Sei es im Garten, im Stadtpark oder an Wegrändern: Derzeit schießt Grünzeug aller Art aus dem Boden. Viele dieser gewöhnlichen Gewächse verdienen Beachtung, da sie wertvolle Inhaltsstoffe haben. Manche sind sogar anerkannte Arzneipflanzen. Tobias Niedenthal von der Forschergruppe Klostermedizin der Universität Würzburg erklärt, was in vermeintlichem Unkraut alles steckt.
Spitzwegerich: Ob am Wegrand oder auf Wiesen: Die unscheinbare Pflanze mit den schmalen, spitzen Blättern und den weißen Blüten wächst fast überall. Sie ist leicht zu erkennen und sowohl in der Hausapotheke als auch in der Küche vielseitig zu gebrauchen. In der Volksmedizin werden die Blätter bei Insektenstichen und zur Wundversorgung verwendet. Dazu kaut man die Blätter kurz und legt sie auf die Haut.
„Die Inhaltsstoffe Aucubin und Catalpol haben eine antibakterielle Wirkung, die bei äußerlicher Anwendung der frischen Blätter genutzt werden kann“, sagt Tobias Niedenthal. Zudem enthält die Arzneipflanze des Jahres 2014 unter anderem reichlich Schleimstoffe, die – als Tee oder Saft – Schleimhautreizungen in Mund und Rachen sowie Reizhusten lindern. „Die antibakteriell wirkenden Stoffe gehen aber meist durch die Verarbeitung verloren“, erklärt der Experte. Alle Teile der Pflanze sind essbar. Junge Blätter eignen sich zum Beispiel als Salatzutat.
Gewöhnliche Vogelmiere: Gartenbesitzer kennen das Pflänzchen mit den kleinen weißen Blütensternen meist nur als Unkraut. Dabei ist das Gewächs vor allem als Vitamin-C- und Mineralstoff-Lieferant wertvoll: Vogelmiere ist eine wohlschmeckende Zutat in Salaten, Suppen oder Quark. Zu viel sollte man davon aber wegen der enthaltenen Saponine nicht verzehren, warnt Niedenthal. In großen Dosen können diese sekundären Pflanzenstoffe zum Beispiel zu Übelkeit führen.
Früher wurde das Kraut auch als Heilpflanze verwendet, vor allem äußerlich für schlecht heilende Wunden oder Ausschlag. „In der modernen Medizin wird sie aber nicht eingesetzt“, sagt Niedenthal.
Gänsefingerkraut: Die weitverbreitete Pflanze kann man an den gefiederten Blättern und der leuchtend gelben Blüte mit den fünf Blütenblättern gut erkennen. Gänsefingerkraut ist eine traditionelle Arzneipflanze, deren Wirksamkeit bei leichtem Durchfall und Menstruationsbeschwerden durch neuere Untersuchungen bestätigt wurde. „Wie viele Rosengewächse enthält Gänsefingerkraut als wirksamkeitsmitbestimmende Inhaltsstoffe vor allem Gerbstoffe, die zusammenziehend wirken“, sagt Niedenthal.
Aus Blättern und Blüten kann man einen Bauchweh-Tee kochen. Er lässt sich auch gurgeln: Das hilft bei leichten Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhäute. Außerdem kann man die Pflanze essen – zum Beispiel als Salat- und Suppenbeigabe.
Löwenzahn: „Manchmal sind es ganz gewöhnliche Pflanzen, die besonders interessante Inhaltsstoffe haben“, sagt Niedenthal und meint dabei den allgegenwärtigen Löwenzahn. Er ist eine vielseitige und zudem schmackhafte Arzneipflanze. In Kraut und Wurzel stecken neben diversen Vitaminen, Mineralstoffen und Aminosäuren viele Bitterstoffe, die den Stoffwechsel ankurbeln und Verdauungsbeschwerden lindern.
Außerdem wirkt Löwenzahn harntreibend und ist daher unter anderem ein Hausmittel gegen Blasenentzündungen. So erklärt sich sein Beiname „Bettnässer“. Ansonsten lassen sich alle Teile der Pflanze in der Küche verwenden: Zum Beispiel kann man aus jungen Blättern einen vitaminreichen Salat oder aus den Wurzeln Kaffee-Ersatz machen.
Giersch: Kaum ein Gewächs ist unter Gärtnern so verhasst wie der Giersch, weil er hartnäckig in Beeten wuchert. Statt in der Biotonne sollte er aber besser im Kochtopf landen: „Aufgrund seines hohen Gehalts an Vitamin C und verschiedener Mineralien kann der Giersch die Küche in Form von Salaten und Gemüse bereichern“, sagt Niedenthal.
Beim Sammeln in freier Natur sollte man sich aber gut auskennen: „Giersch kann man leicht mit anderen Doldenblütlern wie dem giftigen Gefleckten Schierling verwechseln“, warnt der Experte. Ein gutes Erkennungsmerkmal des Giersch sei allerdings sein dreikantiger Blattstiel. Früher wurde die Pflanze bei Gicht, daneben auch bei Arthritis eingesetzt. „Diese Einsatzgebiete sind wissenschaftlich aber nicht belegt“, erklärt Niedenthal.
Gewöhnliches Hirtentäschel: Schön ist sie nicht gerade, aber nützlich: Die bis zu 50 Zentimeter hohe Pflanze mit den unauffälligen weißen Blüten erkennt man leicht an ihren herzförmigen Früchten, die einst an die Umhängetaschen von Hirten erinnerten – daher der Name. Blüten, Blätter und Früchte enthalten unter anderem sekundäre Pflanzenstoffe wie Flavonoide und Phenolcarbonsäuren, die unter anderem einen antioxidativen Effekt haben.
Hirtentäschel-Tee oder -Tinktur wirkt vor allem blutstillend. „Das Kraut kann bei starken Menstruationsblutungen eingesetzt werden, wenn ein normaler Zyklus vorliegt und ärztlicherseits eine ernsthafte Erkrankung ausgeschlossen wurde“, sagt Niedenthal. Ansonsten macht sich das Kraut als würzige Beigabe gut in Salaten und Gemüsegerichten.
Wiesenschaumkraut: Die Blümchen mit den zart violetten Blüten, die massenhaft auf Wiesen wachsen, haben mehr verdient, als achtlos umgemäht zu werden: Zumindest eignen sich die jungen Blätter mit ihrem kresseartigen Geschmack gut als Salatzutat, die reichlich Vitamin C liefert.
Außerdem enthält die Pflanze Senfölglykoside, die keimhemmend wirken, sowie Bitterstoffe, die Stoffwechsel und Verdauung ankurbeln. Früher wurde das Kraut vor allem als Hausmittel gegen Rheuma gelobt. „In der modernen Medizin wird es aber nicht verwendet“, sagt Niedenthal. Für die Natur ist die Pflanze inzwischen wichtiger denn je: Sie ist unter anderem Futterpflanze des Aurora-Falters.
Die Forschergruppe Klostermedizin präsentiert sich auch auf der Landesgartenschau in Würzburg. Bis 7. Oktober ist sie täglich (außer dienstags) am Stand des Bund Naturschutz vertreten.