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Serie (2): Wie in eine alte Villa neues Leben einkehrt

Serie (2)

Wie in eine alte Villa neues Leben einkehrt

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    Alljährlich, und das seit 37 Jahren, verleiht der Heimatverein Dießen den Preis „Haus des Jahres“ für hervorragende Leistungen der privaten Denkmalpflege in

    Gleich an die Kreuzkapelle in St. Georgen schließt sich ein 12000 Quadratmeter großes Grundstück an. Locker bebaut, alte Obstbäume mit Misteln besiedelt, Hühner gackern, am großen Walnussbaum klettert eine Kinderschar, durch die Bäume blitzt der Turm des Marienmünsters. Es ist ein Stück heile Welt dort oben. Hoch und herrschaftlich erhebt sich dabei die denkmalgeschützte Villa, 1878 durch den Dießener Bauunternehmer Franz Stiegler im späten Maximiliansstil errichtet.

    Typisches Element dieser Epoche sind die Sichtziegelflächen. Nur wer genau hinschaut, bemerkt die optische Täuschung: In die Putzflächen wurde die Ziegelstruktur nämlich nur eingeritzt. Als typisch gelten ebenfalls die bullaugenartigen Rundfenster, die Licht in das Dachgeschoss lassen. Einst war dort der Speicher. Jetzt hat sich der Münchner Architekt Bernhard Asböck, der die Planung der beiden prämierten Anwesen übernommen und die Villa erworben hatte, ein gemütliches Domizil unter alten Balken eingerichtet.

    Westlich davon steht das Bauernhaus mit Eckerker und Scheunenanbau. Die Familie Kittnar, die gegenüber im „Schuster-Woldan-Haus“ wohnt, hat es gekauft und mit viel Eigenarbeit denkmalgerecht saniert, obwohl es nicht unter Denkmalschutz steht.

    Werden Grundstücke wie diese zum Verkauf angeboten, so stockt den Ortsansässigen meist erst einmal der Atem. Greifen Bauträger zu, ist oft mit enormer Nachverdichtung zu rechnen und ein liebenswerter Fleck Heimat ist dann verloren. Doch die Gemeinde Dießen hat in diesem Fall die kleinteilige Bebauung per Bebauungsplan unterbunden. Und mit den Familien Asböck und Kittnar fanden sich Menschen, denen am Erhalt der Gebäude gelegen war. Architekt Asböck, der bereits beim Bau der Mädchenrealschule Dießen tätig war, wusste: „Die Ästhetik darf nicht zu kurz kommen.“ Bereits beim Erwerb mussten einige Hürden überwunden werden, denn die Erbin wollte das gesamte Areal, zu dem auch Wald und Wiesen gehören, in einem Zug verkaufen. Erst als das nicht gelang, brachten sich Asböck und Kittnar ins Spiel, eine weitere Familie, die ein Einfamilienhaus bauen wird, stieß dazu sowie ein Landwirt.

    „Die ersten, die eingezogen sind, waren die Hühner“, erzählt Isabell Kittnar beim Rundgang am Hühnerhaus. Gleich gegenüber führt eine Rampe zum Speicher des Bauernhauses. Dort wird sich die Kostüm- und Bühnenbildnerin ein Büro einrichten. Der Stadel mit seinem Fachwerk wurde 1876 erbaut, 1919 erfolgte der Anbau des Wohnhauses. Es gehört vermutlich Mut dazu, so ein Anwesen zu erwerben. Die Mauer der Lagerräume erwies sich nämlich als instabil und musste abgerissen werden. Ölöfen, die Elektrik spartanisch auf Putz verlegt, Bäder so schmal, dass ein korpulenter Mensch wohl steckenbleiben würde. „Heizung, Wasser, Elektrik, Dach, alles musste neu gemacht werden“, erzählt Kittnar. Zum Glück konnten die meisten der Türen sowie die Holzböden im ersten und zweiten Stock erhalten werden. Schöne Details am Bauernhaus sind heute der Erker, die runden Kanten sowie die unbehandelten Lärchenfenster. Im Bauernhaus wohnen nun auf drei Ebenen zwei Mietparteien.

    Die Renovierung der Villa hatte in enger Abstimmung mit dem Denkmalamt zu erfolgen. Sehenswert sind die gusseisernen Geländer von Treppenhaus und Balkonen, aber auch die Kastenfenster mit ihren gebogenen Scheiben und den Basquille-Beschlägen. Edel wirkt die Farbgebung: Weiß der Putz, grau die Fensterläden und Putzornamente, ziegelrot die Sichtziegelflächen. Deren Fugen wurden mit Zementschlamm abgedichtet.

    Das größte Problem der Villa war aber die Feuchtigkeit im Keller wie auch im Dach. Sowohl das Bad als auch das Dach waren undicht. Insbesondere die Dachbalken rund um den Kamin waren verfault, der Holzwurm fühlte sich in den Deckenbalken sichtbar wohl. Was nicht zu erhalten war, wurde ausgetauscht und zudem das Tragwerk des Dachstuhls verstärkt. Doch dann erhielt Asböck eine Hiobsbotschaft: Verdacht auf Hausschwamm. Proben wurden im Labor untersucht, dann gab es Entwarnung. Asböck zeigt Bilder früherer Zeiten: Eine hässliche Kunststoffkassettendecke, im Bad wurde das Wasser der Dusche in die Regenrinne eingeleitet.

    Elegant präsentiert sich dagegen heute die Dachgeschosswohnung mit ihren Eichenböden und der Sonnengrube, einem Dachausschnitt nach Westen. Zur Dämmung erhielt sie eine Vorsatzschale in Trockenbauweise. Die anderen Wohnungen wurden innen mit Kalkgipsputzbasis mit Blähtonzuschlag verputzt. Damit hält die Villa sogar die Werte eines KFW-Effizienzhauses Denkmal ein.

    Letzte Arbeiten sind an beiden Häusern noch im Sockelbereich auszuführen. Dann wird der Garten angelegt. Zäune sollen auf dem Gelände nicht errichtet werden. „Der Charakter des Ensembles soll gewahrt bleiben“, so die Bauherren. Besonders freut sich Kittnar über das zahlreiche wohlwollende Lob vieler Passanten, die bewundernd stehen bleiben: „Es sieht aus wie früher, nur neu und lebendig.“

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