Wer einem der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler aus der Region über die Schulter schauen darf, kann sie regelrecht erahnen: diese Mystik der Unvergänglichkeit in der unverwechselbaren Farbzusammenstellung des Greifenberger Malers und Bildhauers Helmut Kästl. Auch wenn er in diesen Tagen seinen 85. Geburtstag feiert, ist für ihn Müßiggang kein Thema. Derzeit trifft man den Meister in der Glasmalerei Sattler in Scheuring, wo er für den Neubau der Münchener Trinitatiskirche Fenster in traditioneller Bleiverglasung fertigen lässt.
In seine Entwürfe für das siebeneinhalb Meter lange Querband im Altarraum und drei senkrechte Verglasungen hat er das Geheimnis der Dreifaltigkeit mit hoher Symbolkraft komponiert. Das mundgeblasene Glas wurde in Waldsassen hergestellt und wird nun von Katrin Engel-Meyer präzise, nach dem sogenannten Aufriss mit der Schablonenschere geschnitten und auf den großen lichtdurchfluteten Scheiben der Werkstätte zu einem großen Ganzen zusammengefügt.
Der sensible Feingeist Helmut Kästl hat im Laufe seines erfolgreichen Künstlerlebens viel Großes geschaffen, was ihm internationale Anerkennung einbrachte. Geboren wurde er 1934 in Frontenhausen im Vilstal in Niederbayern. Als er vier Jahre alt war, zog die Familie nach Schongau, wo er zusammen mit zwei Brüdern in einer kunstsinnigen Familie aufwuchs.
Bereits im Vorschulalter waren kreatives Malen und Zeichnen seine Lieblingsbeschäftigungen. Als er 1956 zum Studieren an die Akademie der Bildenden Künste nach München ging, unterhielt er bereits ein Atelier in Schongau. 1959, also vor genau 60 Jahren, durfte Helmut Kästl als 25-jähriger Kunststudent zum ersten Mal im Haus der Kunst an der Großen Kunstausstellung teilnehmen. Sein Stillleben war bereits am Eröffnungsabend verkauft und die damaligen Berichterstatter titelten: „Helmut Kästl ist ein Name, den man sich merken muss“.
Als der Wiechmann-Verlag das Ölgemälde im internationalen Kunstkalender abbildete, erreichte Kästl viel anerkennende Fanpost, sogar aus den USA. Bereits zwei Jahre später war er einer der drei auserwählten jungen, deutschen Künstler, die zum 80.Geburtstag von Pablo Picasso nach Malaga eingeladen wurden, um dort zusammen mit dem großen Meister auszustellen. Für sein Stillleben und die Landschaft in Öl auf Leinwand wurde er damals von der spanischen Presse gefeiert.
Seit dieser Zeit, also von 1961 bis heute, ist Helmut Kästl – übrigens seit 40 Jahren treuer LT-Leser – als freischaffender Künstler tätig und wir verdanken ihm nicht nur Kirchenfenster von strahlender Leuchtkraft, die uns in andächtigem Staunen innehalten lassen, sondern auch die künstlerische Ausstattung von Banken, Schwimmbädern, Schulen und zahlreichen öffentlichen Gebäuden mit Werken in Glas, Bronze, Stein und Textil. In zahlreichen Ausstellungen auf dem gesamten europäischen Kontinent, in Israel und in Übersee ließ Helmut Kästl teilhaben an seiner Wahrnehmung vom Wunder der Schöpfung.
1975 baute er sich auf einem Grundstück mit altem Baumbestand ein Haus, das ihm den nötigen Platz für sein künstlerisches Schaffen bot, und zog von München nach Greifenberg. Bereits 1971 wurde er Mitglied der traditionsreichen Künstlervereinigung Münchener Secession und 1994 zu deren Präsidenten gewählt. Dieses Amt füllte er bis 2010 mit unermüdlichem Engagement aus und ist seitdem Ehrenpräsident. Im Sommer 2007 eröffnete er parallel zur Biennale eine großartige Ausstellung zeitgenössischer Kunst mit Künstlern der Münchener Secession im Palazzo Albrizzi in Venedig.
Sechs Jahre war Kästl auch Präsident der Ausstellungsleitung Große Kunstausstellung im Haus der Kunst in München. In 80 Orten in Bayern ist ein „Kästl“ im profanen oder sakralen Bereich zu bewundern. Für sein Wirken bekam der Künstler 2003 das Bundesverdienstkreuz. Helmut Kästl hat für 13 Münchner Kirchen und das Priesterseminar die Fenster entworfen, wobei die Gestaltung der prächtigen Westrosette in der St.-Pauls-Kirche zu seinen Meisterwerken zählt. Helmut Kästl: „Kirche und Kunst sind voneinander nicht zu trennen, denn zum höchsten geistigen Inhalt der Religion gehört die größte mit den Sinnen wahrnehmbare Form, wie zum Beispiel bildende Kunst, aber auch Architektur, Musik, Sprache und Inszenierung.“ Das unverwechselbare Ultramarinblau in unterschiedlichen Abstufungen findet sich in seinen klassischen Symbolbildern wieder. Insider sprechen vom typischen „Kästl-Blau“. „Die Farbe Blau ist Zeichen für die Gegenwart Gottes und der göttlichen Offenbarung“, so Kästl. Seine Bronze-Gedenktafel am Herzoglichen Georgianum der Universität in München erinnert an die Studienzeit des späteren Papstes Benedikt XVI., ebenso realisierte Helmut Kästl für die Altarinsel Ambo, Altar und Kathedra für den Besuch von Papst Johannes Paul II.
Zum Feiern mit Freunden und der Familie, bleibt dem Künstler mit der eleganten Ausstrahlung und dem ihm eigenen scharfsinnigen Humor kaum Zeit, denn neue Projekte stehen schon wieder unmittelbar bevor.