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Bad Wörishofen: Mit dem Löwenbräu „geht ein Stück Stadtgeschichte“

Bad Wörishofen

Mit dem Löwenbräu „geht ein Stück Stadtgeschichte“

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    Siegfried Forster hat extra Urlaub genommen und ist aus Paris in seine Geburtsstadt gekommen um den Souvenirverkauf zu organisieren. Vor allem aber will er auch seinen Eltern den schweren Abschied erleichtern.
    Siegfried Forster hat extra Urlaub genommen und ist aus Paris in seine Geburtsstadt gekommen um den Souvenirverkauf zu organisieren. Vor allem aber will er auch seinen Eltern den schweren Abschied erleichtern.

    Da steht er, der Braumeister: Alfred Forster, ein g’standener Mann, ein Glas dunkles Bier in der Hand, frisch eingeschenkt. „Kommt’s rein, setzt euch nieder“, scheint er seine Gäste zu begrüßen. Er war das Gesicht der Brauerei-Gaststätte „Löwenbräu“, gemeinsam mit seiner Ehefrau Anni. Doch es ist ein Foto, das den

    Mittwoch wird ein ganz schwerer Tag für die beiden und ihre Familie: Dann gehen im Löwenbräu endgültig die Lichter aus. Das Anwesen wurde verkauft, schon 2012, und der Bauunternehmer Dieter Glass will hier für gut 40 Millionen Euro die „Löwenbräu-Akaden“ errichten. Die Abbrucharbeiten sollen beginnen, sobald der Bad Wörishofer Stadtrat zu diesem nicht unumstrittenen Projekt endgültig grünes Licht gegeben hat. Noch einen Monat lang hat jetzt die Familie Forster Zeit, das Gebäude auszuräumen, das Inventar zu verkaufen, alles auszuräumen – und dann ist wirklich Schluss. Das war’s dann mit dem Löwenbräu in Bad Wörishofen, das seit mehr als 100 Jahren so fest zur Stadt

    Im Jahr 1905 kam Bierbrauer Ludwig Forster aus der Oberpfalz nach Bad Wörishofen und gründete die Brauerei, direkt an der Ecke Hermann-Aust-Straße/Bürgermeister-Stöckle-Straße das Löwenbräu in dem aufstrebenden Kurort. Die Familie Forster erweiterte die Brauerei im Laufe der Jahre um Hotel und Gasthof. Der Bad Wörishofer Bierlikör ist eines der bekanntesten Erzeugnisse der Brauerei.

    Der Aufschwung schien für Bad Wörishofen kein Ende zu nehmen

    Mit Bad Wörishofen wuchs auch die Löwenbrauerei, der Aufschwung schien kein Ende zu kennen: Der Kneipp-Kurort zählte zu den vornehmsten Adressen für einen gesunden und erholsamen Kuraufenthalt, in der Hochsaison drängelten sich die Menschenmassen durch den Kurort.

    Und mittendrin das Löwenbräu – bekannt für seine deftige, gut bürgerliche, original-bayerische Küche, für sein freundliches Personal, für den wunderschönen Biergarten, für die „Löwengrube“ – wo sich dem vernehmen nach auch so manche Liebelei (wohl auch „Kurschatten“ genannt) angebahnt haben soll – und bekannt, natürlich, für das süffige, bayerische Bier, das hier gebraut wurde. Erst von Ludwig Forster, dann von Alois und Alfred Forster und später von dessen Sohn Roland. Der naturtrübe Urtrunk, das Spezialbier, das Dunkle, das Weißbier, das „Kurpils“, der „Leusator Doppelbock“ und dazu auch noch der fast schon legendäre „Bierlikör“ – all das gehörte zu einem Kuraufenthalt in Bad Wörishofen genauso selbstverständlich dazu wie Kneippgüsse und Kurpark.

    Doch dann kam die Gesundheitsreform, Kuren wurden nicht mehr von den Kassen selbstverständlich bezahlt – und mit dem Kneippkurort musste auch das Löwenbräu diesen schweren Schlag und die bröckelnden Besucherzahlen verkraften.

    Im September 2012 allerdings musste Roland Forster Insolvenz für den Betrieb anmelden. Den folgenden Kauf durch ein Glass-Unternehmen bezeichnete der Insolvenzverwalter damals als ideale Lösung für alle Beteiligten. Forster führte den Betrieb als Geschäftsführer weiter – bis jetzt die Kündigung kam

    Aus Sicht von Siegfried Forster bleibt dennoch nicht nur Wehmut, sondern auch eine tiefe Enttäuschung: dem damaligen Insolvenzverwalter Matthias Dorn zufolge habe der neue Eigentümer versprochen, dass die Wirtsleute Alfred und Anni Forster ihren Lebensabend noch in „ihrem“ Löwenbräu verbringen dürften. Dass diese Zusage nicht eingehalten worden sei, das treffe ihn schon sehr, sagt

    Der Familie bleibt noch ein Monat Zeit, um alles auszuräumen

    Und dennoch kam er jetzt hierher, um beim Ausräumen zu helfen, die Souvenirs zusammen zu stellen und zu verkaufen. Und, natürlich, auch um seinen Eltern bei dem für sie so schweren Schritt beizustehen, aus „ihrem“ Löwenbräu auszuziehen und in eine Mietwohnung umziehen zu müssen.

    Siegfried Forster ist aber auch Pragmatiker genug, um sich nicht mehr als nötig an die Vergangenheit zu klammern: „Da hilft uns allen jetzt auch keine Romantik mehr. Wir müssen mit der Situation eben umgehen“, sagt er und reicht ein Bierglas an eine Frau weiter, die sofort anfängt, von ihren Erinnerungen an das Löwenbräu zu erzählen. „Ach war das schön damals...Wissen Sie noch, damals in der Löwengrube, als wir getanzt haben bis der Morgen graute...“ Sie sagt es und packt ihr Bierglas in die sündteure Handtasche, als würde sie ein Stück ihres Lebens festhalten wollen.

    Das Löwenbräu ist für so viele Bad Wörishofer und ihre Gäste mehr als „nur“ eine schöne Erinnerung: Es war auch ein Fixpunkt, der Ort, an dem man sich eben traf: Alle Verein im Ort hatten ihren Stammtisch, hielten ihre Sitzungen und Wahlen ab, trafen sich vor oder nach dem Training. Am Kneipptag führte Braumeister Alfred Forster die Kinder des Ortes durch die Brauerei und zeigte ihnen, wie das süffige bayerische Nationalgetränk hergestellt wird. Auf den Bierdeckeln stand damals der Spruch „Mit jedem Schluck Bier ein Stück Heimat von mir“ und das brachte es wohl so gut auf den Punkt, dass sich jeder gerne gleich noch einen Schluck gönnte.

    Die legendäre Wirtin Veronika Forster war Vorlage für eine Romanfigur

    Legendäre Faschingsbälle, rauschende Partys, lange und bierselige Nächte in der rustikalen Wirtsstube – der Ruf des Löwenbräu war legendär. Und mittendrin die immer präsente Veronika Forster, die in ihrer Rolle als Wirtin sogar zur Vorlage für eine Figur in einem Roman der Schriftstellerin Utta Danella wurde. Auch sie war lange Jahre Stammgast im Löwenbräu, wie so viele andere.

    Natürlich gingen hier auch die vielen Prominenten ein und aus, die es sich in diesen „Goldenen Zeiten“ in Bad Wörishofen gut gehen lassen wollten. Doch einen Unterschied zwischen ihren Gästen machten die Wirtsleute im Löwenbräu nie – jeder Gast wurde freundlich bedient. Ganz egal, wie viele Millionen Zuschauer ihn aus dem Fernsehen kannten oder wie viele Millionen er auf dem Konto hatte: Hier im Löwenbräu waren alle gleich – und das war es wohl auch, was den Erfolg der Traditionswirtschaft mitbegründet hatte.

    So viel hätte er noch zu erzählen, sagt Siegfried Forster. Doch er fährt in diesen Tagen wieder zurück nach Paris, er hat nur seinen Urlaub in der „alten Heimat“ verbracht. Dass er sich für das Ansehen Wörishofens und seiner Eltern gewünscht hätte, dass seine Eltern für ihr Lebenswerk die Bürgermedaille von der Stadt Wörishofen bekommen hätten, gibt er gerne zu. Dass ihm Bürgermeister Paul Gruschka aber gesagt habe, dass er das in der Satzung vorgesehene „verdienstvolle Wirken für das Wohl oder Ansehen der Stadt und der Bürgerschaf“ bei Alfred und Anni Forster nicht erkennen könne und diesen Vorschlag daher nicht aufgenommen habe – ja, das habe ihm schon weh getan, gibt Siegfried Forster zu.

    Aber jetzt bloß nicht sentimental werden – schließlich fließt auch in seinen Adern das Blut eines echten, kernigen Bierbrauers! Siegfried Forster muss zurück nach Frankreich, die Pflicht ruft. Heute wird er gar nicht mehr dabei sein, wenn der letzte Tag im Löwenbräu seinen Lauf nimmt. Ganz normal soll das werden, sagt er.

    Mittagstisch und dann Abendessen, bei schönem Wetter ist der Biergarten geöffnet. Und dann – ist Schluss. Mit dem Löwenbräu geht ein Stück Bad Wörishofen, sagt Siegfried Forster, und für einen kurzen Moment kann er seine Rührung doch nicht ganz verbergen. Aber dann sagt er: „Hoffentlich reicht das Bier noch bis zum Schluss...“ Und lacht.

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