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Bad Wörishofen: Holetschek reagiert nach verpufften Sonderimpfaktionen und kritisiert Aiwanger

Bad Wörishofen

Holetschek reagiert nach verpufften Sonderimpfaktionen und kritisiert Aiwanger

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    Klaus Holetschek will die Menschen motivieren, weiterhin Impftermine auszumachen. Zu Haltung von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger in dieser Frage hat Bad Wörishofens Altbürgermeister dabei eine klare Meinung.
    Klaus Holetschek will die Menschen motivieren, weiterhin Impftermine auszumachen. Zu Haltung von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger in dieser Frage hat Bad Wörishofens Altbürgermeister dabei eine klare Meinung. Foto: Ulrich Wagner

    Bad Wörishofen Impfstoff war lange Zeit Mangelware, doch jetzt gibt es im Kampf gegen Corona das gegenteilige Problem: Impflinge sind

    Haben Sie trotz Corona Zeit, mal ein Spiel der Fußball-Europameisterschaft anzuschauen?

    Klaus Holetschek: Ja, tatsächlich. Allerdings sehe ich mit dem Hintergedanken zu, ob das Hygiene-Konzept in den Stadien passt. Halten sich die Menschen daran, Masken zu tragen? In München lief ja ein Modellprojekt. Dort durfte ein Fünftel der Plätze unter bestimmten Auflagen besetzt werden. Anfangs wurde das Maskengebot zu wenig eingehalten, ab dem zweiten Spiel besserte es sich dann.

    Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie in manchen Stadien Zehntausende Fans sehen, die dicht an dicht stehen und keine Masken tragen?

    Holetschek: Das finde ich unverantwortlich. Die Delta-Variante setzt sich immer mehr durch, da sollte man nicht so leichtsinnig sein. Aber das sind die Entscheidungen der jeweiligen Staaten.

    So bereitet sich Bayern auf eine vierte Corona-Welle vor

    Sie haben die hoch ansteckende Delta-Variante schon angesprochen. Viele Experten erwarten, dass eine vierte Corona-Welle kommt. Wie bereitet sich die bayerische Politik darauf vor?

    Holetschek: Zum Beispiel denken wir intensiv über Auffrischungs-Impfungen in Senioren- und Pflegeheimen nach. Ich wäre dafür, dies alleine schon aus präventiven Gesichtspunkten zu machen. Ende Juni waren in diesen Heimen bayernweit nur fünf Bewohnerinnen und Bewohner mit dem gefährlichen Corona-Virus infiziert. Das zeigt eindrucksvoll, wie wichtig das Impfen ist. Die Ständige Impfkommission muss sich hierzu klar positionieren.

    Während der vergangenen Lockdowns hat für Unmut gesorgt, dass Inzidenzwerte bei den Schließungen das einzige Kriterium waren. So haben beispielsweise Hotellerie und Gastronomie massiv, aber erfolglos dagegen protestiert. Wird sich an den Kriterien etwas ändern, falls es zur vierten Welle kommt?

    Holetschek: Die Inzidenz bleibt ein wichtiger Wert. Wir haben übrigens auch die Belegung der Intensivbetten immer schon betrachtet oder den R-Wert, das wird auch weiterhin so sein. Dieser Wert gibt an, wie viele andere Menschen ein Erkrankter ansteckt. Ein wichtiges Kriterium sollte auch sein, wie schwer die Menschen, die in den Kliniken liegen, erkrankt sind.

    "Niemand wollte dem Tourismus schaden", beteuert Klaus Holetschek

    Wie haben Sie während der Einschränkungen die Stimmung an der Basis wahrgenommen? Eine Allgäuer Vertreterin der Tourismusbranche sagte, sie werde es bei einem weiteren Lockdown darauf ankommen lassen und ihr Haus einfach nicht schließen. Man hatte den Eindruck, dass sich ein ganzer Wirtschaftszweig von der Politik im Stich gelassen fühlte.

    Holetschek: Ich bin mir bewusst, dass die Angst um die Existenz eine schwere psychische Belastung ist und dass trotz großer Finanzhilfen manche durchs Raster gefallen sind. Doch niemand wollte dem Tourismus schaden. In Zeiten hoher Corona-Zahlen mussten wir schauen, wie wir da durchkommen – und die Krankheits- und Todesfälle reduzieren. Es ging letztendlich darum, Kontakte und Mobilität zu verringern. Damit wir nicht nochmals in eine solche Situation geraten, brauchen wir jetzt eine hohe Impfquote und dass sich möglichst alle an die Regeln halten.

    Doch genau da hapert es gerade. Mediziner klagen darüber, dass die Impfbereitschaft vielerorts massiv nachlasse, zuletzt in Bad Wörishofen. Was ist der Grund für diese Entwicklung?

    Holetschek: Zunächst ist es richtig, dass es schwieriger geworden ist, die Menschen zu motivieren. Das hängt wohl mit den niedrigen Inzidenzen zusammen und auch damit, dass es derzeit nur noch wenige Einschränkungen des öffentlichen Lebens gibt. Wir müssen die richtige Ansprache finden, um zu vermitteln: Es ist weiterhin immens wichtig, zum Impfen zu gehen. Es ist noch nicht vorbei, die Lage kann wieder kippen. Es gibt jetzt eine Kampagne des Gesundheitsministeriums. Sie zielt darauf ab, dass man ja auch solidarisch handelt, wenn man zum Impfen geht. Jeder Geimpfte bedeutet ein Ansteckungsrisiko weniger.

    Über Aiwangers Zögern und die Vorbildfunktion in öffentlichen Ämtern

    Auf Wirtschaftsminister Aiwanger macht diese Kampagne offensichtlich keinen Eindruck. Er hat sich bislang nicht impfen lassen.

    Holetschek: Das muss jeder selbst entscheiden. Ich sage aber auch, Impfen ist ein Akt der Solidarität. Wenn man bestimmte öffentliche Ämter inne hat und sozusagen auch Vorbild ist, sollte man sich bewusst machen, welche Welle man damit auslöst. Der Impfkampagne tut Aiwangers Haltung jedenfalls nicht gut.

    Der Impfstoff AstraZeneca ist für viele Menschen ein rotes Tuch, nicht nur wegen Komplikationen. Einmal sollte er an Über-60-Jährige verimpft werden, dann wieder an Unter-60-Jährige. Dann wurde das Intervall zwischen den beiden Impfungen modifiziert und nun soll

    Holetschek: In der Kommission sitzen hochrangige Wissenschaftler, die Daten auswerten. Und die Datenlage ändert sich. Entscheidungen werden auf der Basis von Fakten getroffen. Wir setzen auf das Primat der Wissenschaft. Als die Stiko jetzt überraschend verkündete, dass AstraZeneca nur noch für die Erstimpfung eingesetzt werden solle, hat sie allerdings eine schlechte Kommunikation betrieben. Trotzdem ist diese Kreuzimpfung hochwirksam und das Intervall mit vier Wochen sehr attraktiv.

    Die aktuellen Verträge für die Impfzentren laufen noch bis 30. September. Wie wird es danach weitergehen?

    Holetschek: Das System soll erhalten bleiben, aber so große Kapazitäten werden wir nicht mehr brauchen. Und wir müssen beim Impfen mobiler werden. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass mehr Impfbusse zum Einsatz kommen. Wir brauchen niederschwellige Angebote und müssen stärker dorthin gehen, wo die Menschen sind.

    Was wurde eigentlich aus dem Plan, 2,5 Millionen Dosen des russischen Impfstoffs Sputnik V zu erwerben? Zudem wollte ja die russische Firma R-Pharm in Illertissen eine Produktionsstätte betreiben.

    Holetschek: Das ist noch nicht vom Tisch. Jedoch ist Sputnik V in der EU noch nicht zugelassen. Und es ist auch noch nicht absehbar, wann es soweit sein wird.

    Viele Eltern und Schüler hoffen, dass im neuen Schuljahr wieder kontinuierlich Präsenzunterricht stattfindet. Was tun Sie dafür, um dieses Ziel zu erreichen?

    Holetschek: Das ist ein zentrales Thema. Mit dem Kultusministerium überlegen wir, wie man die Testverfahren verfeinern kann. Wir fangen jetzt auch an, Abschlussklassen zu impfen und setzen auch auf Luftfilter. Neben dem Lüften bringen sie einen zusätzlichen Effekt. Dies sind die Bausteine für einen hoffentlich reibungslosen Schulbetrieb.

    Können die Masken aus allen Klassenzimmern verschwinden, wenn Luftfilter in Betrieb sind?

    Holetschek: Das lässt sich noch nicht abschließend sagen.

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