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Bad Wörishofen: Mutter überlebt Messerangriff und stirbt bei anderer Bluttat

Bad Wörishofen

Mutter überlebt Messerangriff und stirbt bei anderer Bluttat

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    Prozess um Mordversuch und versuchten Totschlag am Landgericht Memmingen. Tatort war Bad Wörishofen.
    Prozess um Mordversuch und versuchten Totschlag am Landgericht Memmingen. Tatort war Bad Wörishofen. Foto: Kurt Kraus

    Eine Achtjährige wird Zeugin, als ein Mann in Bad Wörishofen ihre Mutter mit einem Messer töten will. Die Frau überlebt den Angriff – und wird Monate später bei einer anderen Bluttat in Bad Wörishofen erstochen. Wie geht es dem Kind, das dies alles durchleiden musste? Diese Frage steht im Raum, seit unsere Redaktion erstmals über diese Verbindung zwischen den beiden Fällen in Bad Wörishofen berichtete. Nun gibt es darauf erste Antworten.

    Am siebten Verhandlungstag im Prozess gegen einen 48-jährigen Hilfsarbeiter stand die Aussage des heute neun Jahre alten Mädchens im Mittelpunkt. Der Mann wird beschuldigt, im Mai 2020 in Bad Wörishofen drei Frauen mit einem Messer attackiert und teils lebensgefährlich verletzt zu haben. Die Ankläger werfen ihm unter anderem Mordversuch vor. Das Mädchen muss aber nicht vor Gericht erscheinen. Auf einem großen Bildschirm wird die Videoaufzeichnung der polizeilichen Befragung abgespielt. Es geht nur um den Messerangriff vom vergangenen Mai. Die Tat im ehemaligen Kurheim Raffler, wo die 35 Jahre alte Mutter des Mädchens Ende März erstochen wurde, spielt keine Rolle.

    Vor Gericht muss die Neunjährige für ihre Aussage nicht erscheinen

    Zuvor versichert sich der Vorsitzende Richter Christian Liebhart noch einmal bei allen Beteiligten, dass sie mit dem Vorspielen der Aufzeichnung ausdrücklich einverstanden sind. Denn im juristischen Sinn handelt es sich „um die Verlesung einer früheren Vernehmung“, an der kein Richter mitgewirkt hat. Nur wenige Tage nach dem Messerangriff im vergangenen Jahr wird das Kind von einem Beamten der Kriminalpolizei Memmingen befragt. Mit dabei ist eine Dolmetscherin. Ruhig, konzentriert und scheinbar völlig unaufgeregt erzählt das Kind dem Beamten in recht gutem Deutsch was es erlebt hat.

    Ihre Oma habe im Wohnzimmer auf der Couch geschlafen, sie selbst habe in ihrem Zimmer mit dem Handy gespielt. Ihre Mutter und der Angeklagte hätten sich in der Küche befunden. Sie sei dann auch in die Küche gegangen. Die Mutter und der Angeklagte hätten sich gestritten. Dann habe der Angeklagte – der Freund der Mutter – ein Messer aus einem Abtropfgestell für das Geschirr genommen. In diesem Moment sei sie aus der Wohnung gerannt, um in der Nachbarschaft Hilfe zu holen, berichtet das Mädchen. Als sie mit einer Nachbarin in die Wohnung zurückkam, habe der Angeklagte „auch diese Frau gestochen“, und zwar in den Rücken. Später habe ein anderer Nachbar den Mann überreden können, das Messer wegzuwerfen, auf oder über ein Garagendach. Eine knappe halbe Stunde lang ist die Aufzeichnung. Das Kind macht einen äußerst stabilen Eindruck. Doch wie geht es dem Mädchen jetzt?

    Eine erfahrene Juristin gesteht: "Dieses Verfahren macht mir inzwischen ganz schön zu schaffen.“

    Das Kind lebt inzwischen bei seinem leiblichen Vater, sagt Rechtsanwältin Anja Mack aus Memmingen. Mack hatte die 35-jährige Mutter des Kindes, die bis zu ihrem gewaltsamen Tod im Prozess gegen den 48-Jährigen als Nebenklägerin auftrat, als Rechtsbeistand unterstützt. Dass die Anwältin noch weiter an der Verhandlung teilnimmt, liegt daran, dass noch nicht über den Adhäsionsantrag entschieden ist, in dem es um Schadenersatz und ein Schmerzensgeld für die 35-Jährige geht. Die Bezeichnung ist von dem lateinischen Wort „adhaesio“ (anheften) abgeleitet. Ob der Antrag, der dem Opfer einen separaten Zivilprozess ersparen soll, hinfällig ist, oder aber im Sinne der Hinterbliebenen weiterverfolgt werden kann, muss erst noch geklärt werden.

    Das Landgericht Memmingen.
    Das Landgericht Memmingen. Foto: Ralf Lienert

    Die Tötung ihrer Mutter am 29. März in Bad Wörishofen musste die Neunjährige nicht mit ansehen. Das sagte Memmingens Kripochef Thorsten Ritter unserer Redaktion. Die 35-Jährige wurde in dem ehemaligen Kurheim Raffler mit mehreren Messerstichen getötet. Das Gebäude wird als Arbeiterunterkunft genutzt. Tatverdächtig ist ihr neuer Lebensgefährte. Das Kreisjugendamt Mindelheim ist eingeschaltet.

    Wird das Kind aktuell psychologisch betreut? Das Mädchen lebe nicht mehr im Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamtes Mindelheim, sagt Eva Büchele, die Pressesprecherin des Landratsamtes. Das Jugendamt am neuen Wohnort kümmere sich jetzt um die Neunjährige. Rechtsanwältin Mack sagt: Das Mädchen stecke die Vorfälle äußerlich sehr gut weg.

    Die erfahrene Juristin aber nimmt die Geschichte selbst ganz schön mit: „Ich bin an sich eine harte Nuss, aber dieses Verfahren macht mir inzwischen ganz schön zu schaffen.“

    In dem Prozess sind zwei weitere Verhandlungstage angesetzt.

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