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Bad Wörishofen/Memmingen: Totschlag in Bad Wörishofen: Geht der Prozess weiter?

Bad Wörishofen/Memmingen

Totschlag in Bad Wörishofen: Geht der Prozess weiter?

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    Drei Männer waren vor dem Landgericht Memmingen wegen gemeinschaftlichen Totschlags angeklagt. Verurteilt wurde letztlich nur einer.
    Drei Männer waren vor dem Landgericht Memmingen wegen gemeinschaftlichen Totschlags angeklagt. Verurteilt wurde letztlich nur einer. Foto: Max Kramer

    „Wahnsinn!“ So lautete eine der ersten Reaktionen im Saal 132 des Landgerichts Memmingen, nachdem vor knapp drei Wochen das Urteil im Prozess gegen drei Männer gefallen war. Die Staatsanwaltschaft hatte ihnen vorgeworfen, im September 2018 einen Bekannten in Bad Wörishofen gemeinsam zu Tode geprügelt zu haben. Verurteilt wurde nur einer von ihnen: der 34-jährige mutmaßliche Haupttäter. Er muss wegen Körperverletzung mit Todesfolge und einer weiteren schweren Körperverletzung für zehn Jahre hinter Gitter. Dass die anderen beiden Angeklagten das Gericht nach über zwei Monaten Verhandlung als freie Männer verließen, überraschte Prozessbeobachter. Doch sicher können sie sich noch nicht sein: Wie die MZ erfuhr, geht das Verfahren nun möglicherweise in die nächste Instanz.

    Die Staatsanwaltschaft Memmingen hat Revision gegen alle drei Urteile eingelegt, um sie noch einmal überprüfen zu lassen. Sie sind damit nicht rechtskräftig. Laut Staatsanwalt Sebastian Murer sei es schwierig, bei dem Fall objektive Feststellungen zu treffen, weil die Beweislage kompliziert sei: Man könne nicht sicher sagen, ob und wie alle drei Männer an der Tat beteiligt waren, auch das Zeitfenster sei unklar. Selbst wenn es menschlich schwierig sei: Aus juristischer Sicht könne er das Urteil des Gerichts nachvollziehen, so Murer, schließlich sei der Freispruch mit vernünftigen Zweifeln begründet worden.

    Auch der Verteidiger des Verurteilten legt Revision gegen das Urteil ein

    Da die Tat aber so schwerwiegend ist, hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt und wartet nun auf die schriftliche Urteilsbegründung des Gerichts. Bis diese vorliegt, können nach Angaben von Staatsanwalt Thomas Hörmann noch einige Wochen vergehen. Dann entscheidet sich, ob seine Behörde die Revision zurückzieht oder den Fall wegen Rechts- oder Verfahrensfehlern an den Bundesgerichtshof in Karlsruhe verweist. Dort würde das Urteil noch einmal überprüft – unter anderem daraufhin, ob man die beiden nun Freigesprochenen (37 und 56 Jahre alt) zumindest wegen unterlassener Hilfeleistung belangen könnte. Eine Beweisaufnahme fände nicht mehr statt.

    Wenn der Bundesgerichtshof etwa feststellen würde, dass im ersten Verfahren ein Beweis nicht ausreichend berücksichtigt wurde, müsste der Fall erneut verhandelt werden. Schauplatz wäre dann erneut das Landgericht Memmingen, nun wäre aber eine andere Kammer zuständig. Mit einer Entscheidung könnte dann frühestens in einem halben Jahr gerechnet werden.

    Das gleiche Prozedere gilt auch, wenn der Verurteilte gegen das Urteil Revision einlegt. Das ist laut Landgerichtsvizepräsident Jürgen Brinkmann auch der Fall. Der Verteidiger des 34-Jährigen, Christian Vad, konnte sich mit Verweis auf die ausstehende schriftliche Begründung derzeit nicht dazu äußern.

    Der aufwendige Prozess mit über 50 Zeugen – darunter sowohl Sachverständige als auch Mitbewohner, Angehörige und Bekannte des Opfers und der Angeklagten – hatte Anfang Juni vor dem Landgericht Memmingen begonnen. Die drei Männer, allesamt im heutigen Kasachstan geboren und in den 90er-Jahren nach Deutschland gekommen, äußerten sich dort einzig zu ihrem persönlichen Werdegang. Über das Tatgeschehen schwiegen sie.

    Nach Tod eines 46-Jährigen in Bad Wörishofen: Die Schuldfrage bleibt offen

    Auch deshalb blieben bis zuletzt viele Fragen offen. Etwa, was der Auslöser des tödlichen Streits war, in dessen Verlauf der 46-jährige Mann in dem ehemaligen Kurhotel über 60 Tritte und Schläge einstecken musste und nach einem Nasenbeinbruch wohl an seinem eigenen Blut erstickte ist. Als gesichert gilt, dass der nun in erster Instanz verurteilte 34-Jährige mehrmals massiv auf das Todesopfer einschlug. Er war wegen verschiedener Delikte bereits mehrfach vorbestraft.

    Ob die beiden anderen Männer an dem Gewaltexzess beteiligt waren, blieb aber ungeklärt. Zahlreiche Blut- und DNA-Spuren sowie die Vielzahl der Verletzungen sprächen zwar dafür, so Richter Christian Liebhart in seiner mündlichen Urteilsbegründung. Eindeutig nachweisen ließe sich das aber nicht. Sie wurden deshalb freigesprochen und erhalten für die Untersuchungshaft und die Hausdurchsuchungen voraussichtlich eine Entschädigung. Nach Angaben von Staatsanwalt Murer liegt die Haftentschädigung bei 25 Euro pro Tag. Sollte das Urteil also trotz der nun in die Wege geleiteten Überprüfung Bestand haben, erhielte der älteste Angeklagte allein knapp 8.500 Euro. Beim 37-jährigen Mitangeklagten wären es knapp 7.800 Euro.

    Wie die einzelnen Verhandlungstage verliefen, lesen Sie hier:

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