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Allgäu: Angeklagte stiehlt Richterin die Akte

Allgäu

Angeklagte stiehlt Richterin die Akte

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    Eine Angeklagte stahl der Richterin während der Verhandlung die Akte.
    Eine Angeklagte stahl der Richterin während der Verhandlung die Akte. Foto: Fred Schöllhorn (Symbolbild)

    Zu äußerst skurrilen Szenen ist es jüngst im Amtsgericht Kaufbeuren gekommen: Eine 49-jährige Angeklagte hat einen Tumult im Gerichtssaal dazu genutzt, ihre Gerichtsakte vom Tisch der Richterin zu stehlen und einem Bekannten zuzuwerfen. Dann machte sie sich aus dem Staub. Das teilte Amtsgerichtssprecherin Claudia Kögel auf Nachfrage unserer Zeitung mit. Eine ähnlich turbulente Gerichtsverhandlung ist in Kaufbeuren wohl noch nie vorgekommen. Die 49-Jährige gehört offenbar zu einer Gruppierung, die den deutschen Staat grundsätzlich ablehnt.

    Die Angeklagte wurde zu einer Haftstrafe verurteilt

    Ein Bekannter der Frau hat die Verhandlung zudem gefilmt und bei Youtube ins Internet gestellt. Die Frau wurde wegen Fahrens ohne Führerschein (das Delikt war Anlass des Prozesses) in Abwesenheit zu acht Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Die Polizei ermittelt wegen Diebstahls der Gerichtsakte nun gegen die Ostallgäuerin sowie gegen weitere Verdächtige, weil diese die Verhandlung gefilmt hatten.

    Die 49-Jährige war schon mehrfach mit dem Auto gefahren, obwohl sie keinen Führerschein besitzt. Zudem ist die Frau unter anderem wegen Drogenhandels vorbestraft. Immer wieder unterbrach die Angeklagte die Sitzung, indem sie laut dazwischen rief. Unterstützt wurde sie dabei von etwa 20 klatschenden und hämisch lachenden Zuschauern.

    Mann aus Zuschauerraum erklärte sich selbst zum Richter

    Nach dem Plädoyer des Staatsanwaltes stand plötzlich ein Mann aus der Gruppe im Zuschauerraum auf und erklärte sich selbst zum Richter. Daraufhin spielten sich tumultartige Szenen ab. Die Zuschauer stürmten nach vorn zum Tisch der Richterin, eine Diskussion brach los. Die Richterin musste die Verhandlung unterbrechen und verließ den Saal. Den Trubel nutzte die Angeklagte, um die Gerichtsakte an sich zu reißen und einem ihrer Unterstützer zuzuwerfen. Dieser wurde vom Gericht zwar aufgefordert, die Akte wieder herauszugeben. Er hatte sie aber offenbar einem weiteren Bekannten übergeben, sodass nicht zu klären war, bei wem sich die Akte befindet.

    Die Frau gehört offenbar zu einer Gruppierung, die den Staat ablehnt

    Möglicherweise gehört die Frau zu der Gruppierung OPPT, die den Staat ablehnt. „Der Staat ist ein Geschäftsmodell und ich bin keine Angestellte Ihrer Firma“, hatte sie zuvor der Richterin gesagt und sich geweigert, beispielsweise Angaben zu ihrer Arbeit zu machen. Das Video, das heimlich vom Zuschauerraum aus gefilmt wurde, ist immer noch bei Youtube im Internet zu finden. Die Angeklagte und ihre Unterstützer verließen noch in der Verhandlungspause das Gerichtsgebäude. Um eine weitere Eskalation zu vermeiden, versuchte laut Sprecherin Kögel niemand, die Gruppe aufzuhalten.

    Gebracht hat der Aktendiebstahl der Frau letztendlich nichts, denn das Führerscheindelikt wurde später aus vorhandenen Akten rekonstruiert. Auch die Verzögerungstaktik blieb wirkungslos: Die 49-Jährige wurde nach der Verhandlungspause in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten ohne Bewährung verurteilt. Die Strafe muss die Frau in Kürze antreten. Das Strafmaß für den Aktendiebstahl ist noch offen.

    Die Rechtslage

    Selbst wenn ein Angeklagter – wie im aktuellen Fall geschehen – eine Verhandlung frühzeitig verlässt, kann er noch in der selben Sitzung verurteilt werden. Er muss lediglich vorher vom Richter vernommen worden sein.

    Das Stehlen einer Gerichtsakte im Gerichtssaal gilt lediglich als einfacher Diebstahl. Darauf kann je nach Entscheidung des Richters eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe verhängt werden. Besonders schwerer Diebstahl, zum Beispiel mit einer Waffe, wird dagegen immer mit einer Freiheitsstrafe (drei Monate bis zehn Jahre) geahndet.

    Es ist nicht erlaubt, während Gerichtsverhandlungen Film- und Tonaufnahmen zu machen. Das besagt die Strafprozessordnung. Die Veröffentlichung solcher Aufnahmen ist ebenfalls verboten. Wird ein Film öffentlich gemacht, ohne dass die darauf Gezeigten einverstanden sind, steht darauf bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe.

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