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Bad Wörishofen: Die große Kämpferin mit dem „kleinen Bein“

Bad Wörishofen

Die große Kämpferin mit dem „kleinen Bein“

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    Bei einem Unfall verlor Christina Wechsel den linken Unterschenkel. Dass sie heute mit einer Prothese wieder die höchsten Gipfel erklimmt, zeigt ihre innere Kraft.
    Bei einem Unfall verlor Christina Wechsel den linken Unterschenkel. Dass sie heute mit einer Prothese wieder die höchsten Gipfel erklimmt, zeigt ihre innere Kraft. Foto: Archiv Wechel

    Für Albert Wechsel war die Welt das Zuhause. Der Hoteldirektor aus Bad Wörishofen war gerade wieder unterwegs, in der Schweiz, als ihn die Nachricht erreichte: Seine Tochter hatte einen schweren Unfall, in Australien. Die Folgen waren enorm, Christina Wechsel war dem Tod zeitweise näher als dem Leben. Gezeichnet ist sie bis heute: Nach dem

    Albert Wechsel ist nicht nur weltoffen sondern auch Heimatverbunden. In Bad Wörishofen ist er aufgewachsen, hier wollte er auch seinen Lebensabend verbringen. Im damaligen Kneipp-Kurhotel Sproll, dem heutigen Residence, hat er seine Ausbildung gemacht. Pfarrer Sebastian Kneipp sei es zu verdanken, dass aus dem kleinen, idyllischen Bauerndorf eine Kurstadt mit internationalem Ruf wurde.

    Von Bad Wörishofen aus startete Wechsel durch, wurde mit 31 Jahren in Kanada in der Hilton-Hotelkette der jüngste Hoteldirektor. Es folgten viele weitere Umzüge, die ihn und seine Familie nach Griechenland auf die Insel Korfu, in die Schweiz und schließlich zum Flughafenhotel in München nach Deutschland zurückführte.

    Albert Wechsel aus Bad Wörishofen erfuhr in der Schweiz vom schweren Unfall seiner Tochter

    Während eines Aufenthaltes in der Schweiz ereilte ihn 2007 die Nachricht vom schweren Unfall seiner Tochter Christina in Australien. Ein Jahr zuvor hatte Wechsel seine Frau durch eine Krebserkrankung verloren. Nun stand die Tochter an der Grenze zwischen Leben und Tod.

    Christina Wechsel und ihr Vater Albert Wechsel.
    Christina Wechsel und ihr Vater Albert Wechsel. Foto: Archiv Wechsel

    Auf dem Weg zu Christina Wechsels Traumziel, dem Ayers Rock, dem Uluru, dem heiligen Berg der Aborigines in Australien, geschah das Unfassbare. Vier junge Menschen waren im Auto, mitten im Outback, kamen von der schnurgeraden Straße ab. Das

    Vater und Bruder standen Christina Wechsel in der schweren Zeit zur Seite

    Doch die junge Frau gab nicht auf. Vater und Bruder waren immer an ihrer Seite, monatelang, bis sie nach Deutschland zurückgebracht werden konnte, wo weitere Operationen und die Reha nötig waren. Christina Wechsel lernte unter Schmerzen und mit Hilfe einer für sie angefertigten Prothese wieder laufen. Die Frau, die vor dem Unfall sportlich bis an ihre körperlichen Grenzen ging, hatte es mit einem Mal mit ganz anderen Grenzen zu tun. Der „Schmerztiger“, so nennt sie den Phantomschmerz des verloren gegangenen linken Beines blieb, bis sie selbst einen Weg zur Linderung über die Naturheilkunde fand. Christina Wechsel studierte in der Folge erfolgreich und machte die Prüfung zur Heilpraktikerin. „Wir haben immer eine Wahl“, schreibt Wechsel in ihrem Buch „Wer Flügel hat braucht keine Beine“. „Mit unserem eigenen freien Willen können wir uns immer entscheiden, wie wir mit Schicksalsschlägen umgehen wollen.“

    Christina Wechsel und ihr Mann Christian lassen es sich gut gehen.
    Christina Wechsel und ihr Mann Christian lassen es sich gut gehen. Foto: Archiv Wechsel

    Sie selbst hat sich für ein neues Leben mit ihrem „Little Leg“, ihrem „kleinen Bein“, entschieden. Sie hat sich zurückgekämpft, treibt wieder alle ihre geliebten Sportarten, kraxelt trotz Beinprothese auf Gipfel, klettert an Wänden hoch, taucht, macht alles, was ihr immer so große Freude bereitet hat.

    Auf dem Oktoberfest trug Christina Wechsel erstmals ein Dirndl, bei dem die Prothese zu sehen war

    Auf einem Oktoberfest in München trug sie zum ersten Mal nach dem Unfall ein kurzes Dirndl. Natürlich war die Prothese sichtbar. Für Christina Wechsel war das da schon kein Problem mehr. Sie lernte Christian kennen und lieben. „Wir haben zwar keinen Einfluss darauf, dass gewisse Dinge im Leben passieren, weil wir das Leben nicht kontrollieren können“, sagt die 39-Jährige. Aber: „Wir sind dem Schicksal nicht ausgeliefert! Wir können uns in jeder Sekunde entscheiden, wie wir darauf reagieren wollen.“

    Ein Dreivierteljahr nach dem Anpassen der Prothese stand Wechsel wieder auf Skiern, saß auf einem Fahrrad, fing am Fels das Klettern an, ging wieder in die Berge zum Wandern und nahm schwimmend an der Zürichsee-Überquerung teil. „Seit dem Unfall habe ich 21 Länder bereist, wobei die eine Destination noch immer an erster Stelle steht: der Ayers Rock im Outback Australiens.“ Das sie das auch noch schaffen wird, steht für die Münchnerin Wechsel außer Frage.

    • Das Buch „Wer Flügel hat braucht keine Beine“ von Christina Wechsel und mit Julia Heyne ist erschienen bei der HarperCollins Germany GmbH; ISBN 978-3-7499-0023-7
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