Am 19. Verhandlungstag im Prozess gegen eine Schrobenhausener Heilpraktikerin und einen Ingolstädter Unternehmer nahmen die Verteidiger der Heilpraktikerin am Mittwoch vor dem Ingolstädter Landgericht Stellung zu dem Video, das vergangene Woche im Gerichtssaal gezeigt worden war. Nach ihrer Einschätzung entlaste das Video ihre Mandantin. Gleichzeitig belasteten sie den mitangeklagten Ingolstädter. Darüber hinaus hat das Gericht die 25-jährige Tochter der Frau aus Osnabrück vernommen, die die Ermittlungen gegen die Angeklagten wegen Betrugs in Gang gebracht hat.
Die mittlerweile verstorbene Osnabrückerin war an Speiseröhrenkrebs erkrankt. Wie ihr Ehemann vor ein paar Wochen bereits ausgesagt hat, habe sie in der Hoffnung, das von den Angeklagten vertriebene Präparat BG-Mun könne ihren Krebs heilen, das Mittel für mehrere Tausend Euro gekauft und auf Anraten der Angeklagten die Chemotherapie abgebrochen. Als sich dann gezeigt habe, dass der Tumor auf weitere Organe übergegriffen habe, habe sie sich betrogen gefühlt und sich an Stern TV gewandt, sagte ihre Tochter vor Gericht. Die Angeklagten hätten als Ursache eine psychosomatische Störung bei ihrer Mutter ausgemacht und vor allem, dass ihr Vater als Ehemann die Therapie mit BG-Mun nicht ausreichend unterstütze. Ihrer Mutter sei sogar nahegelegt worden zu überlegen, „ob er der richtige Partner ist“.
Krebspatientin hat Heilpraktikerin aus Schrobenhausen auf einer Gartenparty kennengelernt
Ihre Mutter habe die Angeklagten auf einer Gartenparty in der Nähe von Heidelberg kennengelernt. Sie sei „voller Hoffnung“ gewesen, berichtete die 25-Jährige. Dies deckt sich mit einer vom Gericht verlesenen Nachricht an die Tochter am Tag nach der Party: Die Überlebenschance mit Chemo liege bei zwei, die ohne Chemo bei 50 Prozent, hat sich die Osnabrückerin gefreut.
Wie berichtet, hat sich nach dem Hinweis der Osnabrückerin eine Stern TV-Reporterin unter dem Vorwand, ihre Freundin sei an Brustkrebs erkrankt, in der Praxis der Heilpraktikerin zu BG-Mun beraten lassen und eine Packung gekauft – und dies mit versteckter Kamera gefilmt. Die Reporterin habe seine Mandantin „durch eine Straftat in eine Falle gelockt“ und mit „manipulativen und suggestiven Fragen“ provoziert, schimpfte Verteidiger Michael Tsambikakis. Dennoch entlaste das Material die Heilpraktikerin in allen Punkten. Insbesondere lasse sich den Aufnahmen nicht entnehmen, dass sie zum Abbruch der Chemotherapie geraten habe. Auch ihre Aussage, dass die Chemotherapie das Metastasen-Wachstum fördere, sei „wissenschaftlich nicht zu beanstanden“, betonte der Anwalt.
Hört man sich den entsprechenden Dialog zwischen der Reporterin und der Heilpraktikerin an, könnte jedoch durchaus auch ein anderer Eindruck entstehen. Wörtlich heißt es in den heimlich mitgeschnittenen Aufnahmen:
Reporterin: Soll sie (gemeint ist ihre angeblich krebskranke Freundin) das (BG-Mun) mit der Chemo nehmen oder die Chemo gar nicht machen oder wie sind da die Wechselwirkungen?
Heilpraktikerin: Mit der Chemo (damit ist die Behandlung mit BG-Mun gemeint) verträgt sie die Chemo besser. Aber es kann halt passieren, wenn sie die Chemo weiterhin macht, dass sie die Chemo besser verträgt, aber die Metastasen trotzdem kommen. Weil die Chemo setzt zu 99,9 Prozent Metastasen, das bekommen die aber nicht gesagt.
Reporterin: Die produziert die erst?
Heilpraktikerin: Die produziert die erst. Da wird praktisch der Primärtumor meistens reduziert, wenn sie zu den Frauen gehört, die wo sie nicht hormongesteuert ist. Dann reduziert das die Chemo, setzt aber gleichzeitig den Boten für die Metastasen.
Reporterin: Das heißt, die Chemo macht ja dann eigentlich erst die Metastasen?
Heilpraktikerin: Genau. Und die lassen sich halt alle zu wenig aufklären.
Bereits beim Prozessauftakt haben die Verteidiger der Schrobenhausenerin angekündigt, einen Freispruch für ihre Mandantin anzustreben. Nun haben sie auch angedeutet, worauf sich ein solcher stützen könnte: Die Heilpraktikerin sei von BG-Mun überzeugt gewesen, sagte Tsambikakis. Und weiter: „Sie vertraute auf die Angaben des Herstellers.“
Ob die Verteidiger bereits nächste Woche mitteilen, auf welche Angaben des mitangeklagten Ingolstädters genau die Heilpraktikerin vertraut haben will, bleibt abzuwarten. (amül)