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75 Jahre: Kriegsende: Als der Schrecken endlich ein Ende nahm

75 Jahre

Kriegsende: Als der Schrecken endlich ein Ende nahm

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    Alle größeren Häuser waren belegt: der Sonnenhof, das Parkhotel, Kneippianum, Kinderheim, das Kurhotel St. Josef und viele mehr.
    Alle größeren Häuser waren belegt: der Sonnenhof, das Parkhotel, Kneippianum, Kinderheim, das Kurhotel St. Josef und viele mehr. Foto: Sammlung Michael Scharpf

    Wenn in diesen Tagen über die Auswirkungen des Corona-Virus berichtet wird, dann ist oft zu hören, dass es ein solch schlimmes Szenario seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr gegeben habe. Heuer ist es 75 Jahre her, dass auch in Bad Wörishofen der Krieg zu Ende gegangen ist. Am 27. April 1945 zogen die amerikanischen Soldaten in den damaligen Lazarettort ein.

    Dass die Übergabe friedlich erfolgte, darf auch heute noch als glückliche Fügung bezeichnet werden. In Publikationen, unter anderem in der bestens recherchierten Facharbeit von Simon Ledermann, ist auch diese Übergabe exakt beschrieben. Seine Zusammenfassung aus dem Jahre 2010 fußt überwiegend auf Zeitzeugen vor Ort, die ihre Erlebnisse schilderten.

    Dass diese Zeitzeugen immer weniger werden, ist mit dem zeitlichen Ablauf leicht nachzuvollziehen. Einige davon hat auch die MZ wieder einmal besucht und wollte sich zunächst speziell darüber informieren, wie die Stimmung im Kneipport, der damals ja noch nicht Stadt war, vor dem eigentlichen Kriegsende war. Erste Ansprechpartnerin dazu war Anna Dillis, fast 94 Jahre alt und mit einem phänomenalen Gedächtnis ausgestattet. Auch ihr Mann Sebastian war beim Gespräch mit dabei und wusste einiges Interessantes beizutragen.

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    Eine weitere bezieht sich darauf, welche der Siegermächte nach Bad Wörishofen kommen würden. Ihre Angst sei stets gewesen: „Hoffentlich sind es die Amerikaner, nicht die Franzosen.“ Dieser Wunsch ging dann ja auch in Erfüllung. Schon weit bevor das Kriegsende eingeläutet war, war

    Daran kann sich Anna Dillis noch bestens erinnern: „Der ganze Ort war voller Verwundeter. Alle größeren Häuser waren mit ihnen belegt, der Sonnenhof, das Parkhotel, Kneippianum, Kinderheim, das Kurhotel St. Josef und viele mehr. 4000 Verwundete, evakuierte Kinder und Mütter beherbergte Wörishofen am Ende des Krieges. Später, als die KZ-Außenlager in Türkheim und Kaufering aufgelöst wurden, kamen speziell in das Parkhotel auch viele Insassen von dort.“ Zu allem Leid kam es dort auch noch zu einer Typhus-Epidemie. Zwar konnten einige der Kranken geheilt werden, doch die ohnehin hohe Todesrate stieg deutlich an. An dieser Stelle klinkt sich Sebastian Dillis ins Gespräch mit ein. Die Schreinerei seiner Eltern musste wegen des Krieges bereits geschlossen werden, doch als Jugendlicher erhielt er eine Lehrstelle bei der späteren Schreinerei Mock. „Der Betrieb wurde jedoch vom Flugplatz aus beschlagnahmt, man hatte ja selbst schon nichts mehr zu sagen gehabt“, so seine Aussage.

    Särge herzustellen war die Hauptarbeit

    Seine Hauptarbeit jedoch sei es gewesen, Särge mit herzustellen und diese mit einem Handkarren zu Garagen beim Eichwald zu bringen, wo sie dann vom Friedhofswart Paul abgeholt wurden. In diese Zeit fiel schließlich auch die Erweiterung des Friedhofs nach Süden, der bis dahin nur bis zum immer noch bestehenden Leichenhaus reichte. In dieser Abschlussmauer, so erinnert sich Anna Dillis, sei ein Kreuzweg aus schönen farbigen Reliefs eingearbeitet gewesen. Dass dieser offensichtlich auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist, bedauert sie noch heute.

    Über sich selbst erzählte Anna Dillis, dass sie nach ihrem Abschluss hier in der Handelsschule im Kloster den Stellungsbefehl nach Viechtach erhielt, wo sie zusammen mit 60 anderen Mädchen im Arbeitsdienst mitwirkte. Schließlich war sie froh, im März 1945 wieder in den Süden nach Wörishofen gekommen zu sein. „Für die Mädchen aus den Ostgebieten war das wesentlich schlimmer, denn diese konnten ja nicht mehr nach Hause“, bedauert sie deren Schicksal.

    Fremde Radiosender hören, das war immer noch ein Tabu

    Zu Hause in Wörishofen erwartete sie ein sehr freundliches und warmes Frühjahr, wie sie sich erinnert. In Wörishofen gab es zu dieser Zeit keinen Arbeitsdienst und so wurde Anna Dillis, wie viele andere junge Mädchen in den Lazaretten eingesetzt. Zu ihnen gehörte auch eine andere Zeitzeugin, die namentlich zwar nicht genannt werden will, aber gerade die Lazarettzeit vor, aber auch noch nach dem Kriegsende hautnah miterlebte. Sie absolvierte im Winter 1945 vier Monate lang die Ausbildung zur Schwesternschülerin im Krankenhaus in Pfaffenhausen und wurde vom 1. März an im Lazarett im Parkhotel eingesetzt. „Zur Ausbildung in

    Auch sie bestätigt, dass es selbst in den letzten Kriegstagen noch gefährlich war, falsche Äußerungen zu tun, obwohl manche schon wussten, dass es zum Beispiel Konzentrationslager gab und das Kriegsende nicht mehr weit war. Streng untersagt war natürlich bis zuletzt das Abhören fremder Radiosender. „Ich kann mir zwar denken, dass einige das heimlich im Keller schon gemacht haben, wir hatten uns aber nicht getraut.“ Dass solches Verhalten bis zuletzt lebensbedrohend war, kann an Beispielen nachvollzogen werden. Mit dem Einzug der amerikanischen Soldaten am 27. April im Kneippkurort hatten sich auch solche Themen erledigt.

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