen Siedlungsgenossenschaft 1947 unter Hans Hofmann. Nachdem die Heimatvertriebenen unter oft unzumutbaren Zuständen in den alten Baracken des Flugplatzes untergebracht waren, taten sich auch hier Lichtblicke für die Wohnraumbeschaffung auf. Dass daraus schließlich die Gartenstadt als größter Stadtteil entstehen sollte, ahnte zu diesem Zeitpunkt wohl noch niemand.

    Ein Stück Geschichte: Eine ganze Familie kroch hier unter.
    Ein Stück Geschichte: Eine ganze Familie kroch hier unter. Foto: Archiv Michael Scharpf

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