Es ist der Raum des Lebens im Allgäu-Hospiz in Kempten, in dem alles zusammenkommt: Es ist ein Ort zum Beten, Nachdenken und Trauern – ein Ort der Ruhe. „Hier passiert ganz viel“, sagt Hospizleiterin Susanne Hofmann und blickt sich in dem hellen Zimmer um. „Vor allem ganz viel Gefühl“, ergänzt sie. Auf einer Tafel neben der Tür stehen sie – die Gefühle in verschlungenen Buchstaben: Wut und Schmerz neben Nähe und Hoffnung. „Hier haben alle Gefühle Platz. Wir sind ein lebensfrohes Haus“, sagt Susanne Hofmann und lächelt.
Es sei ein langer, aufregender Weg gewesen, aber nun ist er fertig, der Neubau des Kemptener Allgäu- Hospizes mit den Räumen des Hospizvereins. Das Haus wurde vor wenigen Tagen eingeweiht. „Bisher hatten wir Platz für acht Menschen, in Zukunft für bis zu 16“, sagt Hofmann. Die Hospizleiterin sagt bewusst Gäste und nicht Patienten. „In der Regel wollen Pflegekräfte heilen“, sagt die 56-Jährige, die sich Menschen widmet, die nicht geheilt werden können. „Unsere Fachkräfte begleiten schwerkranke Menschen fürsorglich und professionell in ihrer letzten Lebensphase.“
Das Kemptener Hospiz gibt es seit 2003
Seit zehn Jahren arbeitet sie im Kemptener Hospiz, das es seit 2003 gibt. Sie ist nun an der richtigen Stelle, wie sie sagt. Das Hospiz sei ein Ort, wo sie gerne hingehe. Jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit überlegt sich Hofmann, was sie erledigen will: Telefonate, Gespräche mit Gästen und Angehörigen, Teambesprechungen. „Dann komme ich an und werfe meine Pläne über den Haufen, weil eh alles anders verläuft als geplant“, sagt Hofmann.
Sie und ihre Mitarbeiter müssen flexibel sein, um die tägliche Arbeit stemmen zu können. „Wir haben keine festen Abläufe.“ Im Hospiz hat jeder seinen eigenen Rhythmus. „Schwerstkranke brauchen keine festen Zeiten“, sagt Hofmann. Die examinierten Pflegekräfte richten sich nach den Bedürfnissen ihrer Gäste. „Wertschätzung und Akzeptanz spielen in unserer Arbeit eine wichtige Rolle“, sagt Hofmann. Den Menschen ohne Vorurteile zu begegnen: Das bewirke viel. Sie erzählt von einer schwerkranken Frau, die vor Jahren im Kemptener Hospiz betreut wurde.
Der letzte Wunsch einer sterbenden Frau: Spargelspitzen
Sie hatte keinen Appetit und konnte nichts mehr essen. „Doch sie wünschte sich unbedingt Spargelspitzen“, erinnert sich Hofmann. Das Team besorgte Spargel, kochte und schnitt ihn. „Die Frau aß genau eine kleine Spargelspitze und war so unfassbar glücklich. So etwas bewegt“, sagt die Hospizleiterin. Es sind Begegnungen wie diese, die im Gedächtnis bleiben und die Hofmann auch demütig machen: „Man lernt, die Zeit bewusst wahrzunehmen und dankbar zu sein.“
Von klein auf wollte Hofmann Krankenschwester werden. 22 Jahre arbeitete sie in dem Beruf - ambulant wie stationär. Schließlich entschied sie sich, eine Weiterbildung für die Palliativarbeit zu machen. „Diese Ausbildung verändert menschlich“, sagt die 56-Jährige. Es war keine einfache Entscheidung, denn Hofmann hatte bereits eigene Erfahrungen mit intensiver Trauer. 28 Jahre alt war sie, als ein enges Familienmitglied Suizid beging.
Viele Menschen haben Angst vor Schmerzen und der Einsamkeit
Hinzu kam ein tödlicher Verkehrsunfall in der Familie. „Es ist irgendwie Schicksal, dass ich hier gelandet bin“, sagt Hofmann. „Ich bin dankbar, dass ich mit diesen für mich besonderen Menschen Zeit verbringen durfte“, fügt sie hinzu. Dies sei auch eine Tatsache, die viele Schwerkranke beschäftige: Frieden mit sich selbst und ihrer Umwelt. „Die meisten Gäste haben Angst vor der Einsamkeit und vor den Schmerzen“, sagt Hofmann.
In den meisten Fällen können die Pflegekräfte, Ehrenamtlichen, Seelsorger, Therapeuten und Ärzte diese Ängste nehmen. Hofmann nimmt in den Arm, wenn es gewollt ist, hält aber auch berufliche Distanz, ohne die es nicht gehen würde, wie sie sagt. „Und wenn dann der Verstorbene ein Lächeln auf dem Gesicht hat, dann ist das der schönste Moment in meiner Arbeit“, erzählt Susanne Hofmann.