Der Mann weiß für sich einzunehmen. „Sie sind für mich der wichtigste Mensch“, sagt er und schiebt ein „im Augenblick“ nach. Da kommt gute Laune auf. Wir sitzen uns beim Laupheimer in Günz an der Günz gegenüber. Uwe Woitzig, Autor des Bestsellers „Hofgang im Handstand“, hatte den Treffpunkt vorgeschlagen. Er kommt gerne hierher.
Seit zwei Jahren lebt Woitzig in der Nähe von Mindelheim. Seine Lebensgefährtin kommt von hier. Niemand soll in der Zeitung lesen, wo genau er wohnt. Er will seinen Frieden haben. Trubel um seine Person hat es in der Vergangenheit schon genug gegeben. Zeitweise waren die Gazetten vor allem in München voll von seinem Fall. Zu fünf Jahren Haft war er Ende der 80er Jahre verurteilt worden, zweieinhalb Jahre davon saß der Finanzjongleur tatsächlich im „Knast“ ab, wie er sagt, für Betrug im dreistelligen Millionenbereich. So eine Geschichte lässt sich weder Bild noch Abendzeitung, Süddeutsche oder Bunte entgehen.
Woitzig muss man sich in den 80er Jahren als jemanden vorstellen, der Designeranzüge trug – wie seine Kunden. Der Rolls Royce fuhr – wie seine Kunden. Der Kaviar und Champagner genoss – wie seine Kunden. Der in den teuersten Fünf-Sterne-Hotels weltweit abstieg – wie seine betuchten Kunden aus München, Monte Carlo oder den USA. Und der in der Businessclass um die Welt jettete. Woitzig war Chef der Privatbank Sinzinger Ingolstadt. Er hatte den Sender TV Weiß-blau aufgebaut, der heute TV München heißt. Es war ein Leben unter Strom, aber auch eines in Saus und Braus.
800 Millionen Euro hatte Woitzig zur Verfügung, erzählt er. Mit neuem Geld, das ihm der Jetset anvertraute, wurden Finanzlöcher gestopft. Irgendwann war es vorbei mit der Blenderei, das Kartenhaus fiel in sich zusammen. Uwe Woitzig erinnert das fatal an die Strategie der Politik, den Euro zu retten.
Er glaubt daran nicht mehr. „Es wird zu einer neuen Weltwährung kommen, die sich auf der Basis von Yuan, Dollar, Schweizer Franken und Euro bilden wird“, prophezeit Woitzig. Er wundere sich nur, dass „Worthülsenverschießer“ im deutschen Fernsehen ständig anderes erzählten. Der Währungsschnitt ist seiner Meinung nach nicht mehr zu vermeiden. Das viele Geld für die Rettungsschirme sei nichts anderes als gutes Geld dem schlechten hinterherzuwerfen.
Woitzig ist tief gefallen, sollte man meinen. Tatsächlich hat er im Gefängnis zu sich gefunden, wie er in seinem Buch „Hofgang im Handstand“ schildert, das die Bestsellerlisten erobert. Die Zeit in der acht Quadratmeter großen Zelle in Stadelheim hat er als Befreiung für sich erlebt. Außergewöhnliche Mitgefangene lernte er kennen und schätzen, darunter einen „Meister aus Tibet“, zu dem alle kranken Katzen des Gefängnisses kamen, um geheilt zu werden. Woitzig schwört, dass nichts in dem Buch erfunden ist.
All der Luxus ist für ihn längst uninteressant geworden. Einsichten eines Bergbauern faszinieren ihn. Ehrliche, geerdete, liebenswerte Menschen sind heute seine Helden. Dass gerade jene am menschlichsten reagierten, denen es nicht gut geht, erlebt Woitzig immer wieder. Die Unterallgäuer hat Woitzig, der ursprünglich aus Hattingen im Ruhrgebiet stammt, längst schätzen gelernt. Auch die Region hat etwas Magisches, sagt er. „Orte der Kraft“ hat Uwe Woitzig rund um Mindelheim ausgemacht. Den Ursberger Kreuzgang, Baumgärtle und ganz besonders die Basilika in Ottobeuren.
Wie anders hat er die Welt der Schönen und Reichen erlebt. Vernünftige Gespräche waren kaum möglich, sagt er. Politik und Religion tabu. Alle seien „angstbesetzt“ in Sorge, etwas von ihrem Reichtum einzubüßen. Eine hohle, oberflächliche Welt beschreibt Woitzig in seinem Buch.
Sein „mächtig aufgeblasenes Ego zerplatzt“, heißt es in einer Pressemitteilung über das Buch. Wer das allzu wörtlich nimmt, wird beim Kennenlernen überrascht sein. Woitzig ist alles andere als ein gebrochener Mensch. Ein bisschen eitel ist er immer noch. Es wäre charmant, schreibt er im Nachgang zu unserem Gespräch, wenn sein Alter unerwähnt bliebe. Woitzig bestreitet heute seinen Lebensunterhalt überwiegend als freier Autor. Einzelne Kunden berät er noch in Finanzfragen.
Die Onlineplattform www.esoterikmesse.de hat den Gefängnisbericht zum Buch des Monats gekürt. Inzwischen hat Woitzig drei andere Manuskripte verfasst, die demnächst verlegt werden sollen. Eines davon befasst sich mit John Law, der Anfang des 17. Jahrhunderts am französischen Hofe das Papiergeld eingeführt hat und mit Schimpf und Schande davongejagt wurde, weil der König die Druckmaschinen anwarf und viel zu viele Noten drucken ließ. Für dieses Werk erntete er schon vorab den „Otto-Mainzer-Preis“. Längst hat das Fernsehen Lunte gerochen. Bei Plasberg soll Woitzig demnächst auftreten, bei Markus Lanz ebenfalls. Auch Dr. Vera Russwurm wird im Österreichischen Fernsehen berichten. Die Sendung ist diese Woche in Wien aufgezeichnet worden.
Auch in Mindelheim gibt Uwe Woitzig ein Stelldichein. Am Donnerstag, 27. Oktober, liest er aus seinem Buch „Hofgang im Handstand“ bei Bücher Thurn. Anmeldung unter Telefon 08261/71000.
Uwe Woitzig: „Hofgang im Handstand – Mein Weg in die Freiheit“, 336 Seiten, Integral Verlag 19,99 Euro.