An den Gedanken, dass türkische Firmen Autos und Fernsehgeräte für den EU-Markt herstellen, haben sich viele Europäer gewöhnt. Aber Friedhofskreuze?
Man muss schon wie Hasan Karakösem gestrickt sein, um so etwas auf die Beine zu stellen. Ein Türke, der in Deutschland aufgewachsen ist, sich da zu Hause fühlt, fehlerfreies Deutsch mit bayerischem Einschlag spricht, aber gläubiger Muslim ist und in der Türkei viele Kontakte hat. „Das gibt’s ja nicht jeden Tag, dass ein Türke Kreuze produziert und in die EU verkauft“, sagt er. Der Stolz ist ihm anzuhören.
Als Karakösem vor einigen Jahren im westtürkischen Denizli eine Firma für die Herstellung von Holzprodukten suchte, schlug ihm eine Mischung aus Unkenntnis und Skepsis entgegen. Angefangen bei den Ämtern: „Als ich die Genehmigung einholen wollte, da bin ich vierzigmal zu den Behörden – hin und her.“ Schließlich war es nicht gerade türkische Alltagsware, die er in der Fabrik produzieren lassen wollte. „Die haben zuerst gar nicht verstanden, was das ist“, erzählt der 38-jährige Unternehmer aus Rohrbach südlich von Ingolstadt.
Denn Karakösem schlug seinen türkischen Landsleuten vor, christliche Grabkreuze für den Markt in Deutschland herzustellen. Da musste so mancher muslimische Arbeiter schlucken. Doch die Globalisierung war stärker als religiöse Zweifel. „Sicher waren da einige, die sagten: Das ist nicht erlaubt. Aber überwiegend haben die Leute nur an die Arbeit und ans Geschäft gedacht.“
Inzwischen lässt Karakösem in Denizli, der türkischen Heimat seiner Familie, jährlich bis zu 30000 Holzkreuze für deutsche Friedhöfe produzieren. Das Eichenholz wird in die Türkei importiert, in Denizli wird gesägt, geleimt und lackiert, bis die Symbole des christlichen Glaubens fertig sind und per Lastwagen in die Bundesrepublik gebracht werden. Die Herstellungskosten sind günstig, die Qualitätsstandards hoch – und die Produktionsbedingungen flexibel: „Je nachdem, wie die Leute sterben.“
Die Arbeiter in Denizli stellen nicht nur Kreuze her, die unmittelbar nach einer Bestattung als Übergangslösung bis zur Fertigstellung des Grabsteins auf ein Grab gesetzt werden. Produziert werden auch kleinere Kreuze, die mit einer Jesusfigur versehen und auf dem Sarg selbst befestigt werden. Der Holz-Jesus kommt allerdings nicht aus der Türkei, betont Karakösem. Und wenn es in Denizli gerade keinen Auftrag für Friedhofs- und Sargkreuze gibt, dann nageln die Mitarbeiter hölzerne Zäune für den Verkauf in Baumärkten zusammen.