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Bad Wörishofen: Festival der Nationen in Bad Wörishofen: Alles, außer gewöhnlich

Bad Wörishofen

Festival der Nationen in Bad Wörishofen: Alles, außer gewöhnlich

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    Ein Roboter ist der heimliche Star dieses Festivals der Nationen, an dem es an echten Stars wie immer nicht mangelt. Hier überreicht der Roboter Blumen an Dirigent Christoph Adt.
    Ein Roboter ist der heimliche Star dieses Festivals der Nationen, an dem es an echten Stars wie immer nicht mangelt. Hier überreicht der Roboter Blumen an Dirigent Christoph Adt. Foto: Bernd Feil

    So viele Fragen, so viele Sorgen. Dass die 26. Auflage des Festivals der Nationen im Jahr 2020 alles andere als gewöhnlich sein wird, war klar. Fast schon greifbar war daher die Anspannung, wie sich Festival-Flair und Musikgenuss mit Hygieneschutz und Masken-Frust verträgt. Um es vorweg zu nehmen: Es klappt viel, viel besser als gedacht! Aber es war vor allem auch: Außergewöhnlich.

    Natürlich gab es nur ein Gesprächsthema an den Tischen im halb vollen (oder halb leeren?) Gastro-Zelt, wo sich die Klassik-Fans zu ungewohnter Stunde am Freitagnachmittag auf das erste Konzert des Festivals der Nationen 2020 freuten.

    Und natürlich fühlte sich das alles neu, ungewohnt und auch ein wenig seltsam an – hier zu stehen, die Sektgläser an den Stehtischen mit Papiermützchen abgedeckt, die Schnittchen aus dem Steigenberger Hotel unter einer Plastikmaske, die Konzertbesucher mit Mund-Nasen-Maske – immerhin eigens hergestellt für das Festival und mit entsprechendem Logo. „Eröffnungsgala“ stand zwar auf der Eintrittskarte. Doch kann da überhaupt Gala-Stimmung aufkommen?

    Viele Fragen, viele Sorgen im Vorfeld - die Antwort geben die Organisatoren vor Ort

    So viele Fragen, so viele Sorgen. Schafft es das Festival der Nationen, trotz der Corona-Pandemie mit allen damit verbundenen Einschränkungen, Hygienekonzepten und Sicherheitsabständen, das Flair dieser Traditionsveranstaltung zu bewahren? Schaffen es Intendant Winfried Roch und sein Bruder, Festivalmanager Werner Roch, die positive und familiäre Grundstimmung des Bad Wörishofer Kultur-Highlights über die Krise zu retten?

    Wie werden die Klassikfans reagieren, wenn der große Kursaal mit höchstens 200 Besuchern nur halb voll (oder halb leer?) ist und die leeren Sitzplätze sich gegen jede Premierenstimmung zu stemmen schienen? Kann da überhaupt der Funke von den Musikerinnen und Musikern der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter Dirigent Felix Mildenberger, dem diesjährigen „Young Artist of the Year“ zum Publikum überspringen? Und umgekehrt?

    Rückkehr nach vielen Jahren an den Ort des ersten großen Auftritts

    Und: Wie reagiert Julia Fischer? Wie wird die Rückkehr nach Bad Wörishofen sein für die 37-jährige Stargeigerin, die jetzt als Weltstar auf die Bühne des Festivals der Nationen tritt, wo sie sich 1996 als 13-jährige Nachwuchskünstlerin ihre ersten musikalischen Sporen verdiente?

    So viele Frage, so viele Sorgen. Aber – wie sich nach den ersten beiden Konzerten zum Auftakt des 26. Festivals der Nationen zeigen sollte: Fast alle Sorgen waren unbegründet, die Antworten auf die Fragen fallen überwiegend positiv aus.

    Ja, es ist anders, dieses Festival der Nationen im Corona-Jahr 2020. Aber: Das Festival hat sich seinen Charme und seine familiäre Atmosphäre bewahrt, die es zum musikalischen und gesellschaftlichen Highlight im Unterallgäu und weit darüber hinaus gemacht hat.

    Wie das geht, trotz Mund-Nasen-Maske, trotz Abstandsregeln und trotz Sicherheits- und Hygienekonzept? Trotz strenger Eingangskontrollen mit Temperaturmessung und vorgeschriebenen Bewegungsmustern zum Tisch im Gastro-Zelt und von dort – freundlich, aber bestimmt begleitet von einer der vielen Hostessen zum personalisierten Sitzplatz im Kursaal?

    Es zeigt sich, wie sehr die Musikfreunde das kulturelle Leben zuletzt vermisst haben

    Schwer zu sagen. Fest steht aber: Es hat geklappt! Vor allem, weil die Sicherheits- und Hygienemaßnahmen dezent und unauffällig blieben – und das macht Mut für die nächsten Tage, für das Festival der Nationen 2020, das bis zum Abschlusskonzert am Sonntag, 4. Oktober, tagtäglich gleich zwei Mal an den Start geht. Jeweils um 17 Uhr und dann um 20.30 Uhr treten die Künstlerinnen und Künstler vor ihr „halbiertes“ Publikum. Wie es da trotzdem klappt, dass sich trotz allem dieses vertraute „Festival“-Feeling einstellt? Vielleicht, weil alle inzwischen mit den Hygienebestimmungen soweit vertraut sind, dass es fast schon zum Alltag gehört, mit einer Gesichtsmaske durch die Gegend zu laufen.

    Vor allem aber, weil sich wohl alle so sehr gefreut haben auf diesen kleinen, großen Schritt hin zu wenigstens etwas „gefühlter“ Normalität. Konzertbesuch! Musik! Gespräche! Endlich! Herrlich!

    Dass es punktgenau wie aus Kübeln zu gießen begann, ausgerechnet als Intendant Winfried Roch die Gäste der Eröffnungskonzerts im Gastro-Zelt begrüßte, war wohl keine Inszenierung. Fast hätte man meinen können, der Himmel weine angesichts der Schwierigkeiten, mit denen das Festival der Nationen in diesem Pandemie-Jahr zu kämpfen hatte und hat.

    Zum Festival der Nationen mit dem passenden Mund-Nase-Schutz.
    Zum Festival der Nationen mit dem passenden Mund-Nase-Schutz. Foto: Markus Heinrich

    Doch Roch gab gleich mal die Richtung vor – und rührte eine gehörige Portion Humor in seine kurze Begrüßungsrede, in der er nicht ohne eindringlichen Hinweis auf die zu beachtenden Hygieneschutzmaßnahmen auskam. Und er fand ungewöhliche Lösungen: Nach den Stars kommt der heimliche Star dieses Festivals der Nationen: Ein Roboter rollt auf die Bühne und überreicht einen Blumenstrauß und die obligatorischen Schwermer-Pralinen an die Künstler, hier an Dirigent Christoph Adt. Die Idee zu diesem besonderen Boten hatte Festival-Intendant Winfried Roch, der einfach nicht habe darauf verzichten wollen, den Stars ihre schon traditionellen Festival-Geschenke als Erinnerung an Bad Wörishofen zukommen zu lassen. Und weil das in Corona-Zeiten nun mal nicht erlaubt ist – da kam ihm die zündende Idee mit dem einarmigen Roboter.

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    Roch bediente sich dann aber mit einem Augenzwinkern bei Beethoven, als er die Klassikfans in den Kursaal bat: „Die Kunst möchte, dass wir nicht stehen bleiben ...“

    Gesagt, getan – ging es dann im „Entenmarsch“ zu den personalisierten Sitzplätzen. Vor dem Konzert (das muss dann halt so sein) erwarten die Musikfans zumindest beim Eröffnungskonzert die obligatorischen Grußworte. Die Premierengäste, darunter Bundesminister Dr. Gerd Müller, Bundestagsvizepräsident a.D. Eduard Oswald, der Europa-Abgeordnete Markus Ferber, Bayerns Staatsministerin Carolina Trautner, der bayerische Gesundheitsstaatssekretär Klaus Holetschek, Moderatorin Carolin Reiber und Entertainerin Alice Kessler, waren begeistert.

    Bestimmt ein besonderer Moment für Stefan Welzel, der die Festivalgäste diesmal zum ersten Mal als 1. Bürgermeister begrüßen konnte. Kurz und launig freute er sich, dass nun doch „endlich wieder Festivalzeit“ in Bad Wörishofen ist, und begrüßte die geladenen Gäste aus Kultur, Politik, Kirche und Wirtschaft in Bad Wörishofen und lobte die Veranstalter für „Mut, Zuversicht und Improvisationskunst“, die das Festival der Nationen in diesem Jahr erst möglich gemacht haben.

    Caroline Trautner, der Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, war es dann vorbehalten, das Festival der Nationen 2020 auch offiziell zu eröffnen. „Endlich wieder Musik“ atmete die CSU-Politikerin auf und machte deutlich, dass die Musik eben kein Luxusgut sei , sondern „ein Lebensmittel“. Sie sei beeindruckt, welche Strahlkraft vom Festival der Nationen in Bad Wörishofen ausgehe – daher werde sie Ministerpräsident Markus Söder auch erzählen, was „er hier versäumt hat“.

    Und dann konnte endlich beginnen, worauf alle im halb vollen (oder halb leeren?) Kursaal gewartet hatten: Das Konzert!

    Ohne die sonst übliche Pause rissen die Deutsche Kammerphilharmonie und Dirigent Felix Mildenberger die Klassikfans mit. Zwei Sinfonien von Felix Mendelssohn-Bartholdy waren der Rahmen für den Star des Abends: Julia Fischer, die beim „Konzert für zwei Violinen und Orchester in d-Moll“ von Johann Sebastian Bach und – vielleicht noch mehr – bei der „Romanze für Violine und Orchester in F-Dur“ von Ludwig van Beethoven zeigte, was sie und ihre Violine (unterstützt von Lous Vandory) können. Atemberaubend schön!

    Mit ihrem Auftritt, mit der Auswahl unterhaltsamer, eingängiger Stücke, gelang das im scheinbaren Handumdrehen, was wohl alle erhofft hatten: Keiner im Kursaal dachte auch nur eine Sekunde lang an Corona, an Pandemie oder Reisewarnung. Die virtuose Künstlerin zeigte mit Leichtigkeit, was Musik kann: Glücklich machen!

    Schade, dass es dann schon so schnell vorbei war und alle wieder an ihren Masken nestelten, ehe sie – wieder freundlich, aber bestimmt von den Hostessen begleitet – hinaus in den Abend entlassen wurden.

    Von den Fragen und Sorgen blieb kaum noch etwas zurück. Die Antwort war und ist ganz einfach: Schön, dass wieder Festival der Nationen ist! Trotz allem.

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