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Bad Wörishofen: Corona: Zwangspause bei Erstimpfungen im Unterallgäu

Bad Wörishofen

Corona: Zwangspause bei Erstimpfungen im Unterallgäu

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    Der Eingang zur Erstimpfung im Impfzentrum Bad Wörishofen. Dort hadert man mit einem Engpass beim Biontech-Impfstoff.
    Der Eingang zur Erstimpfung im Impfzentrum Bad Wörishofen. Dort hadert man mit einem Engpass beim Biontech-Impfstoff. Foto: Ulrich Wagner

    Im Corona-Impfzentrum Bad Wörishofen gibt es in dieser Woche keine einzige Erstimpfung mit Biontech oder Moderna. Der zugesagte Impfstoff hatte zunächst nicht einmal für die anstehenden Zweitimpfungen gereicht. Dr. Max Kaplan, der ärztliche Koordinator im Unterallgäu, übt scharfe Kritik an den politisch Verantwortlichen. Dass es in dieser Woche überhaupt Erstimpfungen gibt, liegt an dem Sonderkontingent Johnson & Johnson, das dem Unterallgäu zugeteilt wurde.

    Das Impfzentrum in Bad Wörishofen könnte pro Woche 6300 Unterallgäuer gegen Corona impfen, sagt Max Kaplan. Stattdessen gibt es in dieser Woche keine einzige reguläre Erstimpfung mit Biontech oder Moderna, jenen Impfstoffen, die an die Impfzentren geliefert werden. Dass Kaplan überhaupt Erstimpfungen durchführen kann, liegt an 1600 Dosen des Impfstoffs von Johnson & Johnson. Dieser wurde dem Unterallgäu für eine Sonder-Impfaktion zugeteilt. Die Stadt Memmingen erhält ebenfalls 1600 Dosen. Mit Biontech und Moderna sind nur Zweitimpfungen möglich. Doch selbst dafür hätte der Impfstoff in Bad Wörishofen diesmal nicht ausgereicht.

    Max Kaplan ist der ärztliche Koordinator im Unterallgäu.
    Max Kaplan ist der ärztliche Koordinator im Unterallgäu. Foto: Ulrich Wagner

    „Ich hatte mit Engpässen bei den Erstimpfungen gerechnet“, sagt Kaplan. „Aber nicht damit, dass ich sogar zu wenig Impfstoff für die Zweitimpfungen bekomme.“ Auch hier geht es um Biontech. Er habe die Regierung von Schwaben eingeschaltet, nachdem auch in benachbarten Impfzentren kurzfristig kein Impfstoff leihweise verfügbar war. Nun kommt eine ausreichende Menge Biontech für die Zweitimpfungen. Derweil half Kaplan dem Impfzentrum in Günzburg mit 30 Dosen Moderna aus und hielt gleichzeitig 130 weitere Moderna-Dosen für anstehende Zweitimpfungen in Bad Wörishofen zurück.

    In dieser Woche stehen in Bad Wörishofen 2016 Zweitimpfungen mit Biontech und 320 mit Moderna an. Eigentlich sollten derzeit die Bürger in der Priosierungsgruppe 3 erstmals geimpft werden. Alleine 5000 Namen stehen auf der Warteliste, sagt Kaplan. Sie müssen weiter warten. „Der Fokus in den nächsten rund drei Wochen“ liege in den Impfzentren auf den Zweitimpfungen, teilte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek dazu am Mittwoch mit. Dabei liegt das Unterallgäu bei der Impfquote immer noch unter dem Landesschnitt. 39,2 Prozent der Bayern sind einmal geimpft, rund 11 Prozent haben bereits die zweite Impfung erhalten. Im Unterallgäu und in Memmingen wurden – Stand 19. Mai – bislang 37,7 Prozent oder 71.378 Bürger erstmals geimpft. Rund 10,6 Prozent oder 19.978 Menschen haben schon die zweite Impfung erhalten.

    "Dieses Vorgehen ist nicht aufrichtig", kritisiert Impf-Koordinator Max Kaplan

    Dass die Staatsregierung in dieser Situation die Priorisierung aller Impfstoffe für Haus- und Fachärzte aufhebt, kann Kaplan nicht verstehen. Die Regelung gilt ab dem heutigen Donnerstag. „Die Politik tut so, als zünde der Impfturbo, indem man immer mehr Strukturen schafft“, kritisiert Kaplan. „Aber das geht nicht, weil niemand derzeit ausreichend viel Impfstoff hat.“ Dieses Vorgehen sei „nicht aufrichtig“, sagt Kaplan. „Jetzt gibt man den einen was und nimmt es dafür anderen weg“, sagt er zum Prinzip der Impfstoffverteilung. „Die Priorisierung aufzuheben, bevor die Prio-3-Gruppe geimpft ist, halte ich zudem für falsch“, sagt Kaplan. „Diese Menschen fallen dann durchs Netz.“ Das Vorgehen der Staatsregierung sei ein Fehler.

    Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (rechts) war viele Jahre lang Bürgermeister von Bad Wörishofen.
    Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (rechts) war viele Jahre lang Bürgermeister von Bad Wörishofen. Foto: Sven Hoppe, dpa

    „Ich halte es auch für falsch, dass die Impfzentren keinen AstraZeneca-Impfstoff bekommen“, sagt Kaplan unserer Redaktion. Dieser werde nur noch für anstehende Zweitimpfungen geliefert und dürfe ansonsten nur noch von niedergelassenen Ärzten oder Betriebsärzten verwendet werden. „Dabei täten wir uns im Impfzentrum viel leichter, AstraZeneca an den Mann zu bringen, zum Beispiel durch Sonder-Impfaktionen“, betont Kaplan. „Ich bin überzeugt, dass das erfolgreich wäre.“ Die niedergelassenen Ärzte müssten da wesentlich mehr Überzeugungsarbeit leisten, was zusätzlich Zeit koste. Ein erhöhtes Thromboserisiko hat zu Misstrauen geführt. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass so etwas entschieden wird“, sagt Kaplan zu der Regelung. „Biontech und Moderna bräuchte ich im Impfzentrum eigentlich dringend für die unter 60-Jährigen“, erläutert der Mediziner.

    Das sagt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek zum Wegfall der Erstimpfungen

    Wie kam es dazu, dass im Impfzentrum Bad Wörishofen in dieser Woche keine Biontech-Erstimpfungen möglich sind? Eine Mitteilung des bayerischen Gesundheitsministeriums soll damit zu tun haben, laut Medienberichten bayernweit. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, der ehemalige Bürgermeister von Bad Wörishofen, teilte dazu mit, sein Ministerium habe „keine generelle Absage von bereits vereinbarten Erstimpfterminen an die Impfzentren veranlasst“. Aber: „Der Fokus in den nächsten rund drei Wochen liegt in den Impfzentren auf den Zweitimpfungen.“ Allein in Bayerns Impfzentren stünden in den kommenden vier Wochen mehr als 1,1 Millionen Zweitimpfungen an.

    Das liege am hohen Tempo bei Erstimpfungen in den Wochen 14 bis 16. Diese wurden durch eine Verschiebung von Zweitimpfungen mit Biontech von drei auf sechs Wochen durch die Impfkommission des Bundes möglich. Diese Erstimpfungen nennt Holetschek einen Erfolgsfaktor im Kampf gegen die dritte Corona-Welle. Man bereite die Zweitimpfungen „mit höchster Sorgfalt“ vor. Durch die geänderten Vorschriften zu AstraZeneca für über 60-Jährige komme nun auch bei Zweitimpfungen Biontech oder Moderna zum Einsatz. „Dieser Impfstoff kann dann nicht für Erstimpfungen verwendet werden“, so Holetschek. „Zur Wahrheit gehört auch: Bei nahezu gleichbleibenden Liefermengen durch den Bund für die Impfzentren bedeutet dies eine Verschiebung des Impfstoffs hin zu Zweitimpfungen.“ Zweitimpfungen hätten Priorität, damit erst sei der volle Impfschutz hergestellt. Zudem erhielten die Menschen damit viele Freiheitsrechte zurück. Corona-Erstimpfungen seien bei Haus- und Fachärzten weiterhin möglich. Bayerns Impfstrategie nennt Holetschek in der Mitteilung erfolgreich.

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