Wer Ellis Kaut in dem hellen Wohnzimmer ihrer Obermenzinger Wohnung zum Gespräch gegenübersaß, bemerkte schnell die Ähnlichkeiten: das Temperament, die Schlagfertigkeit, den lockeren Witz, das Lausbübische und sogar die roten Haare, die sie auch im Alter noch nachfärbte – die Mutter des Pumuckl eben. „Der Pumuckl täte nie etwas, was ich nicht auch machen könnte. Vor allem aber traut er sich das, was man als Kind immer ganz gern tun möchte, er probiert etwas aus, auch wenn er weiß, dass es nicht gut ist und er geschimpft bekommt“, erklärte sie sich selbst den unheimlichen Erfolg ihrer Figur.
Mit dem kleinen rothaarigen Kobold wurde die Münchner Schriftstellerin berühmt, und obwohl sie auch weitere erfolgreiche Kinderbücher verfasste wie die Geschichten vom „Kater Musch“ oder „Uli, der Fehlerteufel“ – der Pumuckl war ihr ständiger Begleiter, seit er 1962 zum ersten Mal mit seinem „Hurra, Hurra“ über den Rundfunk zu hören war. Für Hörspiele, Bücher, eine Fernsehserie und zwei Spielfilme lieferte sie Handlung und Dialoge. In ganz Europa, sogar in China, sind die Kinder immer noch für den Schabernack des kleinen Kobolds zu begeistern.
Dabei hatte Ellis Kaut zunächst eine ganz andere Kunst im Sinn, um weltberühmt zu werden – denn das nahm sie sich von Kindesbeinen an vor. „Ich habe immer eine Menge Kraft gespürt, um etwas anzufangen, etwas zu schaffen“, erzählte sie. Im Familienkreis führte sie schon als kleines Mädchen eigene Theaterstücke auf und gab eher missglückte Gesangsdarbietungen zum Besten, alternativ wollte sie Klaviervirtuosin oder „Heilige“ werden, wie sie in ihrer Autobiografie „Nur ich sage ich zu mir“ launig beschreibt. Schließlich wandte sie sich nach der Schule aber der Schauspielerei zu und studierte in München bei der Staatsschauspielerin Magda Lena.
Mit der großen Bühnenlaufbahn wurde es allerdings nichts. Erste Berühmtheit erreichte die gebürtige Stuttgarterin, die mit zwei Jahren nach München kam, trotzdem schon 1938 mit 18 Jahren: Sie wurde zum ersten „Münchner Kindl“ erkoren und führte den Zug der Oktoberfest-Eröffnung an.
Wie Ellis Kaut Pumuckl erfand
Einen ganz neuen künstlerischen Weg schlug Ellis Kaut dann während des Krieges ein, als sie Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste studierte und mehrere Jahre als Porträtistin arbeitete. Angeregt durch ihren Mann, den Journalisten und Schriftsteller Kurt Preis, den sie 1939 heiratete, hatte sie da aber nebenbei auch schon kleinere Erzählungen und Hörspiele geschrieben und in Kindersendungen des Hörfunks als Sprecherin gearbeitet. Die junge Mutter – 1945 kam Tochter Ursula zur Welt – musste mithelfen, die Familie durchzubringen. So entstand die Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk, die ihr dann schließlich zu der angestrebten Berühmtheit verhelfen sollte – wenn auch auf ganz anderem Gebiet.
Zu Beginn der 50er Jahre schrieb sie für den Rundfunk 150 Hörspielepisoden über „Kater Musch“, eine sprechende Katze, die bei einem Schriftsteller wohnt. Als die Reihe auslief, wurde sie gebeten, für eine weitere Hörfunkreihe doch wieder eine solch lustige Figur zu erfinden. Und damit war der Pumuckl geboren – ein unsichtbarer Kobold, der immer wieder gegen Vorschriften und Konventionen verstößt.
Weil er an einem Leimtopf kleben bleibt, muss er sich dem Schreinermeister Eder zeigen – altes Koboldsgesetz. Fortan bringt er mit seinen Streichen und unsinnig-hintersinnigen Versen („Denn was sich reimt ist gut“) Leben in die Schreinerwerkstatt. Seinen sprechenden Namen verdankt der Kobold übrigens einer Schneeballschlacht in der Schweiz. Ellis Kaut hatte ihrem Mann eine Ladung Schnee in den Jackenkragen geschüttet, woraufhin der sie einen Pumuckl nannte.
Ellis Kaut bezeichnete das Schreiben als Qual
Das Schreiben verstand Ellis Kaut aber trotz ihres großen Talentes nie als ihre selbstverständliche Profession. „Eine Qual“ sei es immer gewesen, wurde sie nicht müde zu erzählen. 22 Seiten musste sie für eine Pumuckl-Hörspielfolge verfassen, mit geschäftsmäßiger Routine machte sie sich täglich von 11 bis 14 Uhr ans Werk, um danach anderen, lieberen Beschäftigungen nachzugehen: der Gartenarbeit, der Fotografie, der Malerei. Der Pumuckl ist ihr trotzdem zum guten Freund geworden, vor allem, wenn sie daran dachte, wie glücklich er die Kinder machte.
Zur unerbittlichen Streiterin für ihre Figur wurde Ellis Kaut ab 1982 in einem Zwist mit der Grafikerin Barbara von Johnson, die dem Pumuckl sein berühmtes Aussehen mit dem roten Haarschopf, der grünen Hose und dem gelben Hemd gegeben hat.
Kauts Schwiegersohn hatte die Koboldfigur für den Kinofilm neu gezeichnet und von Johnson machte hierfür ihre Urheberrechte geltend. Das Gericht gab ihr recht. Auch später stritt Ellis Kaut noch einmal mit der Illustratorin, weil sie verhindern wollte, dass der Pumuckl eine Braut bekommt – ebenfalls ohne Erfolg. Eine große Enttäuschung für Ellis Kaut. Erst zum 50. Geburtstag des Pumuckl versöhnten sich die beiden Frauen.
Zuletzt gab es Proteste gegen das neue Aussehen von Pumuckl
In die jüngsten Turbulenzen um den Kobold hat sich Ellis Kaut nicht mehr eingeschaltet. Das übernahmen dafür all die großen und kleinen Fans des Pumuckl. Der Stuttgarter Kosmos Verlag hatte die Figur für eine neue Ausgabe moderner zeichnen lassen wollen. Der Illustrator hatte den Kobold daraufhin ohne sein rundes Bäuchlein gezeichnet und damit Proteststürme hervorgerufen. Auch Ellis Kaut gefiel der abgemagerte Wicht nicht. „Scheußlich“ habe sie den Kobold gefunden, sagte ihre Tochter gestern, nachdem bekannt geworden war, dass die Schriftstellerin gestern, kurz vor ihrem 95. Geburtstag am 17. November gestorben sei.
Vor einigen Jahren musste sie ihre Wohnung in der Nähe des Nymphenburger Parks aufgeben und in ein Pflegeheim bei Fürstenfeldbruck ziehen. Der kleine Kobold wird sie auch dort als ständiger Begleiter nicht verlassen haben. Vor allem aber wird er auch über ihren Tod hinaus der Gefährte vieler Kinder bleiben.
Noch gestern Abend war auf ihrer Internetseite zu lesen: „Der Pumuckl sagt auch weiterhin ,ich‘ zu sich, und das nun schon seit vielen Jahren. Und die Kinder von damals haben selbst wieder Kinder, und die haben auch wieder ,ihren‘ Pumuckl, und ich glaube, dass die Pumuckls alle eines gemeinsam haben: das Lachen eines kleinen Lausbuben. Und wenn irgendwo das Wort ,Pumuckl‘ fällt, dann geht über die Gesichter ein Lächeln. Das macht mich glücklich.“