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Bad Wörishofen: Beim Festival der Nationen in Wörishofen siegt Kunst über Corona

Bad Wörishofen

Beim Festival der Nationen in Wörishofen siegt Kunst über Corona

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    Hier bekam es jeder Schwarz auf Grün: Eine „Temperatur im Normalbereich“ beim Test an den Eingängen mit Wärmebildkameras war Voraussetzung, um überhaupt ins Kurhaus zu gelangen.
    Hier bekam es jeder Schwarz auf Grün: Eine „Temperatur im Normalbereich“ beim Test an den Eingängen mit Wärmebildkameras war Voraussetzung, um überhaupt ins Kurhaus zu gelangen. Foto: Bernd Feil

    So ein Festival der Nationen gab es in Bad Wörishofen noch nie. Wärmebildkameras an den Eingängen, nur 200 Menschen im 1000-Plätze-Kursaal, Weltstars, die zweimal am Abend das gleiche Konzert geben: Die Sorge vor Corona hatte auch dieses musikalische Großereignis im Griff. Aber das ist nur der eine Teil der Bilanz. Der andere fällt weitaus freudiger aus. „Wir haben noch nie ein Festival erlebt, in dem die Kunst derart im Mittelpunkt stand“, sagt Intendant Winfried Roch aus Türkheim. Er habe eine „Mischung aus Freude und Dankbarkeit“ gespürt, dass wieder gemeinsam „musikalische Geschenke“ geteilt werden durften, wie Roch es formuliert. Das sei sehr wichtig. „Kunst wieder zusammen im Live-Format zu erleben, erzeugt Leidenschaft und Solidarität. Beides haben wir in diesem Jahr verspürt“, sagt Roch.

    2800 Besucher kamen nach Bad Wörishofen

    Sieben Festivalabende, 14 Konzerte und insgesamt 2800 Besucher statt 5500, wie im Vorjahr: Das war das Festival in Zahlen. Dass es stattfinden konnte, dafür dankt Roch den zahlreichen Unterstützern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. „Den Wunsch der bayerischen Staatsregierung, auch in Sachen Kultur und Bildung wieder ein Stück Normalität zu vermitteln, haben wir sehr ernst genommen und unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen umgesetzt“, bilanziert Roch. Dass viel politische Prominenz, auch aus der Staatsregierung, dem Festival die Aufwartung machte, wertet Roch als Zeichen, dass das Hygiene- und Sicherheitskonzept auf „große Akzeptanz gestoßen ist“.

    „Großartig“ nennt Roch zudem die Unterstützung der Künstler. Zwei identische Konzerte an einem Abend, das macht normalerweise keiner. Für das Festival der Nationen haben die Stars es aber getan.

    Besondere Freude über gelungene Bildungsprojekte

    „Eine besondere Freude war es für uns, dass wir auch alle Bildungsprojekte realisieren und mit rund 500 Kindern und Jugendlichen den 250. Geburtstag Beethovens feiern konnten“, sagt Roch. Auch das Bildungsprojekt „Junge Festivalfamilie“ ging weiter. Dabei zahlen Paten Jugendlichen den Eintritt zu den Konzerten.

    „Wir hoffen sehr, dass wir auch bei der Kultur in Bayern bald wieder zur Normalität zurückkehren können, um insbesondere jungen Menschen wieder eine Perspektive zu geben“, sagt Roch. „Alles, was mit Bildung, mit Kultur zu tun hat, mit der Erziehung des Herzens, wie es der französische Schriftsteller Flaubert formulierte, wird derzeit infrage gestellt“, schildert Roch. „Wir sollten sehr darauf achten, dass uns nicht Entscheidendes verloren geht. Kultur ist kein Luxusgut, sondern Lebensmittel.“

    Für dieses Lebensmittel hielten auch Festivalgäste den Machern die Treue. Es habe nur sehr wenige Absagen gebuchter Karten aufgrund von gesundheitlichen Bedenken gegeben, etwa durch Vorerkrankungen, berichtet Roch. Zudem sei das Verständnis groß gewesen, dass bei der nötigen Neuvergabe der Karten nicht mehr alle zum Zuge kamen, die ihren Platz bereits sicher hatten. Für dieses Verständnis danke er sehr, so Roch.

    „Die Implementierung der Wärmebildtechnologie in das Sicherheitskonzept des Festivals war ein wichtiger Baustein“, sagt der Intendant. Erhöhte Körpertemperatur ist zwar nur ein Indiz von mehreren für eine Corona-Erkrankung. Dennoch habe man so eine „wichtige Sicherheitsmaßnahme“ integrieren können. Hier kam den Rochs ihre Erfahrung als internationales Tourneeunternehmen, vor allem in Asien, zugute. Dort sind solche Schleusen längst üblich. In Bad Wörishofen gab es an der Schleuse nur vereinzelte Auffälligkeiten. Etwa weil jemand sehr in Eile war, um den Konzertbeginn nicht zu verpassen, und deshalb mit leicht erhöhter Körpertemperatur an die Schleuse kam. Solche Fälle wurden direkt mit einem Arzt vor Ort geklärt, berichtet Werner Roch. Abgewiesen werden musste niemand, es sei auch niemand mit erhöhter Temperatur in den Saal gelangt. „Wir freuen uns über die große Akzeptanz der Konzertbesucher und sind überzeugt, dass Wärmebildtechnologie in vielen Bereichen unseres Lebens vielleicht auch bald in Europa zum Standard werden könnte“, findet Winfried Roch.

    Das Zusammenspiel im Bad Wörishofer Kursaal war nicht immer einfach

    Eine weitere Herausforderung dieses Festivals war der musikalische Teil. Zwei Konzerte an einem Abend, dazu ein riesiger Saal mit nur wenigen Gästen, das musste bewältigt werden. „Auch wenn das Zusammenspiel im Orchester durch die Einhaltung der Mindestabstände nicht immer einfach und durch zwei Konzerte an einem Abend doppelte Konzentration erforderlich ist, war die künstlerische Qualität einmal mehr hervorragend“, findet Intendant Roch. „Auch die Akustik im Saal war durchaus ansprechend, da wir durch die Akustikwände auf der Bühne sehr gute Voraussetzungen geschaffen haben.“

    Bildungsprojekte für Schüler spielten auch heuer eine große Rolle beim Festival der Nationen, hier „Beethoven für Kinder“ mit Heinrich Klug.
    Bildungsprojekte für Schüler spielten auch heuer eine große Rolle beim Festival der Nationen, hier „Beethoven für Kinder“ mit Heinrich Klug. Foto: Bernd Feil

    Dass Star-Geigerin Julia Fischer mit dabei war, ebenso der herausragende Beethoven-Interpret Rudolf Buchbinder, macht Roch glücklich. „Mit den Debüts des herausragenden Pianisten Daniil Trifonov, der 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker und des großartigen Tenors Rolando Villazón und Xavier de Maistre an der Harfe erweiterten wir den Kreis der Stars, die beim Festival der Nationen hautnah zu erleben sind“, so Roch. Die Cellisten setzten am Samstagabend den Schlussakkord, die Konzertbesprechung erscheint in der Dienstagsausgabe.

    Herausragende Künstler waren beim Festival der Nationen 2020 zu erleben, Rudolf Buchbinder zum Beispiel gleich an zwei Tagen.
    Herausragende Künstler waren beim Festival der Nationen 2020 zu erleben, Rudolf Buchbinder zum Beispiel gleich an zwei Tagen. Foto: Bernd Feil

    Natürlich ist ein Festival der Nationen unter diesen Bedingungen auch eine finanzielle Herausforderung. Es fehlen Einnahmen durch Kartenverkauf. Man habe deshalb „zahlreiche Einsparungen insbesondere bei Werbung und Übernachtung“ vorgenommen, sagt Roch. Nur so sei es möglich gewesen, das Festival zu präsentieren. Dieses wird wie immer auch von der Stadt Bad Wörishofen finanziell unterstützt, zuletzt mit 68.000 Euro.

    Weltklasseharfenist Xavier de Maitre (von links), Startenor Rolando Villazón, Schauspieler Günther Maria Halmer mit Frau Claudia, das Verleger-Ehepaar Hans und Christine Högel mit Intendant Winfried Roch.
    Weltklasseharfenist Xavier de Maitre (von links), Startenor Rolando Villazón, Schauspieler Günther Maria Halmer mit Frau Claudia, das Verleger-Ehepaar Hans und Christine Högel mit Intendant Winfried Roch. Foto: Bernd Feil

    Die Festival-Macher richten den Blick derweil bereits auf das Jahr 2021. Dieses steht nicht nur im Zeichen des 200. Kneipp-Geburtstages. Die Welt erinnert auch an den 230. Todestag von Wolfgang Amadeus Mozart. „Das Festival der Nationen feiert diesen besonderen Anlass mit bedeutenden Werken dieses musikalischen Genies“, kündigt Roch an. Mit dabei sind die Klarinettistin Sabine Meyer, der Pianist Fazil Say, die Geschwister Khatia und Gvantsa Buniatishvili und erstmals die Sopranistin Olga Peretyatko. Auch die Pianistin Beatrice Rana wird zu erleben sein.

    Die Planungen für das Festival 2021 laufen schon

    Einst galt sie beim Festival der Nationen als Shooting-Star. „Heute zählt sie zu den renommiertesten Pianistinnen ihrer Generation“, so Roch. Auch die Weltstars Nigel Kennedy und Diana Damrau werden mit dabei sein. Zudem gibt es noch das Sonderkonzert mit Anne-Sophie Mutter, das heuer ausfallen musste. Karten für das Festival 2021 gibt es unter anderem bei der Mindelheimer Zeitung.

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